Die Entstehung der Wallfahrt

Die Reformation (ab ca. 1520) und die darauffolgende Gegenreformation, der Bauernaufstand in Niederösterreich im Jahr 1597, in dessen Verlauf die beiden Orte Großriedenthal und Ottenthal in Flammen aufgingen, die großen Leiden und Drangsale des 30jährigen Krieges von1618 bis1648, der Türkenkrieg im Jahr 1683, in dem Türkenhorden verheerend und verwüstend über das Land hereinbrachen, wobei die Bevölkerung mancher Orte ermordet, manche Orte zur Gänze niedergebrannt wurden, die Schreckensjahre der furchtbaren Pestepidemien, die das Land noch mehr entvölkerten - all dies hatte das religiöse Gefühl des Volkes, das in der Religion die letzte Zuflucht suchte, aufgeweckt. In Befolgung der in der Not abgelegten Gelübde nahmen nun die Wallfahrten einen riesigen Aufschwung und wurden von der Kirche wegen des sinnlichen Eindruckes gerne gefördert. Die Betonung der Äußerlichkeiten des Gottesdienstes trat auch in prunkvollen Prozessionen in Erscheinung.

                     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 





Kirchberg um 1720, eine Skizze von Dr. Rudolf Delapina
 
 

Als Folge des wirtschaftlichen und geistigen Niederganges (in NÖ lagen am Ende des XVII. Jahrhunderts der Handel und das Gewerbe der Städte und Märkte vollkommen darnieder, der Weinbau war zurückgegangen, die Grund- und Steuerlasten äußerst drückend) nahm der Aber- und Wunderglaube überhand. „Um was das Volk zur Reformationszeit zu wenig Glauben hatte, glaubte es jetzt zu viel schreibt Propst Dr. Kerschbaumer in der Geschichte des Bistums St. Pölten. Zahlreiche Orte, die durch Wunder zu Wallfahrten Anlass gaben und großen Zulauf hatten, blühten auf. Dass dabei Handwerker und Weinbauern gute Geschäfte machten und auch die meist mäßigen Pfarreinkünfte sich steigerten, mag für viele Wundertaten veranlassende Ursache gewesen sein. Die Zahl der Wallfahrtsorte nahm ab 1690 rasch zu, alleine in der Umgebung von Kirchberg am Wagram entstanden noch zwei weitere Wallfahrtszentren, nämlich die Wallfahrtskirche „Mariahilf“ am Absberg und eine 1712 geweihte Wallfahrtskirche auf dem Kreuzberg nördlich von Ruppersthal – beide sind ebenfalls dem Aufhebungsdekret Kaiser Josefs II. zum Opfer gefallen.

Jedes Unglück, das halbwegs gut ausgegangen war, jede Krankheit, die – aus welchen Gründen auch immer – geheilt wurde, wurden als göttliche Gnade angesehen. Auch Kirchberg entwickelte sich so zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort.

Erfüllung des Gelübdes

Johann Christoph Beer, Sohn des ehemaligen Mitgliedes des Inneren Rates des Marktes, Georg Ambrosius Beer, Handelsmann, hatte sich am 3. September 1674 in zweiter Ehe mit Maria Magdalena verehelicht, zwei Töchter starben jung, ein Erbe wollte sich nicht einstellen.

Also haben sich beide gegen den Allmächtigen Gott durch ein fest gemachtes Gelübde verbunden, dass, im Fall ihme durch dessen unendliche Güte ein eheleiblicher, sonders aber männlicher Erben sollte gnädigst verliehen werden, selber sodann unversaumt zu schuldigster Danksagung aus eigenen Mitteln eine Statuam zu ehren der allzeit reins- und übergebenedeytesten Jungfrau und Gottes Mutter Maria auf offentlichen Feld errichten, und aufsetzen wolle lassen

Am 13. Februar 1679  stellte sich endlich der ersehnte männliche Nachwuchs ein. In Erfüllung seines Gelübdes ließ Johann Christoph Beer im selben Jahr auf dem Weg nach Mitterstockstall eine steinerne Säule mit der Jungfrau Maria und dem Jesuskinde errichten und seine drei Initialen in die Säule einmeißeln.

Bereits ein Jahr später kommt ein gewißer Diener Maria, da er sich dem Kriegleben ergeben, wider den Erbfeind des Christlichen Namens den Türken streitend, um Glück und Seegen von der Mutter Gottes zu erhalten, sich verlobet, und das Chonosdiisticon, oder die Jahreszhal andeutenden Vers an die Gnaden-Saulen einzhauen veranstaltet hat.

