geb. um 1632, verst. am 29.3.1686 in Kirchberg am Wagram
 
Dr. Paul Zscherniz war von 1656 bis zu seinem Tod im Jahr 1686 Pfarrherr in Kirchberg. 
 
Er war außerdem Dechant und Passauer Domherr, Domherr zu Wien St. Stephan, Dekan in Österreich unter der Enns. Er war der letzte der Passauer Domherren, die in Kirchberg selbst ihr Amt wahrnahmen, er dürfte aber nicht ständig hier gewesen sein, da er zeitgleich auch andere Ämter innehatte.
Der Name Zschernitz (so hat er selbst unterschrieben) dürfte aus den Slawischen kommen und bedeutet „schwarz“. In einem Dokument wird er als Scholaster „Carniolus Senoserensis“ bezeichnet (siehe Jahr 1667), was auf eine Herkunft aus Krain (lat. Carniol) hindeuten könnte, da in diesem Schriftstück alle Scholaster mit ihrer Herkunft angegeben sind.
 
Das Wappen, nachempfunden von Otto Fandl
           Unterschrift: Stiftakten, Wiener Diözesanarchiv
 
1656 ist Dr. theol Paul Zscherniz als Hofmeister im Obergymnasium zu den Schotten in Wien genannt.
(Jahresbericht des K.K. Obergymnasiums zu den Schotten in Wien, 1911)
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Am 24.4.1656 ist er in Kirchberg installiert worden:
Protocol Der Herrschaft und Pfarr Kirchberg am Wagramb

Aprilis 24. 1656
Heünt Dato den 24 Aprilis Anno 1656: ist der Wohl Ehrwürdige Edl und Hochgelöhrte Herr Paulus Zherniz der heiligen Schrüft Dr. Prothonotary Apostolic, auß bevohl aines Hochgn. Thumb Capitl Passau, durch den Wohl Ehrw. Edl und Hochgelöhrten Herrn Thoman Monfron der heiligen Schrüft Doctor, Prot: Apolim, und Pfarrer zue Zwendendorf, dan durch den Edl gestrengen Herrn Paul Leidtner von Leidenau, des Hochgedachten Hochwürdigen Thumb Capitl wohbestölter Oberkhellner zue Stain, erstlich in der Pfarr Khirchen bei St. Stephan zue Kirchberg, more confuato ec soleni, Cannsicu installirt, in die Pförlich, iuristiction introtuiert und insusdiert worden den
Paul Zscherniz Dr. Dechant m.p.
 
Anderten ist man nach vollender geistlicher Canonischer instalation in den Pfarrhof Ober Stockstall gangen, alda in beisein gedachter beeder Herrn Commisahri ist er allen Unterthann in dem grossen Obern Vorhauß, vorgestölt, und Ihme von berührten Underthannen das Jurament und schuldiges glibt praesentiert worden.
 
Der Marcktrichter von Kirchberg höltet in Namen des Marckhtes an von wegen ihrer alten vermainten Freyheit.
Bei ernannter Vorstellung hat Geörg Hirner damalß Marckhtrichter in Namen der Bürgerschaft und Unterthannen zue Kirchberg angehalten, umb Erhaltung und fernerer conseruation ihres alten herkhommens und Gerechtigkheit, in Specie aber die Todtenfall, inventuren Abhandlungen und Wehrungen betreffend: so der Markcht Kirchberg pratendiert, und ain Zeith hero wider die iura der Herrschaft und Pfarr exercirt, ist Ihmr Marckhtrichter von Herrn Oberkhellner in forma geantwort, und replicirt worden, Es befinde sich nichts in den Archiv zue Passau, noch in der Canzley bei den Oberkhellner Ambt, von dergleichen Privilegien und immuniteten, ausser das der Marckht Kirchberg allein Wappenmässig seye, khan also dißfalls dem Hochw. Thumb Capitl, und der Pfarr nichts prädicirt, oder an ihren habenden Obrigkheitlichen Recht etwas benommen werden, auf diese des Herrn Oberkhellner gegebenen Antworth, hat der Marckhtrichter mehrer nichts vorgebracht, noch replicirt, ist also dieser Actus in Gütte geredet, und der Neüe angetrettene Herr Pfarrer vor Ihr Obrigkheit erkhandt und angenommen worden, nach diesem ist man zue der Mahlzeith gangen, und haben neben der Herrn Herrn Commisarien deroselben beigewohnt, der Hochwürdige Edl und Hochgelöhrte Herr Gregorius Tasch: Theologia Dr. Protho: Apostoli, Thumbherr bey St. Stephan zue Wienn, und gedachter Neüen installirten Herrn Pfarrers antecesohr zue Kirchberg, sambt andern Hohen Gästen, und Herrn Herrn Nachtbarn geistlich und Weltlichen Standts.
 
