Die Kirche bewirkte, indem sie die Vorstellung vom Fegefeuer in ihre Lehre aufnahm, dass sich die Gläubigen um ihr Seelenheil zwischen Tod und Auferstehung am jüngsten Tag vermehrt Sorgen machten. Eine gute Möglichkeit, sich ein besseres Los zu erkaufen war – wenn man die nötigen Vermögenswerte besaß – eine Messe, in alten Urkunden auch Seelgerät oder Seelenamt genannt, zu stiften. Reiche, mildtätige Bürger tätigten daneben auch Stiftungen für arme Leute in der Pfarrgemeinde. 

Die Quellen berichten vereinzelt schon im 14. Jahrhundert von Messstiftungen für die Kirchberger Pfarrkirche. Es handelt sich dabei um rein kirchliche Stiftungen: Der Stifter bzw. dessen Erben übergaben der Pfarrkirche Grundstücke bzw. Geld (in der Regel ein entsprechendes Wertpapier) mit der Auflage, vom jährlichen Ertrag des Grundes bzw. des Wertpapieres eine oder mehrere Messen für das Seelenheil des Stifters oder zu einem anderen Zweck lesen zu lassen.

Im Prinzip wurden diese Messstiftungen auf ewige Zeiten errichtet, durch die Geldentwertung - vor allem nach dem Ersten Weltkrieg - reichte aber der Ertrag der Stiftungskapitalien nicht mehr zur Bezahlung der Stiftungsgebühren aus, sodass – jeweils nach eingeholter Zustimmung des Erzbischöflichen Ordinariates – die Stiftungen „reduziert“ wurden: es wurden alte Stiftungen für erloschen erklärt bzw. wurden mehrere alte, ungenügend bedeckte Stiftungen zu einer Stiftung zusammengefasst.

Bei den angeführten Stiftungen kann es sich nur um Momentaufnahmen handeln, da sich die Anzahl der Stiftungen durch neu hinzukommende bzw. aufgelassene ständig änderte.

Die ersten Stiftungen

Die erste bekannte Stiftung wurde am 1. 2. 1319  von Thiemo von Rapolstal und seiner Frau Gisela getätigt: Sie stifteten ein Seelgerät in der Pfarre St. Stephan am Wachrein, und verpflichteten sich dem dortigen Pfarrer, an jedem nächsten Montag nach St. Michaelstag auf Messen zu geben sechs Schilling pfenning den minnern Pruedern datz Stain.

Auf Pfarrer Ulrich geht um 1330 eine weitere Stiftung, die Jakobsstiftung, zurück. 

Weickhart von Winkel war Mitglied einer Bruderschaft, derer er in seinem Testament vom Jahr 1354 gedachte; ferner stiftete er an der Pfarrkirche St. Stephan am Wagram einen Kaplan und 2 Gesellen. 
( OÖUB 7 (Wien 1876), S. 358ff., Nr. 348) - 25. März 1354)

Hans Hippelsdorfers Neffe Ulrich, Dechant und Pfarrer zu Ravelsbach, stiftete für seinen Onkel zu Kirchberg einen Altar und eine ewige Messe und gab hiezu die Furtmühle zu Zaissenberg,  einen Weingarten zu Riedenthal bei der Neydegger Kirchgengassen gelegen, zwei Wiesen zu Bierbaum und Kalendorf und 60 Pfund Pfennige.

Mit den Stiftungen wurden die Messen bezahlt, die von den Kaplänen gehalten wurden. Im Visitationsprotokoll von 1543/44 werden diese namentlich auch genannt: Benefiziant der Stiftungen 1 und 2 war Christoph Psaitberger, der 3. und 4. Hieronymus Dermer.

Am 10.12.1546 belehnte König Ferdinand I. den Kaplan Christoph Jörger mit einem vom Grafen Christof von Rogendorf gekauften und dotierten Altar in unserer Kirche.

Zur Frühmesse in Kirchberg gehörte der Niederrußbacher der Zehent von ¼ Joch Acker, das sogenannte kurmanigsche Lehen.