Die Säule mit der Gnadenstatue

Die Höhe der Gnadenstatue beträgt 141 cm. Die Muttergottes trägt ein rotes Kleid mit einem um die Mitte geschwungenen Tuch, den Kopf mit dem langen, braunen Haar schmückt eine mit Steinen besetzte, dreigeteilte Krone. Mit der linken Hand hält sie das Szepter, in der rechten Hand trägt sie das unbekleidete Jesu-Kind. Dieses hält seine linke Hand über einen roten Apfel, mit der rechten hält es sich an der Mutter fest, den Kopf schmückt ebenfalls eine Krone. Unter den Füßen der Statue befindet sich eine an den Außenkanten leicht beschädigte Mondsichel. Die Mienen beider sind ernst.

Die Säule ist mit der Statue seit ihrer Aufstellung am freien Feld untrennbar verbunden. Diese ist mitsamt je einem Wulst am oberen und unteren Ende 184 cm hoch und hat einen Durchmesser von 34 cm. Säule und Gnadenbild haben eine Gesamthöhe von 3,25 Metern. Die stand in der Wallfahrtskapelle ursprünglich auf zwei steinernen Staffeln.

An der Säule befinden sich mehrere voneinander unabhängige Inschriften:

In einer Höhe von 131 bis 148 cm befindet sich folgende Inschrift vom oben genannten unbekannten Soldaten:

ConspICe VIrgIne Is oCVLIs nos aeMVLa soLls
Is InterfraCta regla steLLa Via

Was übersetzt heißt:

Sieh uns an, Jungfrau, gleich der Sonne, mit deinen Augen
Halt deinen Weg an, königlicher Stern, und geh weiter. 

Die Initialen unter diesem Sinnspruch stellen wahrscheinlich den Namen des Stifter, Johann Christoph Beer dar.

HCP
oder
JCP

Links davon in einer Hohe von 152 bis 155 cm findet man das Datum der Renovierung:

RENOVIRT
1747
ACP 

Über die ganze Länge der Säule zieht sich eine grüne, sich fünf Mal um die Säule windende Lorbeerblatt-Girlande.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


So wurde das Gnadenbild auf einem zeitgenössischen
Heiligenbildchen dargestellt.

Foto: Dr. Rudolf Delapina
 

Die erste Kapelle

1682 ließ ein wohlhabender Bauer aus Unterstockstall, Lorenz Höck, dessen Gebet bei einer schweren Erkrankung Erhörung gefunden hatte, die Säule mit einer Mauer umgeben und einwölben – er hat somit ebenfalls sein Gelübde eingelöst. Nun war die Säule nicht mehr der Witterung ausgesetzt, und der neu geschaffene Raum bot bis zu 30 Betern die Möglichkeit zur Andacht.

Die Statue stand inmitten der Kapelle, die nicht viel höher war als diese und mit ihrem Gewölbe gleichsam an sie anstieß (also etwas über 3,25 m, wie oben erwähnt). Von einigen wurde sie Maria Trost genannt, gemeinhin aber Maria auf der Saulen.

Erscheinungen beim Gnadenbild

Zwei Personen aus der Umgebung hatten Erscheinungen bei der Kapelle: Um das Jahr 1700 sah Wolfgang Höfinger aus Mitterstockstall, der bey nächtlicher Zeit dem Lerchenfang mit seinem Gespan obliegete, ausserordentliche Lichter von dem Firmament nicht nur herunter, sondern auch dergleichen viel wiederum  vor obgedachter Maria-Bildnuß hinauf gegen dem Firmament steigen. Einige Zeit später ging Franz Holzapfel, der Sohn des Kirchberger Lebzelters, bei der Kapelle vorbei und sah diese mit ausserordentlich hellen Glanz erfüllet und gewahrte eine schneeweiß gekleidete. Der Ruf des Gnadenortes drang ins weite Land. Der Zulauf wurde immer größer.

Die ersten Gebetserhörungen

Bald ereigneten sich weitere wunderbare Gebetserhörungen. Nun setzten bereits erste Prozessionen ein und zwar machte den Anfang hierzu die liebe unschuldige Jugend, indeme diese vor zwainzig und mehr Jahren, an Sonn- und Feyertägen statt anderen Kinderwerken, und Spillereyen, sich zusamm rotteten, in eine schöne Ordnung steleten, mit voraus getragenen papierenen Fähnlein pocessionaliter zu der Mutter Gottes Capellen giengen, ihre unschuldige Andacht mit Bettung eines Rosenkranzes zum öfteren verrichteten.

