Dieser Beitrag erschien im Jahr 2003 in dem Buch "Hochwasser 2002, eine Text- und Bildchronik".

 

Einleitung

Bis zum August 2003 hatten meine Familie (mein Gatte Günter, meine Kinder Erika und Richard) und ich ein eher beschauliches Leben in dem kleinen Ort Winkl im Bezirk Tulln geführt. Wir gingen unserer Arbeit nach (ich als Heimhilfe mein Gatte als Fliesenleger/Maurer), die Kinder besuchten die Schule (Krankenschwesternschule und HTL). Im Fernsehen sahen wir ständig Berichte über Katastrophen auf der ganzen Welt: Unwetter, Überschwemmungen, Orkane, Erdbeben, Erdrutsche, Dürrekatastrophen und Kriege – und waren froh, in keiner so unwirtlichen Gegend leben zu müssen. Bisher hatten wir noch keine wetterbedingten Beeinträchtigungen erlebt. Mir fällt da höchstens ein starker Sturm ein, der im Dorf einige Dächer - so auch unseres - beschädigt hatte. Das Wasser stand, so lange ich mich erinnern kann, zwei Mal im Graben vor unserem Haus. Aber wir hatten in den 23 Jahren, die unser Haus steht, nie auch nur einen Tropfen Grundwasser im Keller. Daher traf es uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als plötzlich eine Naturkatastrophe auch uns betraf.

 

9.-10.8.2002: Das Wasser kommt

Im Fernsehen hatten wir es schon einige Tag beobachtet: Den Kamp kam ein enormes Hochwasser herunter – wir bedauerten die Leute, fühlten uns aber nicht selbst betroffen. Dann - am Donnerstag - war das Wasser in Grafenwörth, wo meine Schwiegereltern wohnen. Unser Sohn – erst ein halbes Jahr bei der Feuerwehr – fuhr abends mit seiner Truppe nach Jettsdorf um zu helfen. Ich fuhr wie immer zur Arbeit. Bei einer Kundin sprach ich noch mit einer Kollegin über den Einsatz ihres Mannes, der Hauptmann einer Ortsfeuerwehr ist. Als ich gegen Mittag nach Hause kam, wartete mein Mann, der an diesem Tag gerade frei hatte, schon auf mich. Hier seine ersten Eindrücke vom Wasser:

„ Gleich als meine Frau fort war, brach auch ich auf. Als ich durch Kollersdorf fuhr, kam mir ein Bagger mit Sand entgegen. Ich dachte mir, da würde wohl jemand etwas bauen. Dann sah ich zufällig nach links in eine Gasse. Da stand schon das Wasser! Ich überlegte kurz, was ich machen sollte: Kurzerhand rief ich meine Arbeitsstelle an und nahm mir einen Tag Urlaub. Wieder zu Hause, fuhr ich mit dem Fahrrad die Gegend ab, um zu sehen, wie weit das Wasser schon in unsere Richtung floss.“

Den ganzen Nachmittag über waren wir mit dem Auto unterwegs, um „Wasser zu schauen“ – nicht etwa aus Neugier, sondern aus Besorgnis, ob es auch zu uns kommen würde. Als ich den riesigen See zwischen Grafenwörth und Seebarn gesehen hatte war mir klar, dass wir vom Wasser nicht verschont bleiben würden. Bereits im Auto überlegte ich laut, was alles aus dem Keller zu schaffen sei. Mein Mann war schon etwas ungeduldig und hielt mir vor, ich sei ja hysterisch – die Widerlegung dieser Aussage einige Stunden später brachte mir allerdings nur geringe Befriedigung….

Nicht lange, nachdem das Wasser aus Richtung Gigging ins Dorf geflossen war, war der Graben vor unserem Haus angefüllt und das Wasser rann nun bereits langsam auf die Straße. Nun mussten wir uns mit dem Ausräumen des Kellers beeilen. Mein Mann und Erikas Freund, Jürgen, transportierten Waschmaschine, Trockner und zwei Kühltruhen mit der Sackkarre in den Wintergarten. Erika und ich trugen alles was wir fanden über die Treppe hinauf und stellten es irgendwo hin. Vor allem war ich bemüht, alle Elektrogeräte und alle Glasgegenstände hinaufzuräumen, denn ich dachte mir: „Wenn das Glas zu Boden fällt und zerbricht, verletzen wir uns beim Aufräumen an den Scherben.“

Kaum hatten wir die wichtigsten Gegenstände nach oben geschafft, rann das Wasser auch schon über die Straße – unserem Keller zu .Bereits vorher hatten wir eine Lage Sandsäcke aufgelegt, die die Feuerwehr vorbeigebracht hatte, dahinter stellten wir 2 Pfosten für einen besseren Halt. Doch das Wasser stieg schnell an. Gott sei Dank fuhren ständig Traktoren und Feuerwehrfahrzeuge durch, die immer neue Sandsäcke brachten. In der Höhe konnten wir das Wasser damit halten, doch sickerte ein kleiner Teil davon durch und rannte Richtung Garage, vor der der Abwasserschacht bereits voll war. Mit unserer Tauchpumpe versuchten wir, das Wasser wegzupumpen. Da es bereits finster wurde, wollten wir einen Scheinwerfer montieren, als ein Feuerwehrmann vorbeikam und uns erklärte: „Den braucht ihr gar nicht montieren, denn in fünf Minuten schalten wir den Strom ab.“ Doch dann kamen wie auf Kommando Männer der Feuerwehr Königsbrunn und brachten sowohl eine ordentliche Pumpe als auch ein Notstromaggregat. Jetzt konnten wir das abfließende Wasser leicht wegpumpen. Mein Mann, ich und unsere Tochter saßen nun in der Finsternis, bedienten die Pumpe, die bei zu geringem Wasserstand ausgeschaltet werden musste und sahen zu, wie das Wasser stieg. Wir bestimmten immer einen markanten Punkt, um zu sehen, ob das Wasser stieg. Doch wenn es auch langsam ging, unsere Kontrollpunkte gingen immer unter. Mit der Taschenlampe holten wir uns aus dem Haus Getränke, Essen und warme Kleidung, denn beim Sitzen und Warten wurde uns bald kalt. Die vorbeifahrenden Fahrzeuge wurden immer weniger, da das Wasser mittlerweile zu hoch wurde. Die Stunden krochen langsam dahin – das war die längste Nacht meines Lebens. Irgendwann schickten wir Erika schlafen, da wir ohnehin nichts machen konnten.

Gegen morgen wollte ich einige Stunden schlafen. Ich hatte schon die vorhergehende Nacht nicht gut geschlafen, da Richard seinen ersten Feuerwehreinsatz gehabt hatte. Durch den Schlafmangel und die Aufregung war ich total überdreht und konnte nicht schlafen. Mir war eiskalt und ich lag zitternd im Bett. Da das auch nichts brachte, ging ich in der Morgendämmerung wieder hinaus. Dann erlebte ich etwas, was ich noch nie erlebt hatte - einen Nervenzusammenbruch: Als ich meinen Mann anschaute, fing ich zu weinen an und zitterte am ganzen Körper und war nicht zu beruhigen. Er wir natürlich ratlos und ich versuchte ihm klarzumachen, dass nichts Ernstliches passiert war. Bei meiner Mutter nebenan trank ich dann heißen Tee, dann ging es mir wieder besser.

Als es hell wurde, sah alles eine Spur besser aus: Die Sandsäcke hatten gehalten. Irgend jemand klärte uns auf, dass man an das Notstromaggregat alle möglichen Elektrogeräte anstecken könne. Wir luden gleich unsere Handys auf, die unsere Verbindung nach draußen waren, da das Telefon nicht funktionierte. Die Kühltruhe stecken wir auch an und sogar die unserer Nachbarin.

Der Samstag stellte uns auf eine harte Geduldsprobe, denn das Wasser wich kaum zurück. Da die Flut nur einen Teil des Ortes betroffen hatte, wollten wohl die anderen Einwohner auch sehen, wie das so sei und ließen sich mit Traktoren und Zillen - mit Fotoapparaten bewaffnet – herumfahren.

