Chirurg/Bader (lat. balneator)
Letzte Änderung: 11.4.2019
Die Ausübung der Medizin lag im Früh- und Hochmittelalter fast ausschließlich in den Händen der Kleriker, deren Klosterkultur das medizinische Wissen pflegte und die Pflege der Kranken besorgte. Mit dem 2. Vatikanischen Konzil 1215 fand diese Tradition, die den Klerikern verbot, sich mit der operativen Medizin zu befassen, ein Ende. Erst die in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandenen Chirurgenschulen bemühten sich um die Weiterentwicklung der Chirurgie, doch reichten weder die dort noch die an den Universitäten Ausgebildeten aus, um auch nur einen kleinen Teil der Bevölkerung ärztlich zu betreuen. Die breiten Bevölkerungsschichten auf dem Lande mussten sich den Badern anvertrauen. Neben der Betreuung der Badstuben befassten sie sich mit der chirurgischen Behandlung der Kranken. Die Kluft zwischen den die niedere Chirurgie ausübenden Badern (und späteren Wundärzten und Chirurgen) und den Doktoren der Medizin vertiefte sich im Laufe der Zeit immer mehr und wirkte sich bis ins 19. Jahrhundert aus.
Quelle: Dr. Franz Groiß, Wallfahrt und Mirakelbuch von Kirchberg am Wagram - Maria Trost, Dissertation, 2002
Laut Grundbuch von 1689 gab es in den Gemeinden Kirchberg, Königsbrunn, Neustift und Unterstockstall Chirurgen.
Einige Eingriffe, die sie durchführen durften:
Aderlass
Der Aderlass ist eine der ältesten medizinischen Behandlungsformen. In Griechenland war er seit der Zeit des Hippokrates bekannt. Bis ins 17. Jahrhundert galt er als eine der wichtigsten medizinischen Therapieformen. Beim Aderlass wird dem Patienten eine teilweise nicht unerhebliche Menge Blut entnommen. Heute ist belegt, dass der Aderlass nur bei wenigen Krankheitsbildern eine positive Wirkung hat, sodass er weitgehend aus dem medizinischen Alltag verschwunden ist.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Aderlass
Starstich
Beim Starstich wurde mit einer so genannten „Starstichnadel“ in das Auge gestochen und die getrübte Augenlinse auf den Boden des Augapfels gedrückt. Dadurch konnte das Licht ohne Hindernis auf die Netzhaut fallen, der Patient konnte wieder sehen, wenngleich durch die fehlende Brechkraft der Linse in der Regel eine starke Übersichtigkeit (Stärke der erforderlichen Brillenkorrektur etwa +11 Dioptrien) die Folge war.
Diese Operation ging nicht immer glatt. Es konnte passieren, dass sich die Linse wieder löste und der Patient ganz erblindete, bzw. konnten verunreinigte Instrumente sogar zum Tod der Patienten führen.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Starstich
Werkzeuge des Chirurgen
Foto: Schwäbisches Handwerkermuseum, Augsburg
Steineschneiden
Die Bildung von Blasensteinen war eine häufige Folgeerscheinung früherer Ernährungsgewohnheiten. … Über einen Schnitt in die Harnröhre unterhalb der Prostata führte der Lithotomus seine Werkzeuge in die Blase ein, um den Stein zu greifen und durch den Blasenhals herauszuziehen.
Außerdem behandelten Wundärzte Abszesse, Tumore, Hämorrhoiden, Verbrennungen und Krampfadern, führten Bruchoperationen und Darmnähte durch, renkten Gelenke ein, versorgten Knochenbrüche und zogen Zähne. Außerdem nahmen Wundärzte Amputationen vor und stellten Prothesen her.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wundarzt
Die Abgrenzung zu den Badern war fließend. Wundärzte unterhielten auch Badstuben, Bader durften einige der Behandlungen der Chirurgen durchführen.
Bild: Abbildung eines "Pader und Chirurcus" auf einer Ehrung für den Schützenmeister von 1727, ausgestellt im Stadt- und Heimatmuseum Traismauer. In der Hand hält er eine Medizinflasche und einen Spatel.
Auszug aus dem Nachlassinventar des Wundarztes Josef Vornmündel aus Gösing
aus dem Jahre 1843. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Herrn Ludwig Leuthner aus Fels.
"Ein Seccier-Zeug, ein Verbandzeug, eine Geburtszange, ein Aderlaßzeug, eine Klystierspritze, eine Wundspritze, ein Halsstoper, ein Mändlicher glattierter Catheter, eine Wundspritze, ein Etui mit zwey Impfnadeln und Büchsen, ein Weiblicher glatierter Catheter, ein Froicar mit silbernem Köhre, ein Zinnernes Mutterrohr, ein Bengies, ein Pelican, ein Uiberwurf, 8 Stück verschiedene Zähnzangen, 2 Zähnschlüsel , 3 verschiedene Geisfüße, ein Bruchband ohne ? mehrere verschiedene Blechschienen und hölzerne Verbandstücke, der Apothegerkasten, eine Farra-Wage samt Kasten gewichte ist keines vorhanden, eine kleine meßingerne Wage samt zwey Mesingernen Löfel und Thestibel, eine Steinguterne Reibschale, eine gläserne Reibschalle samt Spalel Löfel, 3 Büchsen Chyrurgische, mehrere Medicin Flascherl, eine Schildtafel, eine Lupennadel"
Werkzeuge zur Zahnbehandlung und zum Zähne ziehen.
