Santl war Teil des einst viel größeren Ortes St. Johann bei Grafenwörth und erstreckte sich am rechten Ufer des Mühlkampes gegen Seebarn hin. St. Johann hatte in früherer Zeit große Bedeutung als Warenumschlagplatz (vor allem Salz). Nach schweren Überschwemmungen wurden die beiden zu Dürnstein gehörigen Filialkirchen St. Johann und St. Marein von den protestantischen Besitzern von Grafenwörth und Seebarn, den Freiherren Hans Rueber und Georg von Haimb geplündert.

Am 7. April 1645, während des 30-Jährigen Krieges, marschierten die Schweden unter Torstenson in Grafenwörth ein. St. Johann mit dem Ortsteil Santl wurden dabei geplündert und verwüstet. Bedingt durch diesen Überfall und wohl auch aufgrund der ständigen Hochwässer wurde Santl nicht mehr aufgebaut.

Überreste der beiden Kirchen und von einstigen Behausungen, die bei Schotterbaggerungen im Bereich der Santl-Au ans Tageslicht kamen, wurden bei der Neugestaltung des Kapellenplatzes in  St. Johann auf  Sockeln ausgestellt.

Eine Sage erzählt von den gottlosen Leuten von Waasen und Santl, die mitsamt ihren Dörfern bei einem Unwetter im „Schlund der Erde“ versanken. Ein weidender Stier soll viele Jahre später mit seinen Hörnern die große silberne Glocke der Kirche ausgegraben haben. Kirchen und Klöster boten viel Geld für die Glocke, doch sie wurde nicht verkauft. Später hat man sie eingeschmolzen und drei Glocken daraus gegossen. Eine davon ist die große Glocke auf dem Kirchturm zu Grafenwörth. Sie trägt am Rande des Saumes drei Stierköpfe.

Die Legende siehe hier.


