Pfarrer in Kirchberg von 1902 bis 1911

Geboren am 27.4.1847 in Rauhenschlag in Böhmen, verstorben am 17.11.1930 in Wien, begraben in Kirchberg am Wagram

Priesterweihe 1873 
 
Kooperator in Lichtenegg, Fischamend und an der Haupt- und Propsteipfarre Wiener Neustadt. 1887 zog er als Pfarrer in Kirchschlag ein, 1902 wurde er Pfarrer in Kirchberg am Wagram und von 1911 an war er Pfarrer in Groß-Jedlersdorf. Am 1. Oktober d.J. trat er in den Ruhestand.
(Reichspost vom 19.11.1930)
 
Installation von Pfarrer Wiesinger
 
Die Pfarrgemeinde Kirchberg am Wagram besitzt Taktgefühl und bekundet auch ihre christliche Gesinnung. Hiefür ist auch Beweis die von genannter Pfarrgemeinde am 16. September veranstaltete Empfangsfeierlichkeit anläßlich des Einzuges des neuen Pfarrers Johann Wiesinger. War nicht lange vor einem Jahr die Einzugsfeierlichkeit für den bald verstorbenen Herrn Pfarrer Adalbert Salzer für viele etwas ganz Neues – dessen Vorgänger war etwa zwanzig Jahre in seinem Amte – so war die diesmalige Begrüßung des Herrn Pfarrers Wiesinger noch schöner und erhebender. Der freundliche, für die Entfaltung auch größerer Menschenmassen Raum bietende Marktplatz, in dessen Mitte die festlich geschmückte Dreifaltigkeitssäule, ringsherum die dichtbeflaggten Häuser, das war der stimmungsvolle Hintergrund, von dem sich die bunte Scenerie der Empfangsfeierlichkeiten wirkungsvoll abhob. Schon waren in einem dichtgedrängten Kreis von unoffiziellen Begrüßern und Neugierigen die Pfarrgeistlichkeit und Kirchenvorstehung mit dem Kirchenpatron, Gutsbesitzer Herrn Franz Salomon, die k.k. Beamtenschaft von Kirchberg, die Gemeindevertretungen, die Schulleitungen, die Veteranen-Vereine, die Feuerwehr-Vereine und zahlreiche Honoratioren versammelt, schon war das liebliche Spalier weißgekleideter Schulmädchen aufgestellt, als das ganze Glockengeläute der Pfarrkirche die Ankunft des neuen Pfarrers ankündigte.
Sobald dieser in den Mark einfuhr, verstummten die Glocken, und es setzte mit reinen kräftigen Klängen die Musik der bewährten Kapelle Mestl aus Krems ein. Nun spielte sich sodann die feierliche Begrüßung ab. Der gewesene Pfarrprovisor Herr Rudolf Hager richtete als solcher und im Namen der Pfarrgeistlichkeit eine tiefempfundene Ansprache an den neuen Herrn Pfarrvorsteher. Darauf brachte der Herr Bürgermeister von Kirchberg Dr. Rudolf Roth im Namen aller Gemeindevertretungen eine herzliche Begrüßung zum Ausdruck, woran sich der sehr gut gelungene Vortrag eines Festgedichtes im Namen aller Schulkinder durch ein Töchterlein des Wirtschaftsbesitzers Leopold Mantler reihte; schließlich richtete der hochw. Herr Pfarrer von Fels, Franz Lindern, im Namen der geistlichen Nachbarschaft und als Ehrenmitglied des Veteranenvereines schöne Begrüßungsworte an den neuen Pfarrer. Dieser sprach nun in bewegten Worten seine Überraschung, Freude und Dank über den großarten Empfang aus. Dann setzten sich die zahlreich Versammelten, in einem großen Zug geordnet, in Bewegung zur Pfarrkirche, woselbst ein hl. Segen mit Te Deum gefeiert wurde. Abends wurde durch ein Konzert der Kapelle Mestl in Rittlers Gasthaus die Feier geschlossen. Sie gereicht der Kirchberger Pfarrgemeinde zur Ehre.
Am Sonntag den 28. September wurde der neu ernannte Herr Pfarrer durch den hochwürdigen Herrn Dechant von Etsdorf Franz Weigl kirchlich feierlich auf seine Pfarre installiert. Die Teilnahme von allen Berufenen war eine erfreulich große. Die Festtafel gab der neue Herr Pfarrer in Rittlers Gastsaal.
(Kremser Zeitung vom 4.10.1902)

 
Das Begräbnis von Pfarrer Wiesinger

Unter großer Anteilnahme der Pfarrangehörigen von Groß-Jedlersdorf wurde am 20. d. Pfarrer Wiesinger zu Grabe getragen. Das Requiem las unter großer Assistenz Kanonikus Jaksch. In der Kirche hatten sich eingefunden: Weihbischof Dr. Kamprath, Dechant Sponer und 20 andere Priester, Vizebürgermeister Hoß und einige Bezirksmandatare. Nach dem Libera wurde die Leiche zur Pfarrgrenze begleitet, auf den Trauerwagen gehoben und nach Kirchberg am Wagram überführt. In der Kirche hielt Provisor Hofstätter aus Jedlersdorf dem Verstorbenen einen Nachruf; dann erfolgte die Beisetzung in der Klerusgruft auf dem Ortsfriedhof. Pfarrer Rasberger aus Kirchberg dankte noch im Namen seiner Pfarrgemeinde dem Entschlafenen für sein langjähriges priesterliches Wirken in dieser Gemeinde.
(Reichspost vom 23,11,1930)
Pfarrer Johann Wiesinger wurde in Würdigung seiner ausgezeichneten priesterlichen Wirksamkeit sowie in Anerkennung seines Entgegenkommens in der Kirchberger Friedhoffrage von allen zehn zu seiner Pfarre gehörigen Gemeinden zum Ehrenbürger ernannt. Sonntag den 24. d.M. überreichte ihm eine Deputation, bestehend aus den zehn Gemeindevorstehern und einigen Gemeinderäten, das künstlerisch ausgeführte Ehrenbürgerdiplom.
(Deutsches Volksblatt vom 26.11.1907)
 
Reichspost vom 7.10.1930
 
 
Pfarrer Wiesinger ließ die Orgeln in Kirchberg, Neustift und Winkl renovieren, in der Kirchberger Kirche Presbyterium und Mittelkirche durch den Maler Josef Klenkhart ausmalen und auch außen ausbessern. Die Dächer von Kirche und Pfarrhof wurden gründlich renoviert.
 
1911 wurde er nach Großjedlersdorf versetzt, wo er erst am 30.9.1930 im 83. Lebensjahr, kurz vor seinem Tod, in den Ruhestand trat. Er dürfte aber weiterhin mit Kirchberg verbunden geblieben sein, da er auf seinen Wunsch hin in der von ihm angelegten Kirchberger Priestergruft bestattet wurde. 

       
Quellen
Pfarrchronik Kirchberg am Wagram
Alle Zeitungsausschnitte aus ANNO
 
 
November 2020
Maria Knapp