Stiftungen im 16. Jahrhundert

In der Zeit von Christoph von Trenbach (1538-1552) bestanden neben vielen kleineren auch 8 Stiftungen mit den ihnen zugeordneten Altären, von denen je zwei die Grunddotation für die 4 Kapläne bildeten. 4 Stiftungen sind namentlich bekannt:

1. Die St. Jakobs-Stiftung wurde schon vom Pfarrer Ulrich (1328 – 45) in einem Stiftungsbrief ausdrücklich bestätigt (1344, Abschrift im Pfarrhof). Die St. Jakobskapelle befand sich im rückwärtigen Teil des rechten Seitenschiffes, der Altar an der Rückwand. Hier wurde auch 1915 Ulrichs Grabplatte aufgefunden. 1727 wurde im Zuge des Baues der Musikempore diese Kapelle aufgelassen. Die Stiftung war auf Gütern in Feuersbrunn, Neustift, Zaußenberg, Thürnthal, Unterstockstall und Mallon fundiert.

2. Die Elisabeth-Stiftung hatte ihren Altar im linken Seitenschiff. Sie besaß je ein behaustes Gut zu Dieplsdorf und Rohrbach.

3. Die St. Dorothea-Stiftung wurde errichtet, als das Wiener Frauenkloster St. Dorothea 1459 den Besitz des Deutschen Ordens in Oberstockstall kaufte, den es 1727 um den Bärenhof vermehrte und bis 1786 innehatte. An die Nonnen erinnert noch der Fräuleingraben in Oberstockstall. Der St.Dorothea-Altar war im rechten Seitenschiff – jetzt Rosalia-Altar. Dotiert war die Stiftung mit Korn- und Haferdiensten zu Frauendorf, Kollersdorf und Unterstockstall.

4.  Die Nikolaus-Stiftung hatte ihren zugeordneten Altar dort, wo jetzt der linke Beichtstuhl steht. Sie war fundiert auf Gülten in  Ameisthal und Glaubendorf, sowie Weingärten in Kirchberg und Wiesen in Großweikersdorf und Stetteldorf sowie auf 6 behauste Güter in Feuersbrunn und 2 in Neustift.

Pfarrer Coelestin Schachinger schreibt über zwei der Stiftungen in einem Zeitungsartikel, welche Quelle er verwendet hat ist nicht bekannt:
1543: Dagegen werden die Benefiziatenhäuser von St. Nicolai in Kirchberg, von St. Elisabeth, ebendaselbst, und die dazu gehörigen Grundstücke als größtenteils „öde“ und „in Abgpaut“ bezeichnet, so daß der Gesamteindruck, den die damaligen Wirtschaftsverhältnisse auf uns machen, als ein trostloser betrachtet werden muß. Heutzutage ist dort - es ist meine Heimat - jedes handgroße Fleckchen in bester oder zumindest guter Kultur.
(Coelestin Schachinger in der Wiener Landwirtschaftlichen Zeitung vom 2.9.1911)

Aufstellung von Pfarrer Grädinger, 1771

Eine Aufstellung von Pfarradministrator Johann Grädinger aus dem Jahr 1771 listet 39 Stiftungen auf, aufgrund derer Messen gelesen wurden. Unter den Stiftern befinden sich neben Bürgern des Marktes Kirchberg am Wagram auch einige ehemalige hiesige Pfarrherren, die teils recht bedeutende Stiftungen gemacht haben. Die Liste beginnt mit dem Jahr 1670, das heißt, die ältesten Stiftungen bestanden zur Zeit der Erstellung der Liste bereits 100 Jahre. Ein Auszug aus der Liste:

Name des Stifters                 Jahr   Grundlage               pro Jahr
Johann Wenich                       1670   30 fl                          1 Messe
Johann de Luca                      1678   1 Joch Acker            1 Messe
Georg Hierner                         1682   3 Joch Acker            1 Amt
Christophorus Beer                 1711   ¾ Weingarten           2 Ämter
Bartholom. Zaller, Pfarrer        1716   200 fl                        1 Amt, 2 Messen
Ignatius Floderer                     1723   30 fl                          1 stille Messe
Franz Kieninger                       1735   ½ Tagwerk Obstg.   1 Amt
Peter Anton Nuck, Pfarrer       1739   1.240 fl                   41 stille M., 12 M., 1 Amt
Franz X.Perwein, Pfarrer         1768   100 fl                        1 Amt

