Reicht schon die Schifffahrt auf der Donau weit in die Vergangenheit zurück, gilt dies für das Übersetzen ans jenseitige Ufer umso mehr. Wenn es auch über prähistorische Überfuhren keine Nachweise gibt, kann man dies aus der Lage von Siedlungen und Wegen vermuten, wobei man aber nicht weiß, ob die Überfuhr (Urfahr) durch die Siedlungen bedingt war oder umgekehrt.[1]
Die Überfuhren waren ursprünglich im Besitz des Landesfürsten, der die Rechte nach Gunst und Verdienst vergab. So gelangten manche Adelsgeschlechter in den Besitz des Urfahrrechtes, das diese an Fergen (Überführer) weitergaben. Nur dieser durfte gegen Lohn überführen.[2]
Um mit einer Zille über die Donau zu kommen, war es notwendig, entlang des Ufers, im sogenannten Totwasser, eine bestimmte Strecke stromaufwärts zu rudern oder zu treideln (ziehen), damit das Boot während des Übersetzens nicht zu weit abgetrieben wurde. Für eine punktgenaue Landung am anderen Ufer mussten Strömung, Wind und Ladung berücksichtigt werden.[3]
 
  
Überfuhrzille – Patronagehaus, 1913
Karten: Erich Trezmüller, Gigging
 
 
 
Die Tullner Überfuhr
Die aus dem Tullner und dem Trübenseer Urfahr bestehende Überfuhr fand 1277 erstmals Erwähnung, genauere Daten liegen aber erst aus dem 16. Jahrhundert vor. Aus einem Artikel über die abgekommene Stadt Trebense geht hervor, dass diese das halbe Urfahr, d.i. das Recht der Überfuhr von Trebense über die Donau nach Tulln besaß. Im Jahr 1412 verkaufte der Lehensträger Erhard der Mer mit Einwilligung des Lehensherrn Herzog Albrecht dieses mit allen Gewohnheiten um 100 Pfund Wiener Pfenige an die Stadt Tulln. 1550 kaufte diese noch das Stegrecht und die halbe Naufahrt zu Trebensee. Seitdem übte die Stadt Tulln beide Lehensrechte aus, bis diese im Jahr 1784 aufgehoben wurden.[4]
Tulln stand lange Zeit das alleinige Urfahrrecht im weiten Umkreis zu, das aber ständig unterlaufen wurde. Immer auch mußte die Stadt gegen die von Bewohnern der Ufergemeinden betriebenen ‚Winkelurfahren‘ (illegale Überfuhren) einschreiten. 1746 befahl sogar der Hofkommissär Graf Gaisruck der Stadt, dagegen bei der nö. Regierung Klage zu erheben. 1786 bedrohte das Kreisamt St. Pölten die Dominien zu Ponsee, Zwentendorf und Lebarn mit einer Strafe von je 24 Reichstalern, wenn sie weiterhin diese Einschränkungen der Tullner Rechte gestatten würden. Aber schon vorher hatte die Stadt das ‚kleine Ufer zu Ponsee‘ gegen eine Pachtzahlung in Bestand gegeben. 1839 bewilligte sie das Urfahr zu Zwentendorf-Altenwörth, das dann Georg Grüneis mit Plätten gegen eine Zahlung von 140 Gulden jährlich betrieb; Grüneis hatte sogar die Absicht, in Zwentendorf eine fliegende Brücke zu errichten. Den kürzeren aber zog die Stadt, als sie 1822 gegen die Errichtung der Überfuhr Traismauer-Grafenwörth, die die dortige Staatsherrschaft plante, Einspruch erhob. Diese Überfuhr wurde 1825 bewilligt und so die Monopolstellung Tullns im westlichen Tullner Felde gebrochen.[5]
 
 
           