Im Laufe des Vormittags kam etwas Neues zum Wasser von draußen dazu: Der Keller füllte sich mit Grundwasser! Es kam aus den Fliesenfugen heraus, spritzte in kleinen Bögen aus der Wand und kam – ich glaubte, mich trifft der Schlag – neben dem Garagentor aus der Stromleitung heraus. In Panik rief ich meinen Mann, doch der fand das weiter nicht so tragisch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


10.-11.8.2002: 
Die zweite Nacht – eine leichte Entspannung

Wir wollten das Wasser, das durch die Sandsäcke hereinkam und das Grundwasser nach draußen befördern, damit es im Keller nicht zu hoch anstieg. Da ich jetzt endlich versuchen wollte, zu schlafen, übernahmen Erika und Jürgen die erste Nachtschicht - bis Mitternacht war vereinbart. Doch plötzlich hörte ich Stimmen und Erika kam aufgeregt in unser Schlafzimmer: Einige Männer von der Feuerwehr Mallon seien da und hätten gesagt, Erika und Jürgen sollten schleunigst schlafen gehen, sie würden die Nacht über Wache halten. Auf diese Neuigkeit hin schlief ich dann halbwegs gut. Die Feuerwehrleute hatten gesehen, dass da zwei junge Leute wie die armen Sünder vor der Garage sitzen und hatten sie von ihrer Arbeit erlöst.

Zwei der Feuerwehrleute hatten bis zum Morgen gewacht und das Wasser hinausbefördert, einer hatte es sich im Schlauchboot bequem gemacht, einer auf der Werkbank, sogar eine Runde mit dem Boot sind sie gefahren. Beim Frühstück mit ihnen erfuhren wir dann, dass man für die Nacht eine Wache anfordern hätte können – doch das hatte uns niemand gesagt. Die beiden Malloner sagten uns zu, uns für die nächste Nacht ebenfalls Wachen zu bestellen. Und so kamen zwei Feuerwehrleute aus Baumgarten zu uns.

Unser Kommentar zu dieser ersten Flut: „Wir wollten schon immer an einem See wohnen, aber so nahe auch wieder nicht!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

12.8.: Das Wasser geht zurück – und kommt schon wieder!

Im Laufe des Sonntags ging das Wasser rapide zurück, es sah so aus, als wäre das Ärgste überstanden. Am Montagmorgen rief ich meine Chefin an um ihr mitzuteilen, dass ich am Dienstag schon wieder arbeiten könne. Auch mein Mann hatte dasselbe vor.

Wir versuchten, Ordnung in das Chaos zu bringen, das wir mit den Gegenständen aus dem Keller im Erdgeschoß angerichtet hatten. Ich war gerade dabei, im Wohnzimmer zu bügeln (was ich sonst im Keller erledige), als wir im Fernsehen hörten, dass eine zweite Flutwelle vom Kamp käme und dass auch die Donau Hochwasser führte. Uns war sofort klar, dass das für uns nichts Gutes zu bedeuten hatte. Ich überlegte kurz, ob ich das Bügeln gleich aufgeben solle, sagte mir dann aber, dass das Leben wohl auch nach dem Hochwasser weitergehen werde und bügelte fertig.

Erika saß auf der Bank beim Kachelofen und schrieb eine Liste: Wir überlegten, was wir alles bräuchten, wenn wir für einige Tage auf den Dachboden ziehen würden. Wir richteten Wasser und andere Getränke bei der Bodenstiege im Erdgeschoß, trugen Lebensmittel hinauf, einen Kübel für die Notdurft richteten wir auch. Doch dann kam im Fernsehen die Meldung, dass Grafenwörth bereits zwangsevakuiert würde – also gaben wir unser Vorhaben wieder auf und fingen stattdessen an, alles für den Auszug vorzubereiten: Von ca. 14 Uhr an bis 22 Uhr rannten wir (mein Mann, Erika und ich – Richard war bei der Feuerwehr) bis zur totalen Erschöpfung und räumten alles aus den Kästen, was niedriger als einen Meter hoch aufbewahrt war. Einen Teil beförderten wir auf die Kästen obenauf (Gott sei dank war das Wasser bei uns nicht so hoch, dass die Kästen umfielen). Alles was nicht mehr Platz hatte, trugen wir auf den Dachboden. Auch den Fernseher schleppten wir mühsam hinauf – was im Endeffekt aber gar nicht nötig gewesen wäre. Dazwischen räumten wir Taschen mit den wichtigsten Sachen zum Mitnehmen ein. Mein Mann war zeitweise weg – ich dachte weiter nicht darüber nach wo. Erst später sagte er mir dann, dass er diverses abmontiert hatte: Die Pumpe vom Swimmingpool und die Elektronik der Solaranlage und andere Elektrogeräte – an solche Sachen hätte ich als Frau wirklich nicht gedacht. Plötzlich kam er wieder und rief hektisch. „Beim Wölfl raman scho des Gwand auf’n Dochbodn!“ Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Er breitete Plastikfolie auf und wir nahmen alle Kleidung aus den Kästen und warfen in Eile alles auf einen Haufen, ohne Rücksicht auf Verluste. Um die Sitzgruppe im Wohnzimmer, die wir erst im Februar gekauft hatten, war es uns besonders leid. Also stellten wir die Zweierbank auf ein gemauertes Kastl, den Fauteuil auf den Tisch und die Dreierbank auf zwei Holzböcke.

Am Abend war es dann so weit: Ein Feuerwehrwagen mit Lautsprecher fuhr durchs Dorf: „Man solle alles Notwendige packen und sich für die Evakuierung bereithalten.

 

13.8.: Die Evakuierung

Da noch keine Durchsage gekommen war, standen wir nach den Strapazen des letzten Tages erst gegen 7 Uhr auf. Wir saßen gerade beim Frühstück, als die Durchsage kam: „Bitte alle die Häuser verlassen und bei der Kapelle zum Abtransport in die Wagramhalle sammeln!“ Wir hatten aber bereits mit meiner Schwester vereinbart, dass wir im Falle des Falles zu ihnen kommen könnten (meine Schwester wohnt in Niederschleinz bei Limberg, ca. 30 km von uns entfernt). Da wir nicht in die Wagramhalle gebracht werden wollten, schnappten wir unsere Habe, brachten sie ins Auto und fuhren ab, nicht einmal das Kaffeegeschirr räumten wir mehr weg.

So schnell zu flüchten war, nachträglich gesehen, wohl der größte Fehler, den wir während des Hochwassers begangen hatten und ich ärgere mich heute noch darüber, dass wir uns wie Schafe aus unserem Haus haben treiben lassen. Wenn wir noch einige Stunden geblieben wären, hätten wir sicherlich noch einiges an Gegenständen retten können, die wir später mühsam reinigen oder ganz wegwerfen mussten.

Wir fuhren also Richtung Niederschleinz: Meine Mutter mit den Schwiegereltern meiner Schwester, die schon unterwegs gewesen waren, sie abzuholen, mein Mann mit einem Auto, ich mit dem zweiten. Richard war bei der Feuerwehr geblieben, Erika setzten wir in Kirchberg bei der Wagramhalle ab, da sie Rettungsdienst machen wollte. Kurze Zeit später rief Erika an, wir sollten sie holen, denn sie sei sehr müde (sie hatte ja auch die ganzen Tage wenig geschlafen) und es seien ohnehin genug Helfer da. Als wir Erika holten, fuhren wir gleich das Stück nach Winkl hinein und nahmen auch Richard mit!

 

14.8.: Der Damm

Als wir auf dem Grundstück neben meinem Elternhaus bauten, hatten wir eigentlich wenig über die Gefahr einen Hochwassers nachgedacht, da wir beide ja noch keines erlebt hatten. Einzig mein Vater wollte, dass wir den Keller höher herausbauen sollten, was wir allerdings nicht taten. Oft hat er dann gesagt, dass ihm das Haus um einen Ziegelstein zu weit unten sei - das hätte aber auch nichts genützt, da wir das Wasser 40 cm im Erdgeschoß hatten. Zwei Mal in unserer zwanzigjährigen Ehe stand das Wasser im Graben gegenüber unserem Haus, doch wir hatte nie auch nur das geringste Grundwasser im Keller. Und jetzt, wo der Damm zu Donau so gut wie fertig war, fühlten wir uns sowieso ziemlich sicher vor einer solchen Katastrophe.

Ungläubig, wütend und voller Aggressionen stand wir Winkler dann am 14. August 2003 einige hundert Meter vor dem Dorf und mussten zusehen, wie das Wasser von der anderen Seite kam und alles Land bis zum Damm unter sich begrub – und keiner bereit war, den Damm zu öffnen, um das Wasser abfließen zu lassen. Mein subjektives Empfinden war: Erst als das Wasser über die Schnellstraße schoss und im Begriff war, alle Ortschaften unter uns zu überfluten kam Bewegung in die starren Verhandlungen. Und erst als ein Beitrag über das Nichtöffnen in der Sendung „Niederösterreich heute“ gebracht wurde, entschied man sich für die Sprengung, wie am Ende der Sendung bekannt gegeben wurde. Dass sich das ganze dann noch um 14 Stunden verzögerte, kann von mir nur mit fehlendem Willen, es früher zu machen, interpretiert werden.