Daran anschließend zählt Pfarrer Grädinger 15 Stiftungen der Bruderschaft auf, womit die lieben Frauen Erzbruderschaft des heiligen Rosenkranzes gemeint ist.
Angeführt wird diese Liste von Pfarrer Paul Zscherniz (1686),  der 300 Gulden für 2 Ämter stiftete, Pfarrer Peter Anton Nuck mit 360 Gulden für 4 Ämter und Pfarrer Franz X. Perwein mit ½ Tagwerk Obstgarten für 1 Amt.

Für eine Messe erhielt der Pfarrer 45 Kronen, für eine stille Messe nichts. Für jedes Hochamt bekam der Pfarrer 2 Gulden und der Schulmeister 45 Kronen für das Orgelspiel.

Unter den Stiftern, die nach 1771 genannt werden, befanden sich Anton und Theresia Delapina, die Jungfer Maria Eckin aus Wien und der Weltpriester und Kooperator Johann Paul Krueghofer mit der bedeutenden Summe von 2000 Gulden.

Gottlieb Rohrer, hochfürstlicher passauischer Kammerrat und Verwalter der Domkapitlischen Herrschaft Oberstockstall stiftete ebenfalls 200 Gulden.

Daneben gab es noch Stiftungen, die an Grundstücken oder Häusern des Marktes hafteten. Der jeweilige Grund- oder Hausbesitzer war verpflichtet, diese Messen lesen zu lassen. 

Name des Stifters                Jahr   Grundlage               pro Jahr
Sebastina Klingenmayer     1665     6 Joch Acker              1 Requiem
Martin Schornsteiner           1669     ¾ Weingarten            1 Requiem
Thomas Parzer                    1706     2/4 Weingarten          4 Messen
Ambrosius Beer                   1724     2 Joch Acker             2 Messen
Elias Holzapfel                     1733     2 Joch Acker             2 Messen

Stiftungen im 19. und 20. Jahrhundert

1827 kam es zu einer Zinssenkung, wodurch die Dotation vieler Stiftungen nicht mehr für die gewünschten Messen ausreichte.

1833 listete Pfarrer Ignaz Scheiger die Vermögenswerte der Pfarre Kirchberg auf, worunter sich unter anderem folgende Barwerte befunden haben.

            An solchen worauf Stiftungen haften                           620 f
            An Stiftungs Kapitalien in W.W. verzinslich              10710 f

Er weist seine Nachfolger weiters darauf hin, dass diese von der Herrschaft Grafenegg jährlich eine Stiftung von einem Metzen Korn zu fordern und zu beziehen haben.

Eine ungewöhnliche Stiftung gründete im Jahr 1853 der Kaufmann Ignaz Berger aus Kirchberg. Anläßlich der Errettung des Kaisers vor einem Attentat hat er der Kirche eine  5-%ige  Staatschuldverschreibung im Wert von  100 Gulden  mit der Widmung übergeben, daß alljährlich am 18. Februar die anfallenden Zinsen demjenigen Dienstboten ohne Unterschied des Geschlechtes verabreicht werden sollten, welcher am längsten bei ein und demselben Dienstherren tätig war.

Im Protocoll aller bey der Pfarrkirche zu Kirchberg am Wagram befindlichen Stiftungsbriefe geordnet und eingetragen im Jahr 1844 sind alle 94 noch in Kraft befindlichen Stiftungen eingetragen. Das Buch beginnt mit der Stiftung des Johann Aufreiter aus dem Jahre 1805 und endet mit jener von Franz und Anna Walzer aus Neustift im Jahr 1922. 

1911 erhöhte Kardinal-Fürsterzbischof Dr. Franz Nagl die Messgebühren auf das Doppelte, nämlich auf 2 Kronen pro Messe. Dadurch verringerte sich die Anzahl der Messen, die von den Stiftungsgeldern gelesen werden konnten, drastisch, wir folgende Tabelle zeigt:

                                               Vor der Reduktion    nach der Reduktion
Requiem mit Libera                        26                                 6
Requiem                                         57                               16
Segenmesse                                  44                                25
Stille heilige Messe                      340                              239

Messstiftungen, die auf Grund und Boden basierten, waren in der Regel von Stiftungsreduktionen nicht betroffen; so bestanden im Jahr 1935 an unserer Pfarrkirche noch folgende, auf Grund und Boden beruhende Stiftungen:

1. Jahramtsstiftung des Ägidius Sonntag; Aegidius Sonntag stiftete 1732 zwei Viertel Weingarten in Engelmannsbrunn, dafür sollte jährlich ein Amt gehalten werden.

2.  Messstiftung des Johann de Luca: 1 gesungene Messe (Amt oder Requiem); Johann de Luca aus  Kirchberg am Wagram stiftete 1678 ein Joch Acker „in Englmannsbrunner Freiheit“, dafür sollte jährlich eine gesungene Messe gehalten werden.

3.  Zacharias Holzer’sche Jahrmessstiftung: 2 Segenmessen; Zacharias Holzer stiftete 1696 zwei Tagwerk Wiesen zu Kollersdorf, dafür sollten zwei gesungene Jahrmessen gehalten werden.

4.   Jahramtsstiftung des Nikolaus Rohrbacher: 1 Requiem; Nikolaus Rohrbacher stiftete 1696 zwei Tagwerk Wiesen, dafür sollte jährlich ein Amt gehalten werden.

5.    Martin Holzer’sche Jahramtsstiftung: 1 Requiem; Martin Holzer stiftete 1702 zwei Joch Äcker in Neustift, dafür sollte jährlich ein Amt gehalten werden.

6.   Schwanzer’sche Segenmessenstiftung (auch Barbara Schwanzer’sche Stiftung): 4 Segenmessen; keine näheren Details bekannt.

Stiftungen heute

Es sind heute noch immer Äcker in den drei Pfarren vorhanden, die in früherer Zeit der Kirche geschenkt wurden und die an Pächter vergeben werden. Die Einnahmen daraus werden allerdings nicht mehr zum Lesen von Messen verwendet, sondern  das Geld wird von der Finanzstelle der Erzdiözese Wien verwaltet.

Wenn man heutzutage für seine lieben Verstorbenen eine Messe lesen lassen will, gibt man dies im Pfarramt bekannt und entrichtet dafür eine freiwillige Spende. 

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Drei Personen, die nicht nur für die Kirche beträchtliche Summen gestiftet haben, sondern sich auch um das Armenwesen der Marktgemeinde verdient gemacht haben, verdienen eine besondere Erwähnung: 

Dr. Paul Zscherniz
Näheres siehe hier: http://www.hf-kirchberg.at/index.php/kirchberg-am-wagram/dr-paul-zscherniz

Jakob Damian
Näheres siehe hier: http://www.hf-kirchberg.at/index.php/kirchberg-am-wagram/die-jakob-damian-sche-stiftung

Dr. Franz Heiß'scher Armenstiftungsbrief
Näheres siehe hier: http://www.hf-kirchberg.at/index.php/kirchberg-am-wagram/stiftungen-kirchberg/dr-heiss-sche-stiftung-1829   

Quellen
Franz Eiselt: Dissertation, Beiträge zur Geschichte des Marktes Kirchberg am Wagram unter besonderer Berücksichtigung des Zeitraumes 1650 – 1806, Wien, 1973
Richard Hübl: Geschichte der Marktgemeinde Kirchberg am Wagram
Jahrbuch für Landeskunde von NÖ, Bde 65 – 68
Rudolf Delapina, Die Herren von Winkl, Handschrift, undatiert
Dr. Johannes Weißensteiner, Diözesanarchiv: Informationen zu Stiftungen
Diözesanarchiv Wien, Faszikel 4/1: Stiftungsakten 1687 – 1890 und Faszikel 4/2, 4/3, 4/4: Stiftbriefe
Pfarrchronik  Kirchberg am Wagram
Sitzungsbericht d. kaiserl. Akademie d. Wissenschaften 1851/II.7. Band
ANNO: Der Wanderer, vom 16.2.1825

Jänner 2014
Maria Knapp