Abdecker waren jene Personen, die mit der Beseitigung und Verwertung (abdecken = abhäuten) von Tierkadavern beschäftigt waren. Früher hatte die Tierhaltung eine wesentlich größere Bedeutung als heute, aber auch Tierseuchen gab es mehr. Der Wasenmeister wurde für ein bestimmtes Gebiet von der Herrschaft bestimmt. Totes Vieh durfte vom Besitzer nicht vergraben werden. Wer sich nicht daran hielt, musste bei Bekanntwerden dem Wasenmeister eine Abgeltung für seinen Verdienstentgang leisten.

Aufgrund ihrer Tätigkeit war dieser Berufsstand in der Bevölkerung wenig angesehen. Mit diesen „unreinen“ Leuten Kontakt zu haben war verpönt. Sie heirateten meist untereinander, bzw. wählten sie die Trauzeugen aus den eigenen Reihen. Zwei berüchtigte Räuber früherer Zeiten entstammten diesem Beruf, nämlich der Schinderhannes in Deutschland und Johann Georg Grasl im Waldviertel. Sie konnten sich der Justiz lange entziehen, da sie bei anderen Schindern Unterschlupf fanden.

Im Laufe der Zeit hat diese Ausgrenzung nachgelassen. Ich weiß von meinem Vater, der der Sohn eines Bauern war, dass er als Kind mit dem damaligen Abdecker, dem Herrn Passecker, mit dessen Pferdefuhrwerk bis nach Großriedenthal verendete Tiere holen gefahren ist. Auch hätte ich in meiner Jugend, da Herr Passecker noch immer die Tiere zum Abholen gelagert hat, keine Ressentiments der Dorfleute gegen ihn feststellen können.

Die wichtigsten Produkte der Teirverwertung waren Fette, Leim, Knochenmehl, Seife, Salmiak, Bleichmittel und Viehfutter. Das Fell wurde abgezogen und vom „Heidlmann“ mit dem Lastwagen abgeholt, wobei es hintennach stark stank. Das Fett der Tiere wurde ausgelassen. Das Hundefett etwa wurde vom Schinder als Schuhfett und gegen Lungenkrankheit verkauft. Das Fleisch der verendeten Schweine wurde geselcht und als „Landgeselchtes“ verkauft. Auch Hörner und Klauen wurden weiter verkauft.

Im "Handbuch für Orts-Richter" von Thomas Hofer aus dem Jahr 1840 liest man über den Wasenmeister folgendes: 
Aeser, umgestandenes oder umgefallenes Vieh von den Eigenthümern zu verscharren, ist verbothen. Dieses Geschäft, so wie die Abdeckung des Viehes, gebührt nur dem Wasenmeister.
Wasenmeister sollen ihre Bezirke öfters durchstreifen, und die herrenlosen Hunde vertilgen.
Wasenmeister dürften keine Schweine mästen, und kein Aasfleisch verkaufen.
Wasenmeister haben die Aeser nicht zu verbrennen, oder in die Flüße zu werfen, sondern dieselben in dem mit einer Planke zu umfangenden Platze zu verscharren. Die Gemeinden sind für die gehörige Verscharrung der Aeser verantwortlich; und die Ortsrichter haben um so mehr von Zeit zu Zeit auch die Schindanger zu besuchen, als bey einem solchen vorgefundenen Gebrechen sowohl der Wasenmeister, als auch der Ortsrichter, bestrafet werden wird.

Die Abdecker, die für die hiesige Gegend zuständig waren, hatten ihren Sitz seit mindestens 200 Jahren in Winkl.

Das Haus Nr. 44 in der Au, links der Kirche, war lange Zeit des Haus des Wasenmeisters oder Schinders, was auch die umgebenden Flächen mit den Namen Schinder-Alerl, Schinderhäufel und Schindermais beweisen.

Karte: Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Katastralmappenarchiv, Wien http://www.bev.gv.at/portal/page?_pageid=713,1604790&
_dad=portal&_schema=PORTAL
  

 

 

Wasenmeister in Winkl

1657: Martin Ruepp und Anna Stephlinger
(Archiv Vizedom 31)

Paul Perger wird 1684 mit Gattin Regina anlässlich der Geburt des Sohnes Joseph Abdöckher im Gräntizhaus genannt.

1688 starb Maria Elisabetha, die Tochter des Abdeckers Georgij Blank im Granitzhaus. 