Wie konnte jemand glauben, dass man die riesigen Wassermassen, die das Kamptal herunterkamen, gerade in Winkl aufhalten könne. Überall rann es ohne Hindernis durch – man sprengte sogar einige Dämme, einige brachen von alleine. Nur bei uns sollte die Flut angehalten werden. War die Absicht, das Wasser nicht so schnell in die Städte unter uns dringen zu lassen?

Da sitzen in diversen Ämtern im Bezirk, Land und Bund jede Menge Beamter, die bei jeder Gelegenheit klug daherreden und die hohe Gehälter beziehen, doch wenn es darauf ankommt, wenn sie in einer Ausnahmesituation wie dieser Entscheidungen treffen müssen, verschanzen sie sich hinter ihren Paragraphen und Dienstwegen (die man nur ja nicht umgehen darf!!), um ja nicht einmal selbst Verantwortung übernehmen zu müssen. Dass sie damit unnötig jede Menge seelisches und materielles Leid über uns gebracht haben, lässt sie wohl kalt. Wo doch einer im Zeitungsinterview gesagt hat, er würde wieder so handeln. – Aber was zählen schon ein paar kleine Ortschaften?!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


16.8.: 
Wieder zu Hause

So hatten wir unser Haus noch nie betreten: Mit einer Zille brachte man uns bis zum Garagentor (Oberkante). Wir stiegen über den Zaun und kamen so durchs 50 cm hohe Wasser zur Eingangstür. Wir stellten fest, dass das Wasser 40 cm im Erdgeschoß gestanden hatte, das heißt, unser Haus war 2,90 m unter Wasser gewesen! Herr Berthiller hatte uns alle gewarnt: „Passt auf, wenn ihr euer Haus betretet – es kann sein, dass ihr einen Schock erleidet. Teilweise sind durch die Kraft das Auftriebes Möbel umgefallen und alles liegt wüst durcheinander.“ Mein Mann und ich gingen also hinein. Es war irgendwie gespenstisch still, aber alles stand an seinem Platz, nur der Boden war mit einer ganz dünnen braunen Schlammschicht bedeckt. Von Schock überhaupt keine Spur – den hätten wir aber bekommen, wenn wir gewusst hätten, was in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten – genau bis Weihnachten – auf uns alles zukam….

Die braune Schlammschicht war noch ein wenig feucht und ließ sich gut wegwischen – zumindest einmal fürs erste. Als schwererer Fall erwiesen sie sich in den Fliesenfugen. Die musste ich mit einer Reisbürste schrubben, da halfen kein Dampfreiniger und keine Stielbürste. Stellenweise war ich damit bis zum Frühjahr beschäftigt.

Den ersten  Tag verbrachten mein Mann und ich damit, die Böden und die unteren Fächer aller Kästen vom gröbsten Schmutz zu befreien – mit kaltem Wasser, denn das einzige, was im Haus wirklich funktionierte, waren das WC und das Kaltwasser. Wir entfernten den Parkettboden im Schlafzimmer und rissen die Teppichböden in den Kinderzimmern heraus. Diese waren so schwer vom Wasser, dass wir sie zu zweit kaum aus dem Haus schleppen konnten.

Am Abend wurden wir mit Zillen aus dem Dorf gebracht. Mit den betroffenen Bewohnern von Gigging und Altenwörth kamen wir in der Wagramhalle zusammen, wo man uns für die nächsten Tage jede Menge Ratschläge und Wissenswerte mitteilte. Hatte der Informationsaustausch für uns Betroffene während des Hochwassers nicht funktioniert, war er ab jetzt, wo das Gemeindeamt die Organisation übernahm, einwandfrei.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 



 

 

Die ersten Nächte

Da wir ja alle Matratzen bis auf Richards (die hatten wirin der Hektik vergessen) vor dem Verlassen des Hauses auf den Dachboden gebracht hatten und in allen Schlafzimmern das Chaos wütete, beschlossen wir, auf dem Dachboden zu schlafen. Richard hatte den ganzen ersten Tag mit der Zille Leute ins Dorf gerudert (gut, dass er vor einigen Wochen den Zillenkurs der Feuerwehr erfolgreich abgeschlossen hatte) und war am Abend als er nach Hause kam, hundemüde. Aber das machte nichts, denn wir mussten sowieso mit den Hühnern schlafen gehen, da ja kein Strom und somit auch kein Licht da war.

Im Dorf waren fast keine Menschen, überall war es finster. Unser Garagentor war offen, so wie wir es vor der Evakuierung verlassen hatten, damit es vom Wasser nicht eingedrückt wird. Man hatte auch schon von Plünderungen in einem Nachbarort gehört (es wird in solchen Fällen immer mehr geredet, als dann wahr ist). Alles das trug nicht gerade dazu bei, einen ruhigen Schlaf zu finden. Mein Mann hat einmal ein Buschmesser für den Kachelofen selbst geschmiedet. Dieses nahm er nun als Waffe auf den Dachboden mit. Ich wurde wiederholt wach. Auf einmal hörte ich ein Geräusch, als ob etwas gefallen wäre. Sofort weckte ich meine Männer auf. Die horchten nicht lange, sondern schlichen mit Taschenlampen und Messer bewaffnet ins Erdgeschoß. Da aber nichts zu sehen war, nahmen wir dann an, dass wohl im total mit Wasser gefüllten Keller ein Möbelstück mit einer Wand kollidiert war.

Da es Mitte August warm war, war das Schlafen ganz komfortabel. Das einzige Problem war: Wir lagen neben dem gekippten Fenster und von dort drang beißender Ölgeruch zu uns herauf und am Morgen hatten wir raue Rachen und das Atmen brannte in der Nase. So zogen wir nach drei Nächten wieder in unsere Zimmer hinunter.

 

Ein absolutes Tief

Vom Wasser am schlimmsten betroffen war das Schlafzimmer. Diesen Raum richteten wir nach dem Hausbau als letztes vor dem Einzug ein und er fiel eher billiger aus, da wir mit dem Geld auskommen wollten – und das rächte sich nun.

Gleich am ersten Tag nach unserer Rückkehr rissen wir den Parkettboden heraus, da er sich aufgestellt hatte und die Türe kaum zu öffnen war. Dazu mussten wir den Kasten, der ohnehin schon fast leer war, wegschieben – da brach er gleich in der Mitte auseinander. Beim Bett brachen auch gleich die Vorderbeine ab. Da sich mein Mann überall zu helfen weiß, stellen wir behelfsweise Ziegel unter. Nach den ersten paar Tagen auf dem Dachboden schliefen wir dann wieder im Bett. Die Matratzen stellten wir tagsüber auf oder transportierten sie vor die Eingangstüre, damit sie nicht zu schimmeln anfangen, da der Estrich und die die Mauern total durchnässt waren.

So schliefen wir einige Wochen lang ganz gut. Doch eines Tages machte es gegen Morgen einen ordentlichen Kracher und wir lagen mit dem Kopf gut 20 cm tiefer: Ein Querbrett, auf dem die Lattenroste gelegen hatten, war gebrochen. Gott sei Dank ist mein Mann ruhig geblieben, so habe ich mich auch wieder beruhigt, denn ich war schon drauf und dran, die Nerven zu verlieren. Obwohl es vergleichsweise nur einen Kleinigkeit war, war das für mich einer der absoluten Tiefpunkte dieser Katastrophe. Ich fragte mich: „Wann geht es endlich wieder bergauf, bis jetzt wird alles nur immer schlimmer und schlimmer?“

Und es war wirklich so: Von dem Moment an, als wir das Haus betraten, wurde das Ausmaß des Schadens (arbeitsmäßig und materiell) immer größer. Jeden Tag stellte sich ein neuer Schaden heraus: Die Möbel, die noch verblieben waren, fingen nach einigen Tagen zu schimmeln an, so dass wir sie auch hinauswerfen mussten, ebenso die Kücheneinrichtung und die Türen samt den Türstöcken. Die Telwolle unter dem Estrich sollte entfernt werden. Der Keller stank nach Öl. Rasenmäher, Kreissäge, Motorsäge etc. mussten repariert oder ersetzt werden. Der Swimmingpool, den wir erst zwei Monate vorher bekommen hatten, musste dringend repariert werden, damit durch den Erddruck die Wände nicht eingedrückt werden. Das zweite Tief das ich hatte, war, als ich in der Küche nur mehr einen Elektroherd stehen hatte (und der war geschenkt), das war kurz vor Weihnachten.