Die Kapelle mit den Fundstücken

   
Fenstergewände - Lisene - Türgewände

Kooperator Klemes Dopkowitz schrieb die Geschichte von Grafenwörth nieder, worin auch die Geschehnisse in St. Johann und Santl enthalten sind. Diese befinden sich im Stiftsarchiv Herzogenburg, Dürnsteiner Archiv unter der Bezeichnung: "Grafenwörth nach den Aufzeichnungen des hochw. Herrn Pfarrers zu Dürrenstein Klemes Dopkowitz zur Zeit der Niederschrift im August 1869, Cooperator in Grafenwörth." Mitwirkend war auch Pfarrer von Grafenwörth Georg Grossschopf:
Es gehörten zur Pfarrkirche Grafenwörth zwei Filialkapellen St. Johann und St. Marein im Werd (oder Waasen heißt es in einem Dokument). Schon 1607 war keine Spur mehr davon zu sehen. St. Marein lag etwa in Werd nächst der Thonaw. Beide versah ein Geistlicher aus dem Stifte Thirnstein, der in eigenen Pfarrhofe in St. Johann seinen Sitz hatte. Die außergewöhnlich starken Eisgänge und auch Überflutungen des Donaustromes im Sommer in den Jahren 1571 bis 1574 fügten beiden Kirchen große Schäden zu, es konnte kein Gottesdienst mehr abgehalten werden. Das war dem protestantischen Besitzern von Grafenwörth und Seebarn (zwei berühmte Freyherren heißt es in den Acten) Herr Hans Rueber (dem Älteren) und Herr Georg von Haimb ein hinreichender Vorwand, beide Kapellen durch den brutalen Pfleger Georg Geyr in den Jahren 1575 und 1576 abbrechen zu lassen und sich in den ganzen ansehnlichen Besitz desselben, „als Grundbücher, Zehent, Awen, Wiesen, Äcker, Weingärtten, Immerkhue (Bienenstöcke, Anm.d.Verf.), Kirchenornat, Messgewänd, Kelch und alle Zugehörung ohne Wissen und Willen des Propstes zu Tirnstein nachbarlich zu theilen“ unter dem Prätext, als wären diese Kirchengüter von ihren Untertanen gestiftet und als ob sie selbst fortan einen Seelsorger davon erhalten würden. Das letztere geschah freilich, aber luterische Preticanten waren es, die sie im Schlosse anstellten und auch davon gaben sie von dem Erträgnisse der geraubten Kirchengüter „nur auff ein Schattl ut popula placerent“.
Erst nach 32 Jahren und langen Processieren bekam der Propst von Tirenstein einen Teil der Güter von St. Johann, der andere wurde ihm „gar hinterlistiger weiss“ von dem damaligen Bestandinhaber der Herrschaft Grafenwörth Wolf Khaininger vorenthalten.
Von St. Marein aber kamen nur wenige Äcker und Wiesen zurück, alles andere behielten die Seebarner Herrn Georg von Haimb und seine Nachfolger Herr Hans Georg von Auersperg und Herr Hans Adam von Traun für sich.
Im Jahre 1607 wandte sich der Propst an den Kaiser selbst mit der Bitte, den obgenannten unrechtmäßigen Besitzern die Restitution sowohl der noch rückständigen Güter als auch deren Abnützung die lange Reihe von 32 Jahren hindurch aufzutragen. Mit welchem Erfolg der Propst tupplizierte, geht aus den vorhandenen Acten leider nicht hervor.
(Eine Tafel in Krems am Hölltor meldet vom Hochwasser 1573: den 12. Jänner anno 1573 ist die gross Eisguss khumben und hat gewert 12 Tage lang, Kinzls Chronik) – Dem Prozessacten liegt ein Verzeichnis der Gegenstände bei, die der Propst zurückforderte, und zwar:
Alle geraubten Kirchendokumente, Bücher und Briefschaften
Die Zechlade sammt den darin gewesenen Gelde.
Die 4 großen Glocken, die am Kirchturm von St. Johann hingen.
Die große Uhr, die am Turm gewesen.
Altarsteine, Bilder, Messgewänder, Kelche, Monstranzen, Altartücher, Messingleuchter, die nach den Herrn Kainingers Aussagen in einer Truhe auf dem Boden im Schlosse aufbehalten würden.
„Item die Mauersteine, alles Eisen und Holzwerk, auch anders Pawzeug mehr, so von der abgerissenen St. Johanner Kirchen hinweckh gefüert und davon gemainer Sag nach dass grosse Haus im Marckht Herrn Rueber zugehörig“ (das Herrnhaus Nr. 71, jetzt Kaufhaus Stöger soll damit aufgebaut worden sein.
„Item was wil gedachter Geyr auff seines Herrn des alten Herrn Rueber Beuelhe vonn Faarnuss und Guettern an, nach Absterben des vom Gotteshaus Thürenstein dahin gesetzten Pfarrers (Johannes Einwag) oder Vicarius auss den Pfarrhof zu St. Johanns mit Gewalt und Raubweiss weckh und zu sich inss Schloss genommen, wenden wellichen auch wissentlich 16 Haupt Kühe Vieh ausser andern gewest. Davon er Geyr 8 Kue der Schlechtisten per 40 fl ander werts verkauft hatt.“
„Die Äcker, Wiesen, Gärten (Paumbstatt) Weingärten, Huitweiden, Auen, Holz, Fisswasser, Haus oder Überländgründe, auch „den wörth oder die Aw, darin St. Johannss und Maria Kirchen, da sie noch in ese waren samt dem Pfarrhof und anderen Häusern u. Pfarrgründten gestanden“. Es sind da 2 Häuser gemeind, (des Corbinian Hofer und Veit Volger), die dem Pfarrhof St. Johann dienstbar waren. Die Häuser hatte wohl die Donau weggerissen, aber 2 Joch Acker und Wiesen, auf denen eine kirchliche Stiftung lag, forderte der Propst zurück. Endlich
Die Grundstücke von St. Marein vulgo die summereinischen genannt.
Den gesamten Schaden, einschließlich der Gerichtskosten (und der Stolgebühren, die der hiesigen Pfarrgeistlichkeit durch das widerrechtliche Taufen, Trauen, Beerdigen und sonstiger vermaintes Sakramentieren der lutheranischen Prediger im hiesigen Schlosse entgingen, ist beziffert auf 24.462 lb 4 ß d.
Leider war Propst Thomas schwach genug, den Protestanten in Grafenwörth wieder den Friedhof einzuräumen und die Aufnahme und Besoldung eines luther. Prädikanten im Schlosse zu gestatten (Archiv Tirnstein).
Das hier Erzählte genügt, jedem zu überzeugen, dass die Glaubenserneuerung des 16. Jhdt. wie im Grossen so im Kleinen nirgends Segen gebracht, sondern nur zum Hass, Streit und Blutvergiessen geführt hat.
Im März des Jahres 1645 rückten die Schweden unter Torstenson heran:
In St. Johann wurde bei dieser Gelegenheit geplündert und das in hiesigen alten Schriften oft genannte Santl hart mitgenommen. Das „Santl“ oder „Säntl“ war jener Teil des einst viel grösseren Ortes St. Johann, der am rechten Ufer des Mühlkamp sich gegen Seebarn hin erstreckte. In Santl wird auch die Kirche und der Pfarrhof gestanden sein. (Daher die Sage von der in der sogenannten Grundlache versunkenen Kirche und der durch einen Stier in Santl ausgewühlten grossen Glocke. Die hiesige grosse Glocke trägt ein Wappen mit einem Stierkopf. Noch heute heisst dieser nunmehr dicht beforstete Boden das Santl und die Brücke weiter unten die Sandlbrücke. Die Stockgräber im Forst fördern alljährlich bei ihrer Arbeit noch viele Überreste dieser einstigen, menschlichen Wohnstätten, als Beistein, Ziegel, Trümmer von irdenen Öfen u.s.w. ans Tageslicht.
Teils Überschwemmungen der Donau besonders in den Jahren 1571 – 1574 teils der oben gemeldeten schwedischen Überfälle haben mit dem Santl so gründlich tabula rasa gemacht, dass auch nicht die geringste oberirdische Spur davon mehr vorhanden ist.
 
Jänner 2015
Maria Knapp