1695: Andreas Freÿ Abdäckher am Gränizhauß zu Winckhl bekhent auf aingezogenen Bericht von indicien himit untigem dato in der Guette wie das er und seinem Dienstmenschen  Rosina die verwichene Pfingstfeÿertag Nachmittag in der vollen … in der negstbeÿ seinem Hauß ligenten Hauß an zwaÿ mahl einen Ehebruch begangen hat, destwegen Ihme für ihm und das Mensch /: so Er nach dem Er gewußt, daß Sÿe Verrathen somit  hinweckh geschickt :/  Straff dictirt worden vier und sechzig Gulden.
Actum den 27. Aug. 1695.
(AT-OeStA/FHKA AHK NÖHA W 86)

1753: Im Grundbuch der Herrschaft Grafenegg scheint Andreas Kern im Haus Nr. 45 als Wasenmeister auf.
Er heiratet 1754 als Witwer Anna Maria, die Tochter des Wasenmeisters von Eckartsau. 
(Österr. Herrschaftsakten 1537 – 1920, Herrschaft Grafenegg, Heiratsrapulare 1747-1756, Seite 331)

Joseph Lakenbauer, als Hundefänger, später als Wasenmeister bezeichnet, wird mit seiner Gattin Elisabeth 1772 bei der Geburt der Tochter Rosalia erstmalig erwähnt. Eine andere Rosalia Lakenbauer (um 1756 - 1783), wahrscheinlich aus einer Vorehe, heiratete den Abdecker Johann Georg Mahler, sie starb 1783 mit 27 Jahren. Der zweiten Ehe mit Magdalena Dallinger entsprangen fünf Kinder.
Nach dem Tod von Georg Mahler im Jahr 1799 heiratet Magdalena den Abdecker Jakob Heilig aus Leobendorf. Nach ihrem Tod im Jahr 1832 heiratet er die Witwe von Michael Mahler (Sohn von Georg), Anna Dallinger, eine Verwandte seiner ersten Frau Magdalena. Wie lange Jakob Heilig in Winkl tätig war, ist nicht bekannt, jedenfalls übernahm sein Halbbruder Ambros Heilig (1806 - 1885) um 1830 den Posten. Er war mit Anna Weingast, der Tochter des Wasenmeisters von Groß-Prottes, verheiratet, die Töchter Juliana und Anna wurden vor Dienstantritt geboren, die drei Söhne, die jung starben, schon in Winkl.

1793 wird auch Ignaz Millner als Abdecker in Winkl 42 genannt.

Die beiden Töchter heiraten jeweils einen Wasenmeister Karl Wimmer, die verwandt gewesen sein dürften. Annas Gatte stammte aus Sitzenberg, er übernahm die Wasenmeisterei in Winkl. Juliana zog zu ihrem Gatten nach Krems. Sie verstarb nach sieben Jahren Ehe und der Geburt von fünf Kindern im Jahr 1864.

Da Anton, Sohn des Wasenmeisters, herzleidend war, wurde der Betrieb in der „Österreichischen Land-Zeitung“ im Jahr 1908 zum Kauf angeboten: „Die Wasenmeisterei in Winkl, Bezirk Kirchberg am Wagram, mit 22 dazugehörenden Ortschaften, sehr guten Einkünften, ist samt fundus instructus[1] einschließlich zweier Pferde und Wägen (das Haus ist ziegelgedeckt, mit 6 Wohnräumen, Stadel, Schupfen und 5 Joch Aecker) krankheitshalber zu verkaufen oder zu verpachten. Auskunft bei Ant. Wimmer dortselbst.“

Um 1910 ist in den Schulmatriken der Wasenmeister Anton Spieß für einige Jahre vermerkt. 

1912: Anmeldung Josef Mitter, Winkl 44
Er hat dann in Langenlois einen Schmiedebetrieb aufgemacht und ist so in Konkurrenz zu vier anderen Schmieden getreten.
(Österreichische Land-Zeitung vom 6.12.1913)

Man dürfte sich aber dann für eine familieninterne Lösung entschieden haben, denn Anna, eine Tochter des Kremser Abdeckers Wimmer, übernahm mit ihrem Gatten, dem Winkler Inwohner und Schuster Johann Riedl, Winkl 39, die Wasenmeisterei. 

Das Schinderhaus in der Au, um 1900

Im Oktober 1914 wurde die Konzession zur Ausübung des Abdeckerhandwerkes erteilt. Im Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Tulln werden die zugewiesenen Orte wie folgt aufgelistet: Altenwörth, Bierbaum Dörfl, Engelmannsbrunn, Fels, Frauendorf, Kirchberg, Königsbrunn, Mallon, Neustift, Neudegg, Ottenthal, Großriedenthal, Ruppersthal, Ober-, Mitter- und Unterstockstall, Utzenlaa und Winkl. Kollersdorf, Sachsendorf und Gigging sind nicht gesondert erwähnt, da die drei Orte zur Gemeinde Altenwörth gehörten. Die nächsten Wasenmeister befanden sich in Stetteldorf und Kamp.

Maria (1891 - 1972), eine Tochter von Johann Riedl, heiratete 1913 den Heger Johann Passecker aus Kollersdorf, 1933 erfolgte die Anmeldung am Haus Nr. 49. 1938 übersiedelte er den Betrieb auf Parzelle 171 nahe der Fuchsbergerau, Beendigung 1958.

Familie Riedl: Hinten li Johann Riedl, vorne 4. V. li Anna Riedl
Foto: Monika Jöchl, Winkl

Maria (geb. 1891), die Tochter der Familie Riedl,  heiratete 1915 den Heger Johann Passecker (geb. 1888 in Kollersdorf), dieser war noch eine Zeit lang Heger, übernahm aber dann die Wasenmeisterei von seinem Schwiegervater.

Die Familie hatte in verschiedenen Inleuthäusern ihren Wohnsitz: In Kollersdorf, im Granitzhaus, im Jägerhaus, im Inleuthaus Nr. 32 der Familie Engelmann und schließlich lange Zeit im Haus der Frau Oswald (Deimel-Haus, Nr. 15, siehe Foto unten).

Die Familie hatte die drei Kinder Johann (gefallen), Josef und eine Tochter, die jung an der Fraisen starb.

Herr Passecker, links,
Fotos: Monika Jöchl

 
Das ehemalige Schinderhaus in der Au in der Mitte des vorigen Jahrhunderts

Auszüge aus den Sitzungsprotokollen der Gemeinde Winkl über die Anlage einer neuen Aasgrube:

21.1.1937
Bei der heutigen Gemeindetagssitzung wurde einstimmig beschlossen, Herrn Johann Paßecker zum Bau einer Aasgrube und Brücke den nötigen Bauplatz auf der Haide bei der Au in Pacht zu geben bis auf weiteres mit folgender Bedingung:
Herr Joh. Paßecker erhält diesen Teil gegen einen jährlichen Pachtbetrag von 20,-- S, ferner muss der Betreffende zu Gunsten der Gemeinde auf den Pauschal verzichten.

7.3.1937
Herr Johann Paßecker stellt an die Gemeinde Winkl das Ansuchen um Grundumtausch zum Errichten einer Aashütte und eines Aasplatzes. Daraufhin wurde folgendes beschlossen.

  1. Herr Paßecker gibt der Katastergemeinde Winkl einen Grund, Parz. Nr. 215/14 auf den Hutweiden im Ausmaß von 420 Klafter. Letztere gibt dem Paßecker im gleichen Ausmaß ein Teilstück auf Parzelle 171 gegen der Fuchsbergerau.
  2. Wird Herr Paßecker beauftragt, den beabsichtigten Platz einer behördlichen Kommission unterziehen zu lassen.
  3. Wird erst die Bewilligung der Landeshauptmannschaft eingeholt.
  4. Wird Herr Paßecker verpflichtet, auf den Pauschal für die Gemeinde zu Gunsten zu verzichten auf immerwährend.
  5. Sämtliche Kosten, welche hierbei auflaufen, hat Herr Paßecker zu tragen.

Zu dem Gebäude bei der Fuchsbergerau, in dem die Schinderei beheimatet war,  führte ein Weg zwischen den Häusern. In dem Haus gab es einen großen Kessel, in dem das Fleisch gekocht wurde. Es gab keine Angestellten, es arbeitete nur die Familie mit. Für die Abfälle, die zur Geruchsverminderung mit Kalk bestreut wurden, wurden große Gräber ausgeschachtet.

Herr Passecker fuhr mit einem Pferd in Begleitung seiner Frau oft aus, um von Auswärts verendete Tiere zu holen. Sie hatten einen Wagen mit niedrigen Seitenwänden, damit sie die Tiere leichter aufladen konnten.

Von den einzelnen Gemeinde hob der Abdecker jährlich einen Pauschalbetrag ein, für den Abtransport der toten Tiere musste der Besitzer zahlen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In den letzten Jahren seiner Tätigkeit übernahm Herr Passecker nur mehr die verendeten Tiere in seinem Wohnhaus, dem Haus Nr. 15 und lagerte sie rechts hinter dem Eingangstor, von wo sie mit einem Lastwagen alle paar Tage abgeholt wurden. Diese Wägen kamen aus Gänserndorf, wo damals eine Anlage zur Verwertung tierischen Abfalls bestand.




 



Das Haus Winkl 15 um die Mitte des 20. Jahrhunderts

Foto: Monika Jöchl 


Mittlerweile werden verendete Tiere mit Lastwägen der Tierkadaververwertung in Tulln kostenpflichtig abgeholt. 

Die Wasenmeisterei wurde über 240 Jahre lang, angefangen von Joseph Lakenbauer,  in der Familie weitergegeben.

Quellen:
Pfarrmatriken Kirchberg am Wagram
AT-OeStA/FHKA AHK NÖHA W 86
Sitzungsprotokolle der Gemeinde Winkl
Schulmatriken Winkl
Archiv Vizedom, NÖ Landesarchiv
 
Einträge in den Amtsblättern von 1886 bis 1967, erfasst von Herbert Eder, Kollersdorf 


Jänner 2021, letzte Änderung Februar 2024
Maria Knapp