Doch von da an ging es bergauf: Innerhalb von dreieinhalb Wochen richteten wir fast alle Räume im Erdgeschoß ein, vier davon mit Selbstbaumöbeln. Vorher musste natürlich alles gestrichen und die Böden verlegt werden. Am Heiligen Abend waren wir dann fertig, am Christtag montierte mein Mann noch einige Kleinigkeiten – doch seit diesem Zeitpunkt konnten wir wieder halbwegs komfortabel wohnen. Dass die Mauern noch immer 100 % Feuchtigkeit hatten, ist wieder eine andere Geschichte….

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie auf einem versunkenen Schiff

Die ersten, die sich wieder in den überfluteten Keller wagten, waren Erika und Jürgen. Das Wasser ging ihnen bis zum Bauch. Sie schauten sich um, was in allen Räumen so los war und berichteten, dass alle Möbelstücke herumschwimmen würden.

Wir waren gleich zu Anfang aufgefordert worden, den Öllagerraum nicht auf eigene Faust zu öffnen, damit nicht noch mehr Schaden durch ausfließendes Öl entstünde. Bereits am 20.8. war das Wasser so weit zurückgegangen, dass es unter der Türe zum Öllagerraum war (ca. 1 m Höhe). Die Feuerwehr von Groß Weikersdorf pumpte das ausgeflossene Öl aus dem Raum und aus den Tanks. Einige Male pumpten wir in der Folge das Wasser so weit aus dem Keller, dass wir mit Hilfe von Bundesheer und Freunden Möbel und sonstiges aus dem Keller herausschaffen konnten.
Abgesehen von den Türen, die mein Mann nach der ersten Flutwelle auf Holzböcke gelegt hatte und die wir dann aber vergessen hatten, hatten wir noch etwas anderes nicht bedacht: Als unsere Kinder jünger waren, hatten wir viele Puzzles mit ihnen gebaut und diese im Keller aufgehängt. Jetzt schwammen einige tausend Puzzleteile herum, die ich im Laufe der Zeit mühsam einsammeln musste. Jetzt gibt es keine wie auch immer gearteten Bilder mehr im Keller ….

Als das Wasser dann nur mehr etwa 20 cm hoch war, begann ich, mit dem Hochdruckreiniger die Rohre und die Wände, die vom Schlamm eine gelb-braune Farbe angenommen hatten, zu reinigen. Die Stimmung im Keller war gespenstisch, überall trieben Gegenstände herum, durch das Abspritzen tropfte das Wasser von Decke und von den Rohren, durch das hereinfallende Sonnenlicht wirkten die Wassertropfen wie Nebel. Ich fühlte mich wie ein Taucher, der im Inneren eines versunkenen Schiffes auf Erkundungsgang ist. Nach jedem Arbeitsgang sah ich auch wie einer aus: ich war komplett durchnässt – ein Wunder, dass ich nicht krank wurde. Aber dazu hatte ich auch gar keine Zeit.... 

Das Problem mit dem Warmwasser

Als wir wieder nach Hause konnten und jeder Komfort verschwunden war, zählte nur eines: improvisieren, improvisieren und nochmals improvisieren. Ich kam mir zeitweise vor wie Robinson auf der Insel.

Da war zum Beispiel das Problem mit dem Warmwasser. Da wir ja die ersten Tage keinen Strom hatten, fehlte auch das Warmwasser. Aber wir wussten uns schnell zu helfen: Meine Mutter im Haus neben uns erhitzte zu dieser Zeit das Badewasser mit einem Badeofen. Halbwegs trockenes Holz fanden wir, nach längerem Suchen auch trockenes Papier zum Anzünden. So konnten wir bereits am Sonntag (18.8.) wieder warm duschen.

Strom gab es ebenfalls wieder am Sonntag. Da wir in der Küche einen 5 l-Warmwasserspeicher haben, der nicht beschädigt wurde, konnten wir dieses Wasser zum Waschen verwenden.

Erst am 31.8. war das Wasser im Keller so weit zurückgegangen, dass mein Mann die Solaranlage anschließen konnte – und zwar direkt ohne elektronische Steuerung. Aber leider war das Wetter zu diesem Zeitpunkt nicht passend, sodass wir erst am 5.9. wieder im eigenen Bad duschen konnten – aber da fühlten wir uns wie die Könige: Wieder war ein Schritt in Richtung Normalität geschafft!! 


Wäschewaschen im Freien

Bereits vor der ersten Flutwelle schafften wir die Waschmaschine aus dem Keller in den Wintergarten. Leider hatte ich vorher schon einige Tage nicht gewaschen, da es ja auch bei uns stark geregnet hatte. Was also mit der Schmutzwäsche, die wir ebenfalls aus dem Keller gerettet hatten, machen? Mein Mann schleppte die Maschine vor den Wintergarten und schloss sie an die Garten-Wasserleitung an, das Abwasser floss in den Garten. So konnte ich die angefallene Wäsche waschen. Als nun das nächste Hochwasser drohte, schleppten wir die Maschine wieder in den Wintergarten und stellten sie zusätzlich auf vier Stöße mit je zwei Ziegeln.

Wieder nach Hause zurückgekehrt mussten wir feststellen, dass das leider zu wenig gewesen war! Die Maschine war etwa 20 cm im Wasser gestanden – und gerade unten befindet sich der Motor. Wir schalteten die Maschine nicht ein, bis unser Elektriker ins Haus kam. Da die Maschine bis zu diesem Zeitpunkt schon über eine Woche trocknen hatte können, steckte er sie gleich an – und sie funktionierte auch sofort! Wieder schafften wir sie ins Freie. Durch die Aufräumungsarbeiten fiel jetzt jede Menge Schmutzwäsche an. Dort, wo das heiße Wasser aus der Maschine floss, bildete sich bereits eine kahle Stelle im Rasen. Also versuchte ich, das meiste Wasser mit Kübeln aufzufangen und zu entsorgen.

Bald wurde das Wetter schlechter. Ich hatte die Befürchtung, die Maschine, die das Wasser glücklicherweise so gut überstanden hatte, würde jetzt im feuchten Wetter und Nebel im Freien verrosten, also schafften wir sie wieder in den Wintergarten und verlängerten eben Zu- und Abfluss… Damit nicht alles zu einfach war, löste sich zweimal der Wasserschlauch und ich hatte im Wintergarten jedes Mal eine Überschwemmung, aber ich konnte doch meine Wäsche selbst waschen. – Und am meisten Freude hatte ich mit einem Gerät, das eigentlich ein Luxus ist – nämlich mit meinem Wäschetrockner. Den ganzen Herbst und Winter über trocknete ich damit die Wäsche, da es im Keller, wo ich sie normalerweise bei Schlechtwetter aufhänge, viel zu feucht war.

Als endlich Ende September der Keller trocken war, wurde die Waschmaschine sofort in den Keller verfrachtet. Vor Weihnachten befürchteten wir schon, wieder Grundwasser zu bekommen. Aber manchmal muss man auch Glück haben – wir bekamen keines mehr.


 

Bitte um Geduld

Früher war ich kein besonders geduldiger Mensch. Doch seit ich beim Hilfswerk als Heimhilfe ältere Menschen betreue, bin ich viel ruhiger geworden. Und Geduld konnte ich jetzt wirklich gebrauchen!

Angefangen hat es damit, dass wir 30 km vom Ort des Geschehens bei meiner Schwester im „Exil“ und somit von jeglicher Information abgeschnitten waren. Wir fuhren also sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag für einige Stunden herein um zu sehen, was los war. Am Donnerstag war das Wasser schon etwas zurückgegangen und mein Gatte konnte mit anderen Bewohnern im Ponton in den Ort hereinfahren. Ansonsten mussten wir abwarten, was weiter geschieht.

Als wir dann wieder zu Hause waren, funktionierte nichts. Es dauerte (zumindest nach meinem Empfinden) endlos lange, bis Strom, Warmwasser, Telefon, Elektrogeräte, etc. wieder funktionierten und bis das Wasser wieder aus dem Keller war. Wenn ich jetzt zurückdenke, scheint es mir, als habe alles unendlich lange gedauert, doch wenn ich in meinen Aufzeichnungen nachblättere, stimmt das gar nicht. Beispiele: Wir kamen am Freitag wieder ins Haus und am Sonntag war schon Strom da. Bereits eine Woche später war das Wasser so weit gesunken, dass der Öllagerraum ausgepumpt werden konnte. Bis wir wieder telefonieren konnten, das dauerte schon einen Monat – aber wir behalfen uns mit unseren Mobil-Telefonen.

Die größte Herausforderung in Sachen Geduld stellte wohl die Estrichtrocknung dar, die sieben Wochen in Anspruch nahm.