Fotos: Schwäbisches Handwerkermuseum, Augsburg
Chirurgen in den Pfarrmatriken
Neustift
In Neustift sind schon früh Bader bzw. Chirurgen genannt.
Leopold Paungartner
1669: Inventur nach dem Tod von Leopold Paungartner, Bader in Neustift. Er hinterließ die Witwe Sara und die minderjährigen Kinder Reichart und Paul.
Wilhelm Pfundheller
1771 wird er in den Pfarrmatriken beim Tod seines Sohnes vals Chirurg genannt.
1773, bei der Hochzeit von Michael Plabensteiner, ist der Chyrurgus Wilhelmus Pfundheller als Trauzeuge angeführt.
Dezember 1774: Justina, die Frau von Wilhelm Pfundheller stirbt mit 26 Jahren, einige Tage später stirbt der neugeborene Sohn Johann ebenfalls.
1775 heiratet Wilhelm Pfundheller aus Neustift 19, Witwer, die Maria Anna Maringer aus Engelmannsbrunn.
1783 stirbt Wilhelm Pfundheller mit nur 34 Jahren.
Joseph Anton Berlin
Joseph Anton Berlin (geb. um 1760) ist der Sohn des "Ziergartners" Franz Xaver und der Barbara aus Augsburg. Er war bei seiner Heirat 1785 "in Neustift in Diensten" - und zwar im Hause 19, also bei Wilhelm Pfundheller, der hier als Bader arbeitet. Nach dessen Tod im Jahr 1783 heiratet er 1785 dessen erst 27-jährige Witwe Maria Anna und führt das Geschäft weiter. Er starb 1799 mit 41 Jahren an der Lungensucht (Tuberkulose).
Maria Anna, seine Witwe, heiratet 1802 mit 44 Jahren den Bauern Leopold Wögrath aus Fels, 24 J., der zu ihr zog (lt. Eintrag im Franzisz. Kataster).
Anton Müllner
Bei der Geburt von Franz Engelmann 1807 tritt der Chyrurg Anton Müllner aus Neustift in Erscheinung. Er stirbt 1809 mit 44 Jahren in Neustift 57.
In der Theresianischen Rustikal-Fassion von 1751 wird als Nachtrag, wahrscheinlich aus dem Jahr 1845, auf dem Haus Nr. 19 in Neustift ein Chirurg erwähnt: "Dem auf diesem Hause No 19 ausgeübten chyrurgischen Gewerbe wurde von der Reg. die radicirte Eigenschaft nicht zugesprochen."
Franz Wagner
Der Sohn des Felser Chirurgen Ignaz heiratet die Witwe des Chirurgen Anton Müllner von Neustift 57.
1817: Barbara, Eheweib des Chirurgen Franz Wagner, stirbt mit 40 Jahren an Abzehrung.
Um 1818: Franz Wagner wird als Chirurg in Neustift 39 genannt. Er stirbt 1842 mit 61 Jahren in Neustift 65.
1860: Johanna Wagner geb. Beichbuchner von Aspern, Gattin des Arztes Franz Wagner, stirbt mit 67 Jahren am Zehrfieber.
Sebastian Wolrath
1857: Der verheiratete Wundarzt Sebastian Wohlrath stirbt mit 68 Jahren an Gedärmbrand in Neustift 12.
Bierbaum
Um 1800 gab es in Bierbaum den Chyrurgy Joseph Pauli.
Altenwörth
Nachtrag von Pfarrer Dedelbacher in der Altenwörther Pfarrchronik: Am 18. Sept. 1884 starb hier der Wundarzt Josef Luxevick?, jedenfalls der einzige seines Berufes, der jemals in Altenwörth eine mehrjährige Praxis ausübte.
Kirchberg
28.2.1684: Gabriel Funkh stirbt als Chirurg und Bürger in Kirchberg am Alter von nur 30 Jahren.
1757: Thobias Schraibinger wird im Oberstockstaller Grundbuch auf Kirchberg 9 genannt.
1775: Jakob Langer heiratet Katharina, die Tochter der Jospeh Hober, Chirurgy in Kirchberg.
1789: Josef Hober - er stirbt 1796 mit 76 Jahren in Kirchberg 27.
1808: Joseph Hober wird erwähnt, es dürfte ein Sohn des oberen gewesen sein.
1819: Der Chirurg Anton Huber stirbt mit 56 Jahren in Kirchberg 5 an Abzehrung.
Um 1822/25: August Wittwer ist Chirurg in Kirchberg 10, Gattin ist Eleonora geb. Hamberger.
1823: der Badergesell Peter Jung stirbt mit 53 Jahren in Kirchberg 25.
1828 wird Johann Georg Titz als Chyrurgio Doctor erwähnt. Da keine andere Ortsbezeichnung dabei steht, dürfte er aus Kirchberg gewesen sein.
Unterstockstall
Mathias Fuchs laut Trauungsschein der Pfarre Königsbrunn am Wagram vom 27.4.1802
Maria Knapp
Jänner 2012