Untertänigkeit
Grund und Boden gehörten von jeher den Herrschern, die ihn an Adel und Kirche als Lehen weitergaben. Bis um etwa 1100 waren die Bauern frei. Erst um die Zeit der Kreuzzüge, als Adel und Klerus ihre Machtposition ausbauen konnten, wurden die Bauern von diesen abhängig und mussten auf deren Ländereien arbeiten, das heißt, die Bauern lebten bis zum Jahr 1848 in persönlicher Abhängigkeit. Sie erhielten vom Grundherrn ein Lehen, in unserer Gegend 20 bis 30 Joch, das aus Feldern und dem Wirtschaftsgebäude bestand. Durch Aufteilung der Höfe auf mehrere Erben kam es später zu Halb- und Viertellehen. Jemand, der nur ein kleines Haus und sehr wenig Grund hatte, war ein Kleinhäusler. Unbehauste Personen lebten als Inwohner oder Dienstboten bei Bauern.

Der Lehner oder seine Kinder durften ohne Zustimmung des Herrn nicht vom Hof wegziehen. Bei der Heirat hatten sie seine Einwilligung einzuholen, insbesondere, wenn der oder die Erwählten einer anderen Herrschaft untertänig waren. Es konnte sogar geschehen, dass der Grundherr eine Familie auf ein anderes seiner Güter in einer weit entfernten Gegend versetzte. Die Bauern konnten nicht frei entscheiden, was sie anbauen wollten, das legte der Grundherr fest. Sie brauchten sich dafür nicht um den Verkauf  ihrer Produkte kümmern, die Herrschaft übernahm die Vermarktung. Im Gegenzug versorgte der Grundherr die Bauern mit Waren, die sie nicht selbst erzeugen konnten.

Durch Kauf und Tausch unter den Grundherren kam es dazu, dass die Häuser in den einzelnen Dörfern unterschiedlichen Herrschaften angehörten. Die sogenannte Dorfobrigkeit hatte jene Herrschaft inne, die die meisten Lehen besaß. Daneben konnten auch die Angehörigen anderer Obrigkeiten eine eigene Vertretung wählen.
 
 
Robot und Zehent
Für die Überlassung des Lehens hatten die Bauern den Grunddienst[1] und Robot[2]  zu leisten. Die Robotleistung war an festgelegten Tagen als Handarbeit oder mit dem Fuhrwerk zu erbringen, wobei die Anzahl der Tage  regional unterschiedlich war. Ein Bericht aus dem „Heimatbuch Neuaigen“: Zur Robot war jeder Besitzer eines behausten Gutes verpflichtet…. Ganz-, Halb- und Viertellehner hatten höchstens 104 Tage im Jahr zu leisten. Wer mehr als ein Joch Grund hatte und noch kein Viertellehner war, hatte 52 Tage, Kleinhäusler hatten 26 Tage und Inleute 12 Tage im Jahr abzuleisten.  Eine  Geldablöse  war  möglich und musste beiderseits vereinbart werden.

Vom Ertrag ihrer Arbeit mussten die Untertanen jeweils zu Georgi (23. April) und Michaeli (29. September) ein Zehntel (den Zehent) an die kirchliche Obrigkeit abliefern. Das reichte vom Feldertrag (Zehent zu Feld) über das Vieh bis zu den Federn der gerupften Gänse und Enten (Blutzehent). Das Zehentrecht konnte weiterverkauft werden, sodass dieses häufig in die Hände weltlicher Herrschaften gelangte. Der Zehent war eine Holschuld, die Abgaben mussten also abgeholt werden, oftmals ließ sich der Grundherr als Robotleistung die ihm zustehenden Abgaben liefern. Um die Schwierigkeiten und Kosten der Einhebung des Blut-zehents zu umgehen, ließ man diesen häufig in Geld ablösen.
 
 
Bauernbefreiung 1848
Im Hungerwinter 1847/48 traf die wirtschaftliche Not die unteren sozialen Schichten wie Arbeiter und Bauern am  härtesten. In der Arbeiterschaft war die Wut auf das überkommene politische System kurz vor dem Überlaufen. Schließlich brach am 13. März 1848 die Revolution in Österreich aus. Dem Sturm auf das Ständehaus folgten Anschläge von Sozialrevolutionären gegen Läden und Fabriken in den Wiener Vorstädten.

Das Feudalsystem wurde aber erst abgeschafft, als der aus Schlesien stammende Abgeordnete Hans Kudlich  am 24. Juli 1848 im Reichstag den folgenschweren Antrag über die Aufhebung des bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisses stellte. Der Antrag wurde in leicht abgewandelter Form am 1. September beschlossen und trat am 7. September 1848 als Grundentlastungspatent in Kraft.

Dieses von Kaiser Ferdinand I. unterzeichnete Patent hob die Untertänigkeit und das schutzobrigkeitliche Verhältnis auf und ordnete die Entlastung von Grund und Boden durch eine Entschädigung der ehemaligen Besitzer an. Die nun Eigentümer gewordenen Bauern hatten im Lauf von 40 Jahren ein Drittel des Schätzwertes an die früheren Grundherren zu entrichten, ein Drittel ersetzte ihnen der Staat, auf ein Drittel mussten sie verzichten.

Die Landwirte waren nun Besitzer der von ihnen bewirtschafteten Gründe, ihrer Häuser und Wirtschaftsgebäude. Sie konnten Gründe an- und verkaufen, ohne Einwilligung heiraten und ihren Wohnsitz frei wählen.

Anstelle der Herrschaften gründete der Staat nun Gemeinden, Bezirksverwaltungen und Gerichte.

Die Folgen der Befreiung waren für die Bauern nicht nur positiv, denn an die Stelle der grundherrlichen Abgaben traten Steuern des Staates, der Länder und Gemeinden und der Übernahmebetrag an die ehemaligen Besitzer musste abbezahlt werden. Die erste Generation kannte die marktwirtschaftlichen Bedingungen noch nicht, da der Grundherr bisher alle Ernteerträge übernommen hatte. Durch Teilungen entstanden zahlreiche kleine, kaum lebensfähige Betriebe, viele davon gingen zugrunde und wurden versteigert. Die so um ihren Hof gekommenen gingen in die Städte und verdingten sich dort als Taglöhner. 

Als Beispiel sei hier das Ehepaar Joseph und Anna Eichberger, Winkl 32, angeführt, das 1851 den Hof von den Eltern des Mannes übernahm. Bei der Geburt des letzten von sieben Kindern starb Anna im Jahr 1861. Der Witwer dürfte später in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen sein, da das Haus 1871 und 1873  in der Wiener Zeitung zur Versteigerung ausgeschrieben war. 1874 wurde das Haus schließlich erfolgreich versteigert. Josef Eichberger starb 1881 im Armenhaus. 

Erst die darauf folgenden Generationen konnten den Niedergang des Bauernstands abwenden und durch Genossenschaften neue Marktorganisationen schaffen.
Quellen:
Feigl, Helmuth: Die niederösterreichische Grundherrschaft, St. Pölten 1998
ANNO - Historische österreichische Zeitungen und Zeitschriften online
 
[1] Abgabe.
[2] Dienstleistung der Untertanen für den Grundherrn.
 
 
Juli 2017
Maria Knapp