Dasselbe gilt für den Außenputz: Im Juni das Folgejahres hatten wir einen Sachverständigen von der Caritas bei uns, um feststellen zu lassen, ob wir schon einen Vollwärmeschutz anbringen lassen können. Das Ergebnis: Im trockenen Mauerteil beträgt die Feuchtigkeit 55 %, im durchnässten 100%! Erst noch ein Jahr später konnten wir dann auch die Mauer sanieren.

Manchmal in dieser Zeit hat mich schon der Mut verlassen, doch ich habe (meist) nicht mit dem Schicksal gehadert und das Wetter oder die Verantwortlichen verteufelt sondern ich habe mir vorgestellt, wie alles werden wird, wenn wir einmal mit dem Sanieren fertig sind – das hat mich dann wieder aufgerichtet.

 

Telwolle im Fußboden!

Bei der Schadensaufnahme wurde auch das Problem der Telwolle unter dem Estrich angesprochen. Der Sachverständige meinte, es gäbe nur die zwei Möglichkeiten, entweder den Estrich herauszureißen oder das ganze technisch zu trocknen, die Sache wurde aber nicht weiter verfolgt. Einige Tage später waren andere Sachverständige bei meiner Mutter. Ein ehemaliger Schulkollege von mir ersuchte uns eindringlich, die Telwolle zu entfernen, da diese nicht von alleine trocknen würde. Etwas verzweifelt beschlossen wir also, vorerst die Hälfte des Estrichs zu entfernen, da wir im Haus ja auch wohnen mussten. Dunkel erinnerte ich mich an die Möglichkeit des technischen Trocknens, die der Sachverständige erwähnt hatte und begann mit Nachforschungen, denn wir hatten alles Mögliche auf den Estrich gebaut: ein großes Regal im Wohnzimmer, zwei kleinere im Esszimmer; eine Zwischenwand und auch die Stiege auf den Dachboden lagen auf dem Estrich. Ich suchte im Telefonbuch nach Firmen, die Haustrockenlegungen anboten. Nach verschiedenen Angeboten und der Überprüfung der Seriosität durch einen Sachverständigen der Landesregierung entschlossen wir uns, dieses Verfahren anzuwenden. Am 7.10. begann dann die Prozedur, die sieben Wochen dauern sollte.

Was nun auf uns zukam, war die schwerste Zeit der ganzen Sanierungsarbeit. Durch Löcher im Estrich wurde mit Schlauchleitungen trockene, heiße Luft in den Boden geblasen, diese trat durch kleinere Löcher an den Wänden wieder aus. Dadurch erwärmten sich die Räume nach und nach auf bis zu 34 Grad, wobei die Luftfeuchtigkeit bis auf 35 % herunterging. Bis Mitte November mussten wir nicht heizen und gingen im Haus trotzdem mit kurzen Hosen und Leibchen.

Wir hatten insgesamt 21 Geräte im Haus: 2 Motoren, 3 Geräte zum Wärmeerzeugen, 11 Kondensationstrockner, 2 große und 3 kleine Ventilatoren. Man kann sich vorstellen, dass das eine Menge Lärm erzeugte. Am ersten Tag des Betriebes ging ich außen am Haus vorbei und dachte unwillkürlich: „Da fliegt ein Hubschrauber“. Doch als ich näher ans Fenster kam schoss es mir ein: Das ist unsere Trocknungsanlage! Die Geräte liefen Tag und Nacht durch. Nur zum gemeinsamen Essen oder wenn das Telefon läutete, stellten wir sie kurz ab. Wir schliefen zwar am Abend ein, doch wenn wir in der Nacht aufwachten, konnten wir kaum mehr einschlafen. Am besten hatte es da Erika, die die Woche über in Horn in der Krankenschwesternschule war. Richard lag in Erikas Zimmer, da in seinem Zimmer ein Motor und zwei weitere Geräte standen und dort wirklich nicht an Schlaf zu denken war. Ein weiteres Problem war, dass wir keine Türen hatten, die wir wenigstens bis auf einen Spalt zumachen hätten können.

Alle Räume waren mit Schläuchen verbunden und man musste ständig darübersteigen. Das Auskehren und Aufwischen war eine mühsame Arbeit – aber bei dem Chaos, das überall herrschte, kam es auf ein bisschen mehr oder weniger Dreck ja auch nicht mehr an.

Der Monteur, der die ganzen Geräte gebracht hatte, steckte alle Geräte einfach an, wo er eine Steckdose fand. Er war erst eine halbe Stunde weg, als auf einmal alles tot war: Die Leitungen waren total überlastet! So gut ich konnte, steckte ich die Geräte um und verwendete Verlängerungskabel zu den Steckdosen im Keller. Am Abend fand mein Mann noch weitere Möglichkeiten zum Umstecken, doch das war alles zu wenig. Am nächsten Tag fiel wieder alles aus. Ich rief unseren Elektriker zu Hilfe, der gleich kam und stärkere Sicherungen einbaute. Doch wenn am Abend ferngesehen wurde und gleichzeitig noch der Computer lief, konnte es jederzeit passieren, dass der Strom wieder weg war.

Als dann nach gründlichem Messen die Geräte (die zwei Wochen länger standen als geplant) abgebaut wurden, standen wir schon in den Startlöchern, um bis Weihnachten alles im Akkord fertig zu machen.

Wir hoffen jetzt natürlich, dass dieses Verfahren wirksam war und die Telwolle vollständig trocken ist. Das schlimmste, das passieren könnte wäre, dass wir den Estrich in einigen Jahren doch noch herausreißen müssten, wenn Feuchtstellen auftreten. (Nachtrag 2011: Bis heute sind keine Feuchtstellen im Estrich aufgetaucht.)  

  
 

Überall Öl!

Als wir das erste Mal an der Nordseite unseres Hauses vorbeigehen konnten sahen wir: Auch bei uns war das Öl aus den Tanks geflossen. Es zog eine Spur der Verwüstung durch den Garten, neben dem Gemüsebeet stand es noch immer in einer Pfütze. Eine Woche später pumpte dann die Feuerwehr aus Groß Weikersdorf die Tanks und den Lagerraum leer. Bisher war nur ein Tank umgefallen gewesen. Doch nun waren sie leer und das Grundwasser stieg wieder an, so fielen auch die anderen drei Tanks um und das ganze sah ziemlich verheerend aus. Nebenan die Ölheizung bot auch keinen beruhigenden Anblick. Gott sei Dank hatte unser Rauchfangkehrer den Brenner abmontiert und auf die Dachbodenstiege gelegt, so war der wenigstens heil. Lange Zeit konnten wir die Heizung nicht reparieren lassen, da zuviel Wasser im Keller war, obwohl der Ölofen selbst auf dem alten Holzofen steht. Über die Gemeinde konnte man Fachleute anfordern, die die Heizung kostenlos reparierten und sogar die Ersatzteile mitbrachten. Wir erwarteten, dass die elektronische Steuerung ebenfalls kaputt wäre, doch es war kaum zu glauben: Als der Elektriker den Strom anschloss, erschien sofort die Anzeige und sie funktioniert bis heute –2011. Für den ersten Winter ließen wir die Öltanks befüllen, doch im nächsten Jahr, nachdem das Grundwasser wieder gesunken war, ließen wir vor dem Haus einen Erdtank eingraben.

Der erste Sachverständige meinte, den Außenputz sollten wir mit „Bioversal“, einem Ölbindemittel behandeln, das würde sicher helfen, später war vom Putzabschlagen die Rede, bis mein Mann dann im Frühjahr darauf auch einen Teil der Ziegel aus der Mauer stemmen musste, damit alles Öl weg war.

 

      
 

Aus dem Leim gegangen

Unser Haus war vor dem Wasser großteils mit furnierten Möbeln eingerichtet gewesen.. Aus diesem Grunde war auch fast alles davon kaputt. Doch dieses Ausmaß konnte man anfangs noch gar nicht abschätzen. Daher putzten wir eifrig alles, was noch halbwegs in Ordnung war. Den Schlafzimmerkasten warfen wir weg, sobald wir alles darin Befindliche auf den Dachboden gebracht hatten. Nach und nach fingen alle Möbel zu schimmeln an – und nach und nach warfen wir sie also weg.

Was übrig blieb, waren der Esszimmertisch und die Sessel, die wir auf den Tisch gestellt hatten, die Wohnzimmergarnitur, die wir höhergestellt hatten, der Tisch, bei dem allerdings die Beine etwas lädiert sind, den ich aber trotzdem behalten habe, da mein Mann die Platte selbst mit einem schönen Mosaik verziert hat.