Die Zwentendorfer Überfuhr
1860 kaufte die Herrschaft Zwentendorf unter Graf Michael Althann das dortige Urfahr von Tulln und verpachtete es. Der Preis für die Überfuhr betrug zu dieser Zeit für eine Einzelperson sieben, mit einem beladenen Schubkarren zehn Kreuzer. Für einen beladenen, zweispännigen Wagen samt Passagieren war ein Gulden zehn Kreuzer zu entrichten. Wenn man die jährlichen Einnahmen aus dem Überfuhrgeschäft aus dem Jahr 1858 von fast 1400 Gulden heranzieht, kann man sich ausrechnen, dass die Überfuhr stark frequentiert war.[6]
Die Überfuhrzille hatte ihren Standplatz unterhalb des Schlosses Zwentendorf. Wenn man den Weg von Winkl durch die Au ans Donauufer zurückgelegt hatte, kam auf Zuruf der Zillenführer herüber, um Personen oder Waren überzusetzen. Auch ein Lehrer an der Winkler Schule kam auf diese Weise an seinen Arbeitsplatz: Am 25.2.1947 übernahm Oberlehrer Franz Meister aus Langenschönbichl den Dienst an der hiesigen Schule. Der Dienstantritt hätte schon am 25.1.1947 erfolgen sollen, doch konnte der Gefertigte wegen des starken Eistreibens und des späteren Eisstoßes auf der Donau nicht in den Ort gelangen. Erst am heutigen Tage war es möglich, über den vereisten Strom und durch den kniehohen Schnee hierher zu kommen. … Da der Gefertigte nicht jeden Tag nach Hause fahren kann - die Entfernung beträgt 10 km und die Überfuhrkosten 4,- S - muß er sich im Orte verköstigen. Durch das Entgegenkommen der Ortsbewohner ist dies auf diese Weise möglich, daß er jeden Tag in einem anderen Hause eine Tagesverpflegung erhält. Vor dem nächsten Winter quittierte er allerdings wegen des mühsamen Weges seinen Dienst. [7]
Einer der letzten Fährleute war Franz Hacker, der diese Tätigkeit aber nur mehr nach Bedarf ausübte. Bei der ersten Überfuhr nach dem 2. Weltkrieg trat er am diesseitigen Donauufer auf eine Mine der deutschen Wehrmacht und verlor ein Bein.[8] Andreas Nowotny aus Neustift erinnert sich noch, dass sein Bruder, der in Zwentendorf gewohnt hatte, mitsamt seinem Rad auf der Zille übersetzte, um dann am Jagdhaus Eleonorenhain vorbei nach Neustift zu fahren. Einmal hat die Familie vom Donauufer sogar einen Herd abgeholt.
 
 
Altenwörther Überfuhr
Rupert Wanko sowie die Schwestern Katharina Trotzka und Theresia Weidemann waren die letzte Urfahrer in Altenwörth um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Zillen hatten sie unterhalb des Platzls stationiert, das sich etwa 400 m flussabwärts vom ehemaligen Gasthauses Einwögerer befindet.
 
Theresia Weidemann mit Passagieren, 1952
Foto: Franz Altmann, Grafenwörth
 
Ärmeren Altenwörthern und Kollersdorfern gestattete die Herrschaft Grafenegg bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts, in der Au südlich der Donau (im Großen Grund) Holz zu schlagen bzw. Heu zu machen, wofür sie wiederum tageweise Arbeiten in der Au verrichten mussten. Am Morgen setzte der Fährmann die Leute mitsamt ihrem Schubkarren über. Das geschnittene Holz oder das zusammengebundene Heu transportierten sie mühsam über den Steinschlag zum Wasser hinunter, wo sie abends zur vereinbarten Zeit wieder abgeholt wurden. Vor allem bei der Überfahrt mit dem Heu musste man aufpassen, nicht in das Fahrwasser eines Passagierschiffes zu kommen, da man mit der hohen Ladung leicht umkippen konnte. Das Heu und teilweise auch das Holz verkauften die Leute weiter und hatten dadurch, vor allem kurz nach dem Krieg, ein kleines Zubrot.[9]
Dass die Überfuhr mit einer beladenen Zille nicht einfach war, zeigt folgender Brief der Gemeinde an das Strombauamt Stein: Die Gemeinden Altenwörth und Kollersdorf wurden mit ihrem Brennholz von der Landesforstinspektion in das am jenseitigen Ufer der Donau gelegene Revier „Großer Grund“ eingewiesen. Das Holz muß mittels der wenigen vorhandenen Zillen herübergeschifft werden, was natürlich für Nichtfachleute eine gefährliche, fast unmögliche Aufgabe bedeutet, andererseits wird aber das Holz dringend benötigt. Die Gemeinden erlauben sich nun, durch mich die höfliche Anfrage und zugleich Bitte, ob es nicht möglich wäre, den hier wohnhaften Strombauarbeiter Wanko Rupert einige Wochen Urlaub zu gewähren, damit dieser den Holztransport durchführen könnte. Herr Wanko selbst hat sich hiezu bereit erklärt, falls er Urlaub bekommt.[10] 
 
Rupert Wanko mit Gattin, 1975
Foto: Waltraud Haderer, Altenwörth
 
Bestätigung des Flösser- und Schifferpatents für Rupert Wanko, 1948
Gemeindearchiv Altenwörth, Gemeinde Kirchberg am Wagram
 
 
Maria Ponseer Überfuhr
Um 1780 gab die Stadt Tulln die kleine Urfahr zu Maria Ponsee in Bestand, d.h. sie verpachtete die Rechte an ortsansässige Fischer.[11]
Als zu Ende des 2. Weltkrieges die Straßen- und Eisenbahnbrücken in Krems und Tulln zerstört waren, wurde diese Urfahr kurzzeitig wiederbelebt. So konnten die Menschen vom nördlichen Donauufer mit Fahrrädern die Bahnstation Sitzenberg-Reidling erreichen, um dann in Tulln oder St. Pölten ihre Behördenwege zu erledigen. Die Überfuhr wurde intern von der Forstverwaltung Grafenwörth noch im 20. Jahrhundert genützt. Die Überfuhrzille im Großen Grund gab es noch bis zum Bau des Donaukraftwerkes.[12]
 
 
Traismaurer - Grafenwörther Überfuhr
Das Banntaiding von St. Georgen aus dem 15. Jahrhundert sagt dazu folgendes: Niemand soll überfahren zwischen Zwentendorf und Hollenburg außer hier. Wer das nicht tut, den soll man auf ein ‚mittergries‘ (Sandbank) führen, soll ihm die Zille und ‚geschirr‘ (Geräte) wegnehmen und ihn selber fangen. Wer kommt und überfahren will, den soll man überfahren um einen Pfennig. Im Jahr 1825 schuf die Herrschaft Traismauer eine ständige Überfuhr nach Grafenwörth und stellte einen Fährmann ein.[13]
 
Siehe dazu auch hier.
 
 
 
Marquartsurfar
Eine historische Überfuhr bestand nordöstlich von Donaudorf. Der Ort wurde aber bereits 1336 Opfer eines Hochwassers.
 
 
 
Quellen:
[1] NEWEKLOWSKY, Schiffahrt und Flößerei, Bd. 1. Linz 1952,  S.377f.
[2] MEIßINGER, Die historische Donauschiffahrt, Melk 1975, S.73.
[3] Informationstafel im Schifffahrtsmuseum Spitz, 16.7.2017.
[4] Anton KERSCHBAUMER, Die verschollene „civitas“ Trebensee in Blätter d. Vereines f. LK von NÖ, XII. Jg., 1878, S.38ff, NÖ Landesbibliothek, St.Pölten.
[5] Otto BIACK, Geschichte der Stadt Tulln, Tulln 1982, S.295f, , NÖ Landesbibliothek, St.Pölten.
[6] Heimatbuch der Marktgemeinde Zwentendorf, 2010, S.62f, , NÖ Landesbibliothek, St.Pölten.
[7] Schulchronik Winkl, Oberlehrer Franz MEISTER, 1947.
[8] Heimatbuch der Marktgemeinde Zwentendorf, 2010, S.63, , NÖ Landesbibliothek, St.Pölten.
[9] Information von Angela BRUNNER, Altenwörth, 13.9.2017.
[10] Akten der Gemeinde Altenwörth, 17.11.1947.
[11] Heimatbuch der Marktgemeinde Zwentendorf, 2010, S.62, NÖ Landesbibliothek, St.Pölten.
[12] Informationen von Ernestine SCHWARZ, Maria Ponsee, 13.5.2016.
[13] Fritz KLEIN, Das alte Traismauer, 1983, S.343, NÖ Landesbibliothek, St.Pölten.
 
 
Oktober 2021
Maria Knapp