Den Kinderprozessionen hatten sich inzwischen auch Erwachsene angeschlossen. Die Wallfahrer blieben an Sonn- und Feiertagen nach dem Besuch der Messe in der Pfarrkirche oft bis spät in der Nacht mit Beten und Singen in der Marienkapelle. 

Nach den ersten Gebetserhörungen bei der Muttergottessäule und ihrer Integrierung in eine kleine Kapelle erwuchs der Pfarre eine neue Andachtsstätte unweit der Pfarrkirche. Während in den aus der Zeit von 1641 bis 1704 vorliegenden Testamentsaufzeichnungen auswärtige Orden, das Gotteshaus und die Rosenkranzbruderschaft bzw. das alte Mariengnadenbild in der Pfarrkirche reichlich bedacht wurden, scheint ab 1765 die Maria Trost-Kapelle als Empfängerin von Geldspenden neu auf.

Pfarrer Franz Xaver Perwein wollte 1749 Klarheit über die Rolle der Maria-Trost-Kapelle haben und wandte sich an Passau, das den zuständigen Dechant Stöckler aus Krems zu einer Untersuchung veranlasste. Auf Befehl des Konsistoriums nahm der Dechant die Kapelle persönlich in Augenschein und berichtete anfangs September 1749 nach Passau. Schon auf dem Weg von Kirchberg zur Kapelle traf er auf armselige Leute, Bettler, Krüppel, Lahme und Blinde. In der Kapelle fand er achtzig Opfertafeln, einige von 1690 bis 1700, die weitaus häufigsten aber vom Jahre 1733 an, acht hölzerne Füße und sieben Krücken. Ab 1752 dürfen auf Erlaubnis des Dechants in der Kapelle Messen gelesen werden – es befindet sich bereits ein Holztisch mit Tabernakel dort -  allerdings mit der Bedingung dass an sonn- und feyertägen dieses nicht anderst als nach geendigten gottesdienst in der pfarrkirchen gescheh, damit nicht etwan dieser dabey leiden möge.

Der Stand des Opfergeldes betrug zu diesem Zeitpunkt schon über 1000 Gulden. Das Opfergeld wurde in der Herrschaftskanzlei in Oberstockstall - zugleich Pfarrhof - aufbewahrt und war bis 1750 schon auf 3400 Gulden angestiegen.

Im selben Jahr wurde eine ca. 7,5 m lange Hütte aus Holz aufgestellt, um die Wallfahrer außerhalb der Kapelle bei Ihrer Andacht vor Wind und Regen zu schützen. Die Anzahl der Votivtafeln hatte sich wieder um zwei Drittel vermehrt.

Im Jahr 1749 begann Pfarrer Perwein auch mit der Anlage des „Mirakelbuches“, also jenes Buches, in dem die Gebetserhörungen eingetragen wurden und dessen Führung sich mit seiner Amtszeit deckt. Dieser Umstand zeigt, dass er der Wallfahrt sehr positiv gegenüberstand.

Der Ausbau der Kapelle

Unter dem Nachfolger, Pfarrer Johann Grädinger, erfolgte von 1770 bis 1775 ein Umbau, die Kapelle wurde mit drei Altären und einer Kanzel ausgestattet und  von einem Turm bekrönt. Die beiden Seitenaltäre waren den Heiligen Wendelin und Florian geweiht und waren 1771 vom Kremser Schmidt gemalt worden – den Mittelpunkt stellte die Gnadensäule dar.

Am 10.10.1775 wird vom Passauer Weihbischof Official Graf Josef Adam Arco die Kapelle geweiht. Die Ratsbürger erschienen mit Mänteln, die gesamte Bürgerschaft rückte mit Gewehren aus. Den Himmel auf dem Weg von Kirchberg zur Kapelle trugen vier Ratsbürger, zwei weitere trugen die Windlichter. 1776 folgt die Verleihung eines päpstlichen Ablasses. 

    
Skizzen der Kapelle in den verschiedenen Ausbaustufen, wie sie auf verschiedenen zeitgenössischen
Heiligenbildchen dargestellt ist  -  und Innenansicht von Otto Fandl
 

Um 1782 gab es in Kirchberg neben dem Pfarrer Johann Grädinger 5 Kooperatoren und 2 Hilfsgeistliche (Curaten), wobei die letzteren nur in der Marienkapelle unterstützenden Dienst taten. Im Mirakelbuch ist unter Nr. 16/50 vom Kapellendiener Johann Georg Joseph Peyerl die Rede. Von der Kapelle flossen 530 Gulden für die Curaten und die Verwaltung in die Kirchenkasse von Kirchberg.