Die Unterkästen in der Küche warfen wir bald weg, da sie erstens ebenfalls Schimmel ansetzten und zweitens, damit die Mauer dahinter besser trocknen konnte. Als Ersatz stellten wir meinen Schreibtisch auf, um eine provisorische Arbeitsplatte zu haben. Statt der Sockerl verwendeten wir Ziegel, da diese aufgeweicht waren. So konnte ich bis Weihnachten mehr schlecht als recht kochen.

Positiv überrascht haben uns die diversen Selbstbaumöbel (P.Max). Diese Möbel haben weder zu schimmeln begonnen noch sind sie aufgequollen, nur das Dekor war leicht lädiert. Wir haben sie teils in den Keller und teils auf den Dachboden gestellt – allerdings ebenfalls mit selbst gemachten Sockeln, denn die waren überall kaputt.

Wieder gefundene Schätze

Beim Ausräumen des Kellers waren wir halbwegs gründlich vorgegangen – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als das Ausräumen des Erdgeschoßes anstand. So fiel uns auch nicht auf, dass der Weihnachtsschmuck noch auf einem Kasten im Keller in zwei Schachteln lag. Und zwar nicht der Schmuck, der auf den Christbaum kommt, sondern derjenige, der aus kleinen Figuren, Kerzen und sonstigem Krimskrams bestanden, den man im Advent im Haus aufstellt.

Als wir einige Tage nach dem Zurückgehen des Wassers den Garten wieder betreten konnten, fand ich vor dem betreffenden Kellerfenster einige Stücke eben dieses Weihnachtsschmuckes. Da fiel mir erst ein, dass wir ihn im Keller vergessen hatten. Darüber habe ich mich wirklich, trotz der anderen, viel größeren Schäden, sehr geärgert. Einen anderen Gegenstand wie einen Kasten kann ich wieder neu kaufen, aber diese (kitschigen?) Gegenstände, die ich über Jahre liebevoll gesammelt hatte, kann ich nicht so leicht wieder beschaffen. Aber der Schmuck ließ mich nicht los. Als ich etwa zwei Wochen später, im Garten ganz hinten, fast beim Zaun, etwa 60 m vom Haus entfernt, alle kaputten Sträucher und Kürbispflanzen wegräumte, fanden ich etliche dieser Gegenstände in den Sträuchern verfangen und im Zaun hängend. Und heuer im Frühjahr, als wir bei den Thujen jäteten, fand ich ein Plastiksackerl, in dem ich selbst gestrickte Sterne fand, die zum Aufhängen auf ein Weihnachtsgesteck gehören. Sie waren unversehrt, ich wusch sie und kann sie wieder verwenden.

 

Umstellung

Bei uns im Haus war vor der Flut alles intakt: Es gab weder quietschende Türen noch tropfende Wasserhähne, keine klemmenden Laden, keine verstopften Abflüsse oder sonstige Schäden im oder ums Haus – alles wurde immer gleich repariert. Alles war immer halbwegs aufgeräumt.

Nun musste ich mich umstellen: Überall war Schmutz, kaputte Gegenstände, alles stand herum, weil ganz einfach zu wenig Platz war. Am Dachboden war überhaupt Chaos: Wir hatten ja alle Kleidung aus den Kästen nur auf den Boden geworfen. Als ein wenig Zeit war (und wir absolut nichts mehr finden konnten) montierte mein Mann eine Holzlatte zwischen zwei Dachsporen und wir hängten dort alle Kleidung auf. Da bis zu dem Zeitpunkt, als wir die neuen Kästen bekamen, drei Jahreszeiten vergingen (Sommer, Herbst und Winter), musste ich drei mal einen Teil der Kleidung hinunterbringen und nicht mehr benötigtes auf den Dachboden tragen. Jedes Familienmitglied hatte einen Kasten oder ein Regal, wo es ein paar Kleidungssachen verstauen konnte, einen Teil hatten wir im Vorzimmerkasten deponiert.

  

 

 

 

 

 

 

 


Chaos und Vernichtung auch im Garten

Der Garten hatte natürlich auch einiges abbekommen: Da das Heizöl durch die Lüftungsklappe gedrückt worden war und mit der Strömung den ganzen Garten durchquerte, waren etliche Pflanzen in Flussrichtung richtig mit einem Ölfilm überzogen. Doch auch alle anderen Gewächse, die nicht mit dem Öl in Berührung gekommen waren, hatten einen braunen Schlammfilm auf dem Laub, der mit Abspritzen nicht wegzubekommen war sondern nur durch Abreiben. Dieser Film sah nicht nur hässlich aus, die Pflanzen starben ab, wenn man ihn nicht entfernte, da sie nicht atmen konnten. Familie Inführ aus Kirchberg war uns da am Sonntag eine große Hilfe, gemeinsam putzten wir unter anderem die Übertöpfe und schnitten die Topfpflanzen zurück, die noch zu retten waren.

Der Gemüsegarten sah traurig aus: Das einzige, was ich noch ernten konnte, waren zwei Speisekürbisse, alles andere war ein Opfer der Fluten geworden. Auch im meinem kleinen Gewächshaus hatte das Wasser gewütet – über den Winter verwendeten wir es als Zwischenlager für Kleinwerkzeug, Nägel und Schrauben, die wir nach dem Wasser aus dem Keller geholt hatten und für die noch klein Platz unten war.

Der Swimmingpool hatte überlebt - wenn auch schwer beschädigt. Mühevoll putzten Erika und ich die Plane, damit sie von der Herstellerfirma nach der Reparatur wieder eingehängt werden könnte – doch nach dem ersten Regen stand wieder eine Ölpfütze am Plastik. Die Monteure erklärten uns, dass sich das Öl in den Kunststoff gesaugt hätte und wir keine Freude mit dem Pool haben würden, wenn wir sie wieder nähmen, also mussten wir sie wohl auch ersetzen.

Am Ende unsere Gartens steht ein Zaun, der alles aufgehalten hatte, was davonschwimmen hätte wollen: ein hölzerner Hasenstall meiner Mutter, die zum Trocknen aufgehängte Zwiebeln, Bretter und – was besonders lästig war – das dürre Gras, das ich zum Mulchen verwendet hatte und das wir mühsam aus dem Maschendraht klauben mussten.

Gleich am zweiten Tag unserer Rückkunft retteten wir ein Huhn von sieben, das meiner Mutter gehört hatte und fütterten es mit durchfeuchtetem Futter, da sonst ja nichts da war. Die anderen fanden wir im Laufe der nächsten Tage ertrunken im Garten – Hühner gehören zu den wenigen Tierrassen, die nicht schwimmen können. Das eine hatte sich auf unseren Holzstoß gerettet, der Gott sei Dank nicht davongeschwommen war.

Da es ja schon fast Herbst war, konnte man die Schäden an den Pflanzen oft nicht mehr beurteilen, das war erst im nächsten Jahr möglich. Im Staudenbeet war fast alles kaputt, auch die Thujenhecke war sehr stark mitgenommen – beide waren dem Öl direkt ausgesetzt gewesen. Auch sonst gab es einige Ausfälle - Marillenbaum, Birke, Buchs, Ahorn, einige Oleander. Doch alles was nicht eingegangen ist, ist heuer umso besser gewachsen und unsere Bäume waren voll mit Obst!

 
 

Essen und Trinken

Bei der ersten Aufforderung, das Haus zu verlassen, haben wir ja gleich alles liegen- und stehen gelassen. Daher haben wir auch nicht daran gedacht, die Lebensmittel aus dem Kühlschrank mitzunehmen. Als wir nach drei Tagen den Kühlschrank aufmachten, roch alles irgendwie sonderbar, da der Strom ja abgeschaltet gewesen war. Wir warfen das meiste fort. Die wichtigsten Lebensmittel hatten wir eingekauft und mitgebracht – nicht all zu viel, da wir in der Zille nicht so viel mitnehmen konnten.

Die Kühltruhe, die bis obenhin mit Gemüse und Fleisch voll gewesen war, hatten wir nicht aufgemacht bis wieder Strom da war. Aber der Zeitraum von Dienstag bis Sonntag war doch zu lang gewesen, zumal ich alles in der älteren von zwei Geräten gelagert hatte, die nicht so gut isoliert war. Wir leerten also alle Kunststoffbecher und Sackerl aus und sammelten alle bereits halb aufgetauten Lebensmittel in Kübeln. Gegen Abend konnten wir dann die traurigen Reste in eine Baggerschaufel kippen – auch zwei ertrunkene Hühner meiner Mutter waren dabei. Der materielle Wert war weniger hoch als der ideelle, da ich das ganze Gemüse mit viel Liebe im eigenen Garten geerntet und dann eingefroren hatte.

Ab Samstagmittag gab es außerhalb des Ortes ein warmes Essen für alle Einwohner und Helfer, das von Damen aus Neustift, dem Roten Kreuz und dem Bundesheer gekocht wurde. Anfangs mussten wir noch zusehen, wie wir überhaupt dorthin gelangen sollten. Wir gingen hinten beim Garten hinaus, durch ein anderes Haus durch, um die tiefste Wasserstelle bei der Kapelle zu umgehen. Manchmal nahm uns auch ein Traktor mit. Das Wasser ging rasch zurück und bereits ab Dienstag erhielten wir mittags und abends ein warmes Essen hinter der Schule. Das ging etliche Tage so, wie lange kann ich nicht mehr genau sagen. Aber es war eine deutliche Erleichterung unserer Situation. Ich brauchte die Arbeit nicht zu unterbrechen um zu kochen. Es war auch eine Wohltat, aus den eigenen vier Wänden herauszukommen und zu sehen, dass es den anderen auch nicht besser erging. Die ersten Tage hatten wir ohnehin keinen Strom, dann funktionierte der Strom in der Küche nicht, weil eine Leitung vom Keller mit angeschlossen war, der ja noch unter Wasser stand (das muss man erst einmal herausfinden!) und als das wieder funktionierte, stellte sich heraus, dass der Ofen ohnehin kaputt war.

Gleich in den ersten Tagen, als das Wasser noch auf der Straße stand, erhielten wir schon Lebensmittelspenden von verschiedenen Firmen: Brot, Milch, Konserven und ähnliches. Wir waren sehr verwundert, dass jemand daran dachte, doch in der Folge sahen war, dass das nicht alles war, denn wir erhielten nach und nach diverse Sachspenden wie Kosmetikartikel, Putzmittel, Tuchenten, Bettzeug, sogar Trachtenkleidung. In der Schule gab es gebrauchte Kleidung, die sehr gut erhalten war und wo viele Leute fündig wurden. In einigen Häusern war das Wasser ja so hoch gestanden, dass auch alle Kleidung nass war und erst außerhalb des Dorfes von Helferinnen gewaschen wurde. Dann gab es Lieferungen von Elektrogeräten: Herde, Waschmaschinen und Kleingeräte. Ich benötigte einen Herd, der mir bis Weihnachten gute Dienste leistete.

Anfangs gab es nur einfache Gerichte. Bei jedem Kochen musste ich zwischen Küche und Wohnzimmer, wo der Kühlschrank und die Lebensmittel standen, etliche Male hin- und herlaufen – es war alles sehr mühsam. Darum machte das Kochen gar keinen Spaß. Gerade vor Weihnachten wurde die Küche ganz ausgeräumt und ich konnte nicht einmal Weihnachtskekse backen, doch von einer Arbeitskollegin erhielt ich welche, ebenso von meiner Schwester.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 


Berg- und Talfahrt

Im Leben geht es von der Geburt bis zum Tod nicht immer nur bergauf (so wie wir es uns oft wünschen würden), sondern das Leben verläuft wellenförmig. Einmal gelingt einem alles und man glaubt, man sei auf dem seelischen oder materiellen Gipfelpunkt angelangt, doch kurze Zeit später geht etwas daneben und man ist wieder ganz unten.

Und bei diesem Hochwasser waren wir alle ganz unten, das wird niemand ernstlich bezweifeln wollen. Doch gerade in Zeiten, in denen es einem nicht gut geht, in denen man Krisen bewältigen muss, gewinnt man für seine Weiterentwicklung wesentlich mehr als in „guten“ Zeiten. Ich habe an mir selbst festgestellt, dass ich aus diversen Krisen immer gestärkt hervorgegangen bin und wichtige Erfahrungen gemacht habe.

Ich habe auf organisatorischem, technischem und handwerklichem Gebiet Leistungen vollbracht, die ich mir nie zugetraut hätte. Auch hätte ich mir nicht gedacht, dass ich eine derartige Krise, wo unsere materielle Existenz auf dem Spiel stand, so gut meistern würde und auch noch die anderen Familienmitglieder mental mitziehen konnte.

Es gab bei dieser Katastrophe viele Leute, die ständig mit dem Schicksal gehadert haben und nur die Verschuldensfrage beantwortet haben wollten (und noch immer wollen). Aber ganz egal, was ich von den Vorkommnissen um die Dammsprengung gehalten habe, habe ich mir von Anfang an gesagt:

„Das ist nun die Ausgangssituation, und aus der müssen wir das Beste machen!“ – und ich glaube, mit dieser Einstellung bin ich ganz gut gefahren.

 

Helfer

Gerade beim Ausräumen des Hauses gleich nach der Katastrophe gab es jede Menge Arbeit. Gut, dass sich einige Freunde und Verwandte selbstlos zur Mithilfe anboten.

Mein Schwager, der Mitglied bei der FF Niederschleinz ist, hatte seine Kameraden mobilisiert. Sie kamen gleich am Samstag mit 17 Mann privat mit einem Kipper, da sie keinen Einsatzbefehl hatten und daher nicht mit dem Feuerwehrauto fahren durften. Einer half meinem Mann, das Wohnzimmer putzen, einer reinigte das Haus außen mit dem Hochdruckreiniger, einige arbeiteten im Nebenhaus bei meiner Mutter, die anderen halfen im Dorf, wo sie gerade gebraucht wurden. Und sie brachten etwas mit, was uns später sehr hilfreich war: einen Nasssauger.

Gleich am Freitag nach dem Hochwasser, als wir uns in der Wagramhalle trafen, erbot sich Familie Inführ, uns am Sonntag zu helfen. Mit beiden Kindern kamen sie und halfen beim Reinigen und Putzen, sie fanden immer wieder Arbeit und wollten gar nicht aufhören. Am meisten habe ich die Kinder bewundert, die den ganzen Tag eifrig mitmachten – ich weiß nicht, ob ich das von den unseren auch verlangen hätte können.

Mein Cousin aus Wien hatte schon einige Tage versucht, uns zu erreichen. Erst über meine Schwester konnte Kontakt hergestellt werden. Er kündigte den Besuch seiner Familie für Montag an. Die Männer schafften den großen Einbaukasten aus Erikas Zimmer hinaus und wir Frauen waren wieder mit der gleichen Arbeit beschäftigt: mit dem Putzen. Die Frau meines Cousins war es auch, die den Vorschlag machte, das Esszimmer vorläuft in den Wintergarten zu verlegen – was wir dann lange praktizierten.

Einige Male hatten wir auch das Bundesheer zum Einsatz bei uns, um schwere Gegenstände zu bergen: Sie trugen alles aus dem Garten herein, was hinausgeschwemmt worden war und halfen, den Keller auszuräumen. Herr Maringer, der Gatte einer Arbeitskollegin transportierte zweimal alles Angefallene ab.

Eine ehemalige Schulkollegin, Ulli Groll aus Neudegg, rief mich an, ob ich Hilfe benötige und wollte unbedingt helfen. Ich fragte sie, ob sie nicht überschüssiges Gemüse hätte – und einige Tage später kam sie mit einem Kofferraum voller Gemüse, Weintrauben, einer Flasche Wein und einem Blumenstrauß – da habe ich mich wirklich gefreut!

Die Familie meiner Schwester war hauptsächlich damit beschäftigt, das Haus meiner Mutter wieder halbwegs wohnlich herzurichten. Manchmal legten sie auch bei uns Hand an. Doch uns war schon viel damit geholfen, dass wir nicht auch noch bei meiner Mutter alles richten mussten.

Nicht vergessen möchte ich bei den Helfern unseren Bürgermeister und die Angestellten der Gemeinde. Wir erhielten, sobald ab Montag wieder die Post kam, fast jeden Tag Informationen über bauliche Belange, Rabattaktionen von Geschäften, Stellen, wo man Beihilfen anfordern konnte und vieles mehr. Man konnte mit Fragen jederzeit zu den diversen Mitarbeitern kommen und es wurde immer sofort Hilfe für das jeweilige Problem angeboten.

  

 

 

 

 

 



 

 

 


 

Neid mal zwei

Überall wo es um Geld geht, gibt es auch Neid. So war es teilweise auch im Dorf. Manche Leute glaubten, sie hätten weniger bekommen als andere, wären bei bestimmten Stellen übergangen worden oder hätten zu wenigen Schaden angegeben. Von verschiedenen Leuten – unter anderem von meiner Mutter – wurden mir immer wieder diverse Geschichten zugetragen. Ich nahm sie zur Kenntnis und dachte mir meinen Teil über die betreffenden Familien und schaue im Übrigen, mich davon nicht anstecken zu lassen.

Die zweite Art von Neid kam von Außerhalb: Es gab wirklich Leute, die, nachdem sie von der Katastrophe nicht betroffen waren, uns um das Geld, das wir zum Wiederaufbau bekommen haben, neidig waren. Es stimmt schon, dass manche Leute ihr Haus schöner herrichten konnten, als es vorher war, aber ist es jemandem zu verdenken, der in der Wohnung Öl hatte, jetzt eine bessere Heizung zu mache?. Oder ist es falsch, wenn ich einen neuen Außenputz brauche, weil ich das Öl in der Wand hatte, bei diesem enormen Aufwand auch gleich das Haus besser isolieren zu lassen, zumal einem von den Sachverständigen des Landes dringend ans Herz gelegt wird, doch unbedingt die Förderung zur Althaussanierung in Anspruch zu nehmen. Wenn das Garagentor, das vielleicht schon 20 Jahre alt war, kaputt ist – soll man sich wieder ein billiges kaufen, oder gleich ein elektronisch betriebenes? Usw.

Ein kleines Beispiel: Unsere sieben Innentüren hatten vor zwanzig Jahren umgerechnet ca. € 4.000 gekostet. Als Schadensgutmachung gab es einen festen Richtsatz für diese furnierten Füllungstüren: € 580 pro Stück. Davon bekamen wir 50 % - insgesamt € 2000 . Gekostet haben die neuen Türen über € 7000 - und das waren aber keine übermäßig teuren. So viel zur Berechnung des Schadens.

Ich habe ungefähre Aufzeichnungen geführt, wie lange (nur die engsten Familienmitglieder) mit den Sanierungsarbeiten beschäftigt waren. Es waren bis in den Sommer danach 1440 Stunden. Umgerechnet müsste ein Arbeiter dafür 36 Wochen (à 5 Tage zu 8 Stunden) arbeiten. Doch da ist die Denkarbeit noch nicht dabei, wie alles organisiert werden soll, die Diskussionen in der Familie und die schlaflosen Nächte, weil man nicht weiß, wie man alles am besten erledigen soll.

Aber egal, wie viel Geld jede Familie bekommen hat – ob etwas mehr oder etwas weniger – mit Geld kann man das, was wir in den ersten Monaten nach der Katastrophe durchgemacht haben, ohnehin nicht abgelten!!

 

Die Feuerwehr

Da wir weit vom Schuss wohnten, kamen wir erst am Mittwoch gegen 14.00 Uhr wieder nach Winkl – wenn auch nicht ganz in den Ort. Bereits kurz nach der Unterführung war Endstation. Dort hatte sich ein Großteil der Ortsbewohner versammelt und sah dem Wasser zu, wie es immer mehr und mehr anstieg. Von weitem sah man, dass die Häuser schon weit unter Wasser standen. Unsere Feuerwehr und unser Ortsvorsteher, Herr Berthiller, hatten mit der Einsatzleitung lange Verhandlungen geführt, damit der Damm endlich gesprengt werden dürfe – diese Auseinandersetzung wurde angeblich sehr laut geführt, zeigte aber überhaupt keinen Erfolg. Daraufhin traten unsere Feuerwehrleute geschlossen zurück, ließen das Feuerwehrauto stehen, einige zogen sogar die Uniform aus und kamen mit der Unterhose zurück…

In der Zeit danach versuchten diverse Funktionäre und Gemeindepolitiker, die Wogen wieder zu glätten. Doch es gab zwei Lager: Die einen sagten: „Wir wollen mit diesem Verein, der uns in der Not nicht geholfen hat, nichts mehr zu tun haben!“ Die anderen sagten: „Trotz der Fehler, die gemacht wurden, ist es notwendig, eine eigene Feuerwehr im Dorf zu haben!“ (Ich zähle mich zu den zweiteren, unser Sohn ist Feuerwehrmann geblieben).

Aber das Auflösen der Feuerwehr war nicht einfach damit erledigt, dass alle zurückgetreten waren, das musste in Form einer Versammlung erledigt werden. Im Zuge der Streitigkeiten trat der Kommandant, Herr Heisler Wilhlem, zurück. Es gab diverse Zusammenkünfte, alles wurde wieder und wieder besprochen. Von höherer Stelle wurde bereits eine Hauptversammlung eingefordert. Als diese dann endlich im Frühjahr stattfand, war die Stimmung anfänglich sehr gereizt. Alle jene, die nicht mehr der Feuerwehr angehören wollten, taten ihre Meinung kund und verließen die Versammlung bevor die Wahl begann. Herr Thomas Riedl wurde zum neuen Kommandanten bestellt, er hat dieses Amt bis heute inne.

Die Entscheidung, die Feuerwehr nicht aufzulösen war richtig, denn bereits kurz nach der Generalversammlung gab es einen heftigen Gewitterregen, wie wir ihn noch nie gehabt hatten – und die Feuerwehr musste schon ausrücken um einige Keller auszupumpen. Wie hätten wir da von einer Nachbarortschaft Hilfe bekommen sollen, wo die doch dasselbe Problem hatten?

Die verbliebenen Kameraden, die mit neuem Elan ans Werk gehen und fest zusammenhalten, bemühen sich nun, mit der Obrigkeit wieder problemlos zusammenzuarbeiten. 

 

Verletzungen und Unfälle

Dass es unter diesen widrigen Umständen kleinere Unfälle und Verletzungen gab, versteht sich von selbst:

Den Anfang machte mein Mann: Als wir nach der ersten Hochwasserwelle das Grundwasser aus dem Keller schaufelten, zog er Gummistiefel an, aber keine Socken. Der Endeffekt war: Er hatte alle vier Knöchel offen und mit der Zeit begannen sie sogar zu eitern. Während wir bei meiner Schwester waren, versuchte ich mit Heilsalben mein bestes, aber die Zeit war zu kurz. Wieder zu Hause, überklebten wir die Wunden (nicht immer erfolgreich) mit wasserfestem Pflaster. Aber nur die Harten kommen durch – die Wunden heilten mit der Zeit ab.

Erika rutsche – ebenfalls beim Wasserschaufeln - aus und verletzte sich an der Schulter. Jürgen fuhr sie gleich ins Spital, wo man einen Einriss im Knochen feststellte. Sie musste eine Zeitlang die Hand mit einem Dreiecktuch ruhig stellen. Aber diese Behandlung war anscheinend nicht zielführend, da ihr noch heute bei größerer Anstrengung und bei Wetterwechsel die Schulter starke Schmerzen bereitet.

Richard fiel bei seinem Einsatz bei der Feuerwehr nahe der Kirche in einen Schacht. Durch das Wasser konnte man nicht sehen, dass auf dem Loch keine Abdeckung war und plötzlich stand er einen halben Meter tiefer. Außer dass er sich umziehen musste, ist Gott sei Dank nichts passiert.

Ich hielt das ganze Putzen und Reinigen klaglos durch, doch dann beim Streichen von Erdgeschoß und Keller wurde es meinem Ellbogen zu viel: Ich hatte schon vor einigen Jahren an einem Tennisarm laboriert und dieser meldete sich zurück.

 

Nachwort

Wir waren ziemlich genau ein Jahr nach dem Hochwasser so weit, dass wir wieder angenehm wohnen konnten. Der Garten war auch wieder instand gesetzt und wir sind wieder zur Alltagsroutine zurückgekehrt. Doch aus unseren Köpfen ist das Wasser noch lange nicht.

Früher habe ich das Wetter genommen wie es eben war. Aber jetzt sehe ich es mit anderen Augen: Das Wetter und die Natur müssen nicht immer so friedlich sein, wie wir es in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren, sie können uns auch durchaus feindlich gesinnt sein, egal ob es sich um hohes Grundwasser handelt, dass im Keller aufsteigt, um starke Regenfälle oder das Gegenteil – extreme Trockenheit..

Dabei können wir uns (damit meine ich nur meine Familie, wie andere das sehen will ich nicht beurteilen) noch glücklich schätzen, dass wir so glimpflich davongekommen sind! In anderen Gegenden hat das Hochwasser ja noch größere Schäden angerichtet. Da sind ganze Häuser oder Teile davon weggerissen worden, das Wasser war noch höher, in manchen Gegenden gibt es ein solches Ereignis alle paar Jahre ….

Unser Haus ist relativ neu – ca. 20 Jahre - und hat daher viel weniger gelitten als manche ältere, die noch teilweise mit Lehmziegeln gemauert sind.

Mein Mann und ich sind noch jung und konnten der körperlichen und seelischen Belastung besser standhalten als etwa Pensionisten oder gar allein stehende ältere Personen.

Wir haben nicht kapituliert sondern nach vorne gesehen – so haben wir diese bis jetzt größte Herausforderung, die das Leben an uns gestellt hat, gemeistert.

Sommer 2003, überarbeitet Dezember 2011
Maria Knapp