Dechant Gerhard Stöckler aus Krems wurde vom Erzbischöflichen Konsistorium in Wien beauftragt, die Maria Trost-Kapelle bei Kirchberg am Wagram zu besuchen und eine Meldung über die Vorkommnisse dort zu senden, was er mit folgendem Brief erledigt hat:

Gnädige Herren, auf gnädigen befehl

A. habe ich mich dem 14. letzt Verflossenen July nacher Kirchberg am Wagram begeben und alda das bild unser lieben Frauen auf der Saulen genannt in augenschein genommen, wie auch dessen Vorseung und wunderbahre würckungen untersucht, den befund der Sachen aber hiermit gehorsam berichten sollen. Nemlich

pro 1mo. ist dieses bild von stein etwan 3 schuh hoch, blau und rostbraun angestrichen, hat aber dermahlen eine bekleidung und zwahr erst Von Kurzer zeit per modum eines Vormaltes, stehet auf einer 5 schuh hochen saulen, so unten mit 3 staffeln umgeben ist, alles von stein und ziehrlich, wie Sie von Christoph Beer bürgerl. Handlsman zu Kirchberg solch wegen seinen krancken Sohn vor etwan 60. Jahren ex voto aufgerichtet worden ist.

ut figura B. wer diese figur hat drucken lassen, ist nicht zu erfahren gewesen, ausser daß der jesuiter Verwalter zu wincklenberg viele darvon ausgetheilet habe.

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2do. ist diese bildsaule nach der zeit mit einer kleinen förmlichen Capellen von mauer arbeit umgeben worden, also daß die bildnus mitten darinn stehe, und schier an das gewölbe anstosse. Hat eine thür gegen Kirchberg, 2 kleine proportionirte fenster auf denen seiten, und stehet auf freyen feld in einer acker breite dem hochw. Dom: Capitl zu Passau gehörig, neben der landstrassen von Kirchberg auf Stockstaal dem ersteren ort etwaß näher, wo auf der anderen seiten der landstrassen das territorium der Jesuiter herrschaft wincklenberg Cremsensis Collegy gleich daran stosset.

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3tie als ich dieses bild zu besuchen gangen bin, habe ich den gantzen weg, und den ort der Capellen voller armseliger Presshafter betler, Kripplen, lahmen und blinden angetroffen, worunter Einer in Specie im gesicht so angeschwollen ware, daß ich mich darob entsetzt und geglaubt, daß nasen sammt beyden augen verlohren seyen worden, wo ich doch vor 8 tägen gehört, daß er schier gesund worden seye. übrigens redet die gantze nachbarschaft von diesem bild, und ist ein grosser zulauf dahin.

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4to. Habe ich in der Capellen gefunden 80. Opfertäfferl ad anathemata und zwahr von 1690. 1691. 1693 etliche von 1697. 1699. 1700. Die mehresten sodan von 1733 und weiter.

Item 8 höltzerne fuss als von joseph höfinger, Caspar Oswald, Huffschmidt zu Hieperstorff; Einen Man zu Camp N. Einem man zu feuersbrun N. Einem Weber zu Neustift N. Einem Man zu Reinprechtspölla N. und 2 von einen unbekanten mädl dahingebracht.

Item 2. Krücken alß eine Von N. Mold von Konigsbrunn unter Kirchberg, welcher solche 1 ½ Jahr brauchen müssen, und dermahlen seine gesundheit diesem bild zuschreibt. Die übrigen 6 seyend in der Capellen gefunden worden ohne zu wissen Von wem.

Item seyend hinder dem bild in einem Kasten zu sehen sehr viel opferfiguren in wax.

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5to. Habe ich in der Capellen 2 schriftliche bekanntnus per modum einer opfer täfferl gefunden, so alhier in abschricht C. et D. mit einschicken wollen.

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6to haben gegenwärtig ausgesagt Eva Rosina Woizettin gartnerin zu Neuaigen und ihre Schwester Anna Maria Neumayerin ledigen standes, Vor meiner Hw: Adminstratore, Capellanis loci, und vielen anderen, wie daß der Eva Rosina Woizettin ihr Kind Von 8 jahren, schier ein gantzes jahr an beyden augen recht vieles gelitten habe, daß daß eine aug schon zersprungen gewesen, und ein gewächs auf selbem hervorgewachsen, wie eine grosse Zuckerarbes gross, und nunmehro auf anruffung dieser mutter gottes schon besser worden seye, uhrbietig darüber zu schwören.