Den nachfolgenden Tag alß den 25. Aprilis hat der Neüe Herr Pfarrer und Herr zue Kirchberg ain Feüers Schüssen denen Herrn Herrn Gästen und Unterthannen in den Garten auf der gewöhnlichen Schüßstatt gehalten, dass böste desselbigen warn ain großer Widder wölchen der Sebastian Klingenmayer ain Rathsbürger zue Kirchberg gewonnen hat.
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In diesem Bericht sind auch alle überreichten Bücher und Dokumente und ein Inventar des Pfarrhofes in Oberstockstall angeführt:
Inventarium deß Neüen Herrn Doctoris.
Waß dem Ehrwürdig Edl und Hochgelöhrten Herrn Paul Zherniz. SS-Theologie Doctoris Prothonotario Apostolius und Pfarrherr zue Kirchberg am Wagramb, Alß Er installirt, zugleich auch eingehendigt worden.
  1. Erstlich ain Lateinische Bibel
  2. Ein Buch Marcantius genannt.
  3. Ein großes Buch in folio zur Pfarr gehörig so Ao. 1627 aufgericht worden.
  4. ein Pargament eingebunden geschriebenes Prothocol in folio
  5. Insimilj ain solches großes Zinsbuch auf Ackher, Wissen und Weingartten
  6. eine Beschreibung der Unterthannen jährliche Steür, allen Wein, und Getraidt Zehendts, dan die liegenden Grundstückhe in Weingartten, Äckher und Wissen, so in den Pfarrhof gefexnet werden, auch was jährlich von der Pfarr an Landtsteür und Grunddiensten, andern Herrn abzurichten betreffen.
  7. zwölf Getraid Zehent hinlaß Register, von denen jüngsten Jahren her.
  8. sieben und sechzig allerley Wein Zehent Register
  9. sieben Traidt Zehent Register von den jüngeren Jahren
  10. drey und fünfzig allerley Wein Zehent Register, alß von denen jüngeren Jahren
  11. acht Kirchen Raittungen von denen jüngeren Jahren, St. Stephans Pfarrkirchen zue Kirchberg am Wagramb betreffend.
  12. sechs Kirchen Raittungen St. Egidy Pfarrkirch zue Rupperstall, von den jüngeren Jahren 
Im Pfarrhof in Vahrnüssen
13 in der Stuben befindet sich ain Eggichter Tisch
14 drey schlechte Leinstühl
15 ain Lähre Bettstatt

In Vorhaus
16  ain alter Tisch
 
In den obern Zimmer.
17  Ain Rundt Taffel
18 ein Schrankhtisch oder trisur
19 ein lange zerbrochene Taffel
20 ein Claider Casten, worinen hiervor die Schrüften gelegen.
21 Ein Zelt, und ain andere Pettstatt
22 Drey alte Sessel
 
Mehr in den undern Zimmer
23 der alte Hundert jährige Trenparkische Casten.
24 Ain Meel Casten, oder Truhen, wie mans nennen khan
25 Ein messinge Schlauch Pixen
 