Verlagerung der Wallfahrt in die Pfarrkirche

Kurz nachdem die Wallfahrt in Kirchberg durch den Ausbau der Kirche einen weiteren Aufschwung erfahren hatte, wurden unter Kaiser Josef II. den Wallfahrten schwere Beschränkungen auferlegt, bis sie schließlich verboten und viele Wallfahrtskirchen geschleift wurden.

Die hiesige Kapelle hatte im Vergleich zu anderen Wallfahrten den Nachteil, dass sie auf offenem Felde stand und für die Betreuung der Bevölkerung ja die St. Stephanskirche in Kirchberg vorhanden war.

1787 wurde also die erst 1775 geweihte Wallfahrtskapelle als überflüssige Nebenkirche gesperrt, entweiht und die wertvollsten Einrichtungsgegenstände in die Pfarrkirche übertragen:

  • Die Gnadenstatue wurde vor dem Hochaltarbild  des hl. Stephan aufgestellt, die Säule selbst (vorerst) mit Holz verschalt, da sich die Wallfahrer (nach mündlicher Überlieferung) gerne Sand davon      abzuschaben versuchten. Pfarrer Vincenz Willem erwähnt dies auch in der Pfarrchronik im Zuge einer Renovierung der Kirche im Jahr 1868: Diese Säule ist mit  Bretterwänden eingefaßt, um allfallsigen Beschädigung zu hindern. Die Gnaden=Statue ist von Stein und ungemein schwer.“
  • Die beiden Altarblätter des hl. Florian und des hl. Wendelin
  • Weiters wurden vier „Frauenkleider“ der Muttergottesstatue und ein steinernes Geländer (wahrscheinlich das Kommuniongitter) übertragen.
  • Die Paramente und andere Geräte wurden im  Jänner 1788 aus der Sakristei der Pfarrkirche gestohlen.
  • Der vorhandene Geldbestand wurde für die Anschaffung einer Orgel und die Herstellung der Friedhofsmauer verwendet.
  • Über den Verbleib der meist aus Holz hergestellten Votivtafeln ist mit einer Ausnahme nichts bekannt.

Die Ursprungskapelle

So wurde also die Wallfahrt auf die Pfarrkirche übertragen und an der Stelle der abgebrochenen Kapelle 1835 vom Kirchberger Handelsmann Ignaz Berger ein Breitpfeiler errichtet, der heute als Ursprungskapelle bezeichnet wird. Er stiftete ein Bildnis der  Maria mit dem Jesuskind, das einen Vogel in der Hand trägt.

Ein Originaldokument ohne Datum von Ignaz Berger mit der Bitte, zum gemauerten Kreuz einen Opferstock errichten zu dürfen, befindet sich im Besitz der Familie Delapina in Kirchberg:
Löbliche Staatsherrschaft 
Wie bekannt, habe ich an dem Platz, wo ehedem die Wahlfahrts Capelle stand, mit Vorwissen der löbl. Herrschaft und der Geistlichkeit ein gemauertes Kreutz errichtet. Nun hat sich aber der Fall ereignet, daß immer Geld als Opfer dahin gelegt wird, welches als offen daligend zu Entfremdungen und Beschädigung des Kreutzes Anlaß gibt.
Ich bin daher gesohnen, auf meiner Kosten einen wohl verwahrten Opferstock dahin setzen zu lassen, und zwar unter meiner und der Geistlichkeit Sperre, und mit der Bestimmung, daß das Opfergeld auf heilige Messen in der Kirche Kirchberg auf die fromme Meinung der Geber verwendet werden solle.
Ich bitte daher nach Einvernehmen der Geistlichkeit um Bewilligung zur Errichtung eines Opferstockes und Verlassung des Nöthigen zur gehörigen Verwendung des Geldes nach obiger Bestimmung.

Ausschnitt aus dem Ansuchen
 

Das Gemälde wurde, da es schon unbrauchbar geworden war entfernt und an dessen Stelle die Lourdesmadonna aus Gips aufgestellt, für die man mit Auflassung der Lourdeskapelle in der Pfarrkirche im Jahr 1958 keinen Platz mehr hatte.  

  
Die Ursprungskapelle um 1960 und 2023

Die Inschrift auf der angebrachten Tafel lautet: 

Maria saß hier einst am Throne
Hier fanden Sünder Trost, o Wonne!
Ja Trost allhier, Maria in dir!
Wirst nicht auch jetzt auf unser Flehen
Hier Gottesmutter, gnädig sehen?
Hab Erbarmen mit uns Armen!
1835 

Nach der Auflösung der Wallfahrtskapelle auf freiem Felde strömten die Wallfahrer nun ins Gotteshaus in Kirchberg selbst. Das Verbot des Wallfahrtens wurde nicht eingehalten. An bestimmten Tagen des Jahres war der Ort mit Wallfahrern überfüllt, sodass sich die Kirche als zu klein erwies. Manchmal langten bis zu 20 Prozessionen ein. Den Großteil der Besucher stellten der nördliche Teil des Viertels unter dem Manhartsberg und die deutschen Gemeinden Südmährens. Die 6 – 7 Herbergen im Orte reichten nicht, sodass ein Teil der Wallfahrer in Scheunen nächtigen musste. Die Priester mussten bis in die Nachtstunden Beichte hören. Nicht nur die Größe des Sprengels, auch der Zustrom der Wallfahrer erforderte die Anwesenheit von 6 Kooperatoren. Die Opfergaben flossen nunmehr der Kirche in Kirchberg am Wagram zu, die in dieser Zeit beim Volk den Namen von „Stephanskirche“ in „Maria Trost“ änderte.

Gegen Mitte des 19. Jhdt. nahm der Besuch der Wallfahrer laufend ab. An manchen Tagen im Jahr erschienen die Scharen aber noch immer so zahlreich, dass die Kirche überfüllt war. 

Pfarrer Alois Edler von Neugebauer, der im Jahr 1836 mit der Erstellung  der Pfarrchronik beginnt, schreibt dort: Der Andrang der Wallfahrer war in diesem Jahre ganz besonders stark, was hauptsächlich durch die in der Umgebung der Pfarre herrschende Cholera bewirkt wurde.  Der hiesige Pfarrbezirk blieb auch dieses Jahr, wie in den früheren, durch Gottes überschwengliche Barmherzigkeit von der Choleraseuche  gänzlich befreit.

Die Marienstatute erfährt nach wie vor große Verehrung, es ist die Rede von zwei wohlhabenden Damen, die ihr prächtige Kleider schenken (es war damals Brauch, Statuen zu bekleiden): Auch meine Mutter, die Frau Josepha Edle von Neubauer K.K. Rathes` Wittwe von Wien beschenkte die Kirche mit einem blausamtenen mit Silber reich gesticktem Kleide für die Mutter-Gottes-Statue, und einem ebenfalls blau-samtenen mit Silbersternen reich gestickten Schleier, beides zum Gebrauche für die hl. Advent- und Fastenzeit.

Unter Pfarrer Vinzenz Willim wird 1867 die gesamte textile Ausstattung der Kirche erneuert, so auch die Bekleidung der Gnadenstatue (kirschroter Samt wie die gesamte Kirchenwäsche). Anschließend wird ein Teil der Fenster mit Vorhängen versehen, um ein Ausbleichen der Textilien zu verhindern.

Im Jahr 1872 wird die Marienstatue renoviert, ein Jahr darauf fertigen Wiener Klosterfrauen „ein neues Gewand von weißem Damast und echter Goldstickerei“ an.

In diesem Jahr wird  auch die Franz-Josephs-Bahn eröffnet, was der Wallfahrt in Kirchberg neuen Auftrieb verleiht.

In den Jahren 1860 – 1880 hatte sich bei mehreren Wallfahrtsgruppen der Brauch eingebürgert, nach Eintritt der Dunkelheit von der Kirche aus eine Lichterprozession zu dem damals noch bestehenden Bildstock im Köckpark abzuhalten. 

Pfarrer Ignaz Hohmann (1877 – 1901) stand den Wallfahrten eher reserviert gegenüber, so wurde nach ihm jemand gesucht, der Leute nach Kirchberg zu ziehen imstande ist, der die Wallfahrten zu heben u zu vermehren versteht und gewillt ist, sonst aber zurückgezogen und in Frieden mit allen über alles  liebend seines hl. Amtes walten sollte.

Rund um die Wallfahrten dürfte es auch Mißstände gegeben haben, wie hier berichtet wird: 
Die Wallfahrer, die jetzt nach Kirchberg an Sonn- und Feiertagen kommen, sind zum großen theile brave und ordentliche Leute. Es ist aber auch viel „leichtes Volk“ dabei, so daß oft mehr Aergerniß gegeben wird, als nothwendig wäre. Abgesehen davon, daß gleich nach dem Einzug in die Kirche der hiesige Judentempel besucht wird, daß in den Gasthäusern viel Unfug getrieben und mancher „Affe“ aufgelesen wird, kann man Sonntags während des Gottesdienstes den ganzen Kirchenplatz voll Wallfahrer sehen, die plaