Strombau anno 1843
Ausschnitt aus einem Artikel der Wiener Zeitung vom 12.2.1843, S. 323 f., veröffentlicht in ANNO.
Die Donau, - unter dieser Benennung wird hier nur die zur hiesigen Provinz gehörige Strecke dieses Stromes gedacht – war bis zum Jahre 1815 beynahe gänzlich sich selbst überlassen. Nur um Wien fand eine Ausnahme Statt, in so ferne daselbst die Bedürfnisse eines gesicherten Stromüberganges, die Zufuhr der allgemeinsten Consummtions-Artikeln, so wie die Beschützung werthvollen Eigenthums gegen Abbruch, Ueberschwemmungen und Eisgang schon durch eine lange Reihe von Jahren verschiedenartige, jedoch nie nach einem System geordnete Bauwerke bewerkstelligen machten.
Sollte diese Angabe von irgend Jemand verneint werden – denn was wird nicht oft behauptet und abgesprochen – so möge die Nachweisung des Bestandes der aus jener früheren Epoche herstammenden Bauwerke gefordert werden. Die wird wenn treu, so kümmerlich seyn.
Noch leben Tausende der Strombewohner, wovon viele diese Zeilen lesen werden, die einen richtigen Vergleich der damahligen Stromzustände mit den gewordenen anstellen können. Es möge irgend Einer aus ihnen das Gesagte und hier folgende wenn von der Wahrheit abweichend, solches berichtigen.
Jener frühere Zustand hatte der Mahnung das Bürgerrecht verschafft, die Donau sey eine unverbesserliche Wasserstraße. Damit gab man sich zufrieden und besprach Verbesserungen als der Ideenwelt angehörige Wünsche. Es war dabey nicht nur die Schiffahrt benachteiligt, sondern auch die Existenz einer verhältnißmäßig großen Zahl von, mitunter großen Ortschaften nicht nur bedroht, sondern auch zum Thiel wirklich bereits in der Vernichtung begriffen, und die nächsten und einzigen Communicationen vieler an den Ufern des Stromes oberhalb Stein und Mautern befindlichen Ortschaften, waren beynahe unwegsam, höchst prekär und bey höheren Wasserständen lebensgefährlich, wenn überhaupt betretbar. Das was insbesondere zur Abstellung der letztgedachten Gebrechen geschehen war, schien gleichsam nur dazu gemacht um von Jahr zu Jahr den Beweis der Unhaltbarkeit wiederholt vor die Augen zu führen.
Der Schiffzug war ungemein erschwert; es mußten in vielen Strecken die schweren hohenauer Schiffzugpferde, im eigentlichen Sinne des Wortes wie die Katzen von Felsen auf Felsen klettern, wo sie nicht selten verunglückten. In anderen Strecken treffen sie mit den befahrendsten Straßen zusammen, wo selbst die Reisenden durch die Wildheit dieser Thiere den augenscheinlichsten Gefahren bloßgestellt waren.
Ueberall wo die Strömungen gegen aufgeschüttete Ufer ihre Richtungen wandten, waren diese, durch nichts beschützt, in Abbruch versetzt, wodurch fortwährend der Stromgewalt übermäßige Massen von Geschiebe, so wie viele bewurzelte Baumstöcke, und wohl auch ganze Bäume überliefert wurden.
Endlich geschah es, daß in dem flachen Stromthale der Thalweg allerorts in beständigen schnell vorwärts schreitenden Veränderungen begriffen war, die Wasserstraße durch hoch aufgeschüttete Furthen verseichtet wurde, und die gegen vielerley Seitenarme gerichteten Strömungs-Ausastungen die Schiffe und Flöße dahin abzogen, wo sie stranden mußten. Zum Ueberflusse waren die forzgeschwemmten Baumstöcke und Stämme in dem Fahrwasser abgelagert wo sie, Klippen bildend die Fahrzeuge mit Verunglückung bedrohten.
An eine Herrichtung von streckenweise gelegenen, Sicherheit gewährenden Landungsplätzen war nicht gedacht, indem die einzige wirksame Vorsorge auf den Betrieb einer sehr thätig gewesenen Anstalt zur Beseitigung der, im Strom erlegenen Stöcke und Bäume sich beschränkte.
Wie ist dieses aber so ganz anders geworden.
Es wurden gegen die Gefahren des Einbruches geschützt:
Nieder Wallsee, Hagsdorf, Groß Pöchlarn, Bergern, Schönbühel, Rührsdorf, die Gärten von Dürenstein, Hundsheim, Rothenhof, Weinzierl, Hohlenburg, Altenwörth, Zwentendorf, Klein Schönbüchel, Langen Schönbüchel, Kronau, Tulln, Ober- und Unter-Aigen, Muckendorf, Zeiselmauer, Altenberg, Tuttendörfel, Tuttenhof und Schönau. Es wurden mehrere Städte und Ortschaften die so hart an dem Uferrand gestanden hatten, daß deren Mauern aus dem Strom emporstiegen, mit befahrbaren Ufern versehen, wie dieses z.B. zu Ybbs, Stadt – Groß Pöchlarn zum Theil auch in Melk der Fall ist. Durch, zum Theil in große Stromtiefen neu erbaute Ziehpfade (Hufschläge auch Treppelwege genannt) wurden die Schiffszugspferde von der Straße zwischen Wien und Klosterneuburg, dann der Straße von Stein nach Dürrenstein, so wie auch von der Poststraße außerhalb Melk entfernt.
Es wurden entlang der Ufer oberhalb Stein und Mautern Ziehpfade derartig angelegt, daß mittelst ihrer, die daselbst befindlichen Ortschaften in einem Landfrachtverkehr versetzt sind. Außerdem wurden in Meilen langen Strecken die aufgeschütteten Ufer durch Steinwürfe und gepflasterte Talude dem ferneren Abbruche entzogen, und so dem Strome bereits in vielen Strecken ein Halt gegeben, die Fahrstraße vertieft, die Seitenarme dem Verlandungs-Prozesse zugeführt, dem Erliegenblieben vom Baumstöcken, durch die Vorsorge gegen ihr Einbrechen, so wirksame Schranken gesetzt, daß die Stockräumungs-Anstalt beynahe überflüssig wird, Sicherheit gewährende Landungsplätze an vielen und geeigneten Puncten herrichtete. Es wurde ein eigenes, nur für die Pflege der Bauten und Handhabung stromplozeylicher Maßregeln bestimmtes Personal entlang des Stromes aufgestellt, und noch so manch anderes hier zur Vermeidung der Ermüdung des Lesers nicht umständlicher Besprochene bewerkstelligt.
Alles dieses wurde geleistet – und sonderbar, davon spricht Niemand; aber die Klagen über eine schlechte Strombeschaffenheit sind laut vernehmbar. In der That, wer das hier Geleistete vorurtheilsfrey betrachtet, und es in Vergleich mit dem bringet, was an irgend einem anderen Strome der Welt geschehen ist, kann ohne Scheu behaupten, daß nirgendwo ein Mehreres, wahrscheinlich aber nicht so Vieles und Entsprechendes vollbracht wurde.
Wäre die Donau nicht in Oesterreich, so würden auf das Geschehene eine zahllose Menge von Schriften hingewiesen haben, und man würde sie mit Recht als den Ort bezeichnen, wo angehende Ingenieurs den Strombau zum wahren Nutzen praktisch studieren könnten.
Statt dessen wird wohl der größte Theil der diese Zeilen Lesenden, davon zum ersten Mahle etwas vernehmen, was ihnen um so befremdender sey dürfte, als nicht vor langer Zeit, in eben dieser Zeitschrift eine Mittheilung gemacht wurde, welche nicht geeignet wäre den inländischen Hydroteckten die Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, auf welche sie Anspruch machen können.
Natürlich ist die Frage: Hat das Geleistete Millionen verschlungen. – Sind es Riesenwerke welche diesen Strom bändigen.
Wer da zuweilen Zeuge von der Kräftigkeit der hierländigen Donau ist, den würde es nicht befremden können, wenn die an ihren Ufern aufgeführten Bauwerke von großen Quadern zusammengesetzt worden wären.
Das geschah aber nicht. Mit voller Beruhigung für die Erzielbarkeit der Bauzwecke und mit offenbarer Oekonomie waren, und werden nunmehr nach den gegebenen Beyspielen die der Gewalt des Stromes bloßgestellten Stützmauern aus unbehauenen in Moosbettungen, statt der Mörtel- oder Kitt-Verbindungen, versetzten Bruchsteinen hergestellt.
Kann dieser Umstand den Werth dieser Leistungen oder die Achtung vor der Befähigung der Anordnenden verkümmern?
Das Vollbringen solcher Leistungen erfordert Thatkraft, denn das Gute will errungen seyn, und dem wahrhaft Besseres Schaffenden tritt unvermeidlich schon die Unbehaglichkeit des Anderswerden, aber auch nicht selten noch anderes entgegen, was auf der Bahn des vernünftigen Vorschreitens, gleich den Schlaglöchern vernachlässigter Fahrwege zu treffen ist.
Glücklich wenn man diese Hindernisse sehen kann; aber oft sind sie verborgen, so daß ihr Daseyn erst durch Stöße, die sie verursachen, entnehmbar wird. Dessen kann sich der Oesterreicher erfreuen, solche Thatkraft und die Sorge und er Kummer seiner eigenen Söhne hat das oben besprochene, in seiner Art gewiß wichtige und verdienstliche nicht nach fremden Mustern, sondern vielleicht mehr zum Muster für Fremde geschaffen.
Darauf hinweisen zu können, ist lohnend und – Manches widerlegend.
August 2016
Maria Knapp