In der Preß.
26 drey Podingen
 
Auf den Casten.
27ein Getraidt Metzen
 
Paul Leidtner von Leidenau   Ober-Khellner.
Hierauf zue Mehrerer Lieb und Naigung zue den Unterthannen hat der Hr. Dr. und Pfarrer auß Obrigkeitlicher Macht den Bürgern zue Kirchberg denen auf der Seithen, die an die Hofbraiten stossen ain Joch Ackher, oder soviel Platz von ernannten Praiten gelassen, und Ihnen zue ainer Ainfahrt verwilligt und gegeben (doch ohne Schaden und präjudicy des Hochw. Thumb Capitl, und seiner Nachkommenden) zwar mit dieser Condition, das sie alle Zeith und alle Jahr den Graben aufwerffen, damit das Marckht Vieh und Fliglwerch, denen angesäten Früchten auf der Praiten nit schädlich seye, alß haben sich benannte Bürger solche Gnadt gehorsamblich bedankhet, auch solchen würklich nach zue leben, und zuethun, mit Mundt und Handt versprochen.
Den 9. Tag Septembris Anno 1656, ist der Neüe Herr Pfarrer und Dr. zue Passau bei ainen Hochw. Thumb Capitl Erscheinen, alda sein Gelübt und Gehorsam abgelegt, welches von Hoch Ernannten Hchw. Thumb Capitl in Gn. Acceptiert worden, unter andern seine Verrichtungen aber ist Ihme Herrn Dr. Ain Decret  diese ist nachfolgend Inhalts zuegestölt worden.
Unsern Vicario zue Kirchberg am Wagram in Österreich: dem Ehrwürdigen Edl und Hochgelöhrten Paulo Zherniz, der Hl. Schrüft Doctori, und Pronotaris Apostolino Einzuhendig.
(NÖLA-178. Staatsherrschaft Oberstockstall-K.G. Stockerau; Sig. Buch 16-Heirats-Kauf-Inventurprotokoll d. Pfarre Kirchberg/Wagram, Recherchiert und übertragen von Ludwig Leuthner; Fels)
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Zum Leidwesen der Bürger gehörten zu den Häusern des Marktes keine Grundstücke. Der Pfarrer Tschernitz schenkte den Bürgern 1656 ein Joch Acker neben der Hofbraite zum Weiden. Die Bürgerschaft verpflichtete sich, dafür einen Graben aufzuwerfen, damit das Vieh und Flügelwerk den angesäten Früchten auf der Braite nicht schade.
Pfarrer Tschernitz betätigte sich auch als Wirtschaftsmann. 1661 pachtete er auf sechs Jahre den Tatz (Weinsteuer) von Kirchberg, von Oberstockstall den halben Teil, von Mallon und Ameisthal, von diesen vier Ortschaften also gemeinsam um 120 Gulden vom Domkapitel. Im Jahre 1670 verpachtete derselbe an Richter, Rat und gesamte Bürgerschaft des Marktes allein den Kirchberger Tatz um 100 Gulden Reinisch. Die Eintreibung lag nun in den Händen der Bürger selbst.
(Dissertation von Dr. Franz Eiselt: „Beiträge zur Geschichte des Marktes Kirchberg am Wagram unter besonderer Berücksichtigung des Zeitraumes 1650 – 1806“, Wien 1973) 
Am 12.2.1662 hat Dr. Zschernitz die Kirchenrechnung der Pfarre Hohenwarth für richtig befunden.
(Gottfried Mayer, Beiträge zur Geschichte der Pfarre Hohenwarth, das 17. Jh., 1993)
Er ist von 1667 bis 1674 Scholaster von St. Stephan in Wien:
Paul Zernitz (Schernitz), Carniolus Senoserensis, Dr. theol. an Stelle von  Petrus Vautier präsentirt am 10. October 1666, installirt am 23. Juni 1667, resignirt am 3. Jänner 1674.
Der Scholaster ist der Leiter einer Stifts- oder Domschule. Es gehört zu den herausragenden Ämtern und Würden eines Stifts oder eines Domes.
(Geschichte des Metropolitan Capitels zum heiligen Stephan in Wien, 1895)
… Das Leben in Hohenwarth scheint in den Jahren 1679/80 relativ „normal“ abzulaufen – die Reisefreudigkeit des Kirchberger Pfarrers Dr. Paul Zschernitz ist allerdings – wohl aus Furcht vor der Pest – eingeschränkt: Die Kirchen-Rechnungen werden nur mehr von den Hohenwarther Verantwortlichen unterzeichnet.
(Gottfried Mayer, Beiträge zur Geschichte der Pfarre Hohenwarth, das 17. Jh., 1993)
1682 sollte er seinen Posten als Prieser in der Kirche unserer lieben Frau am Gestade in Wien antreten, er dürfte es aber vorgezogen haben, in Kirchberg zu bleiben (ev. wegen der Türkenbelagerung von Wien?):
Als der vorherige Priester 1682 abtrat suchte Bischof Sebastian beim Offizial in Passau um einen neuen Priester an, welcher von der Canzl im Predigen wol verstehen undt den Zugang des Volkhs in dermahligen eifer erhalten undt weiter fortpflanzen möge.“ Indeß hatten sich am politischen Horizonte Gewitterwolken zusammengeballt und ehe noch der neu ernannte Rector, Dr. Tschernitz, bei Maria am Gestade seine Residenz bezogen hatte, brach das Gewitter (2. Türkenbelagerung) furchtbar über Wien herein. … Der im Vorjahre ernannte Rector Dr. Paul Tschernitz aber scheint sein Amt vor der Ankunft der Türken gar nicht angetreten zu haben….
(Geschichte der Kirche unserer lieben Frau am Gestade zu Wien, 1882)
 
Dr. Paul Zscherniz ist am 29.3.1686 in Kirchberg verstorben.
Der Eintrag in den Sterbematriken

 
 
Sein Andenken
 
Sein Lebenswerk war das Bürgerspital mit angebauter Kapelle, in der er beigesetzt ist. Der Gruftdeckel aus Sandstein trägt sein Wappen. Näheres siehe hier.
Auf dem obigen Bild aus dem Pfarrhof hält er in der rechten Hand eine Urkunde mit dem Titel: Grundriss des Versorgungshauses zu Kirchberg a.W.
Auf ihn geht die Wiederherstellung des Grund- und Gewährbuches der Herrschaft Oberstockstall in den Jahren 1665 – 1688 zurück.
 
Juni 2022
Maria Knapp