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7mo Seyend unterschiedliche attestata wegen empfangenen gnaden Vorhanden, worvon ich dermahlen nur folgende Copien einschicken, die Originalen aber in Händen des Herrn Administratoris zu ferneren Disposition eines Vblis Consistorij lassen wollen, deren Subsignanten Exceptis O. et V. alle gegenwärtig waren, und ihre schriftliche aussag mündlich confirmiert haben. Alß Litter 

E. Jospeh Passäcker. Ist curirrt von Fieber und behütet in einem fall.

F. Leopold Perwein. Ist curirrt an einer Fistul an der nasen.

G. Johann Wick. Wegen gewächs am aug seines Kindes.

H. Mathias Zieglmayr. Curriert am Gehör.

J. Joseph Höfinger. An offenen Fuss geheilet.

K. Johann Michl Biebl. Wegen Verruckten Fuss seines Kindes.

L. Joseph Ammon. Currirt von Fieber.

M. Joseph Mayr. Wegen currirter blindheit seines Kindes.

N. Paul Geschöpf. Wegen geheilten Fuss.

O. Marianna Lämplmayerin. Curirrt von einem Geschwör am Hals.

P. Joseph /: hox erit erratum quia ego notari:/ Paul Müllberger. Curirrt von seinen Kranckheiten.

Q. Ignatius Müllberger. Curiert von unterschiedlichen Kranckheiten.

R. Christoph Straub. Wegen seinen zerquetzten Kind.

S. Anton Assl. Wegen gelähmten arm seines Kindes.

T. Joseph Müllberger. Curirrt von Fieber.

V. Joseph Wöber. Wegen geschlossenen mund seines Kindes. Dieser man hat zur Dancksagung einen Dankfenning à 3 ½ Thaler geopfert.

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7mo. ist vor allen merckwürdig daß attestatum X. welches der Herr Pfarrer zu Eggendorff Joseph Rudolph Kaill erst nach meiner untersuchung eingeschicket hat. Wegen curirrter ruptur.

8vo. attestiert Herr Pfarrer zu Edstorff. Joseph Holtzapfl ex auditu ut Z. das er Von seinen Bruder Frantz Holzapfl dtto sagen hören, daß dieser vor jahren ein gesicht in dieser Capellen gesehen habe.

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9 ingleichen attestirt Joseph Höfinger in seinen obigen attestato I. daß sein Vater wolff Höfinger dftus bey dieser bildsäulen gesehen habe lichter gegen himml auf und absteigen. 

Dieses ist, was ich von diesem bild zuberichten gefunden habe, und da ich klar gesehen, daß der zulauff sowohl, als die andacht das Volcks zu diesen ort allezeit grösser werde, sonderlich aber der beichtstuhl in Kirchberg starck zunahme, und sonst alles auferbaulich administrirt werde; auch vernommen habe, daß die benachbarte Geistlichkeit den aufnahm dieser andacht gern sehe, und Keinem zum projeduz gereiche; als glaube ich, daß dieses bild zur Ehre gottes und seiner Heiligsten Mutter, nicht weniger zum trost der Nachbarschafft in seinem ort stehen bleiben könne, biß die zeit das weitere Vorzukehren an die hand geben werde. 

Daß übrigens die leut Verlangen tragen diese Capellen zu erweitern, damit darinnen heil. messen könnten gelesen werden, erhellet satsam auf dene, weilen würcklich heimlich in der nacht einiges bauholtz zugeführet worden ist, und über 1000. Fl opfergeld in manibus Die Administratoris obhanden ist, auch Viele guthäter, wie Hw. Administrator sagt, ihr mögliches beytragen würden, wan die Erlaubnis darzu sollte gegeben werden, um welche aber ich Sie an das vble Conistoriu angewiesen habe. Mich zu ferneren Gnaden empfehlende

Euer Hochw. und Gnaden
t vblis Consistory

Gehorsamer
Gerhard Stöckler ConsistoralRath
Dechant und Pfarrer zu Crems m/p

März 2014
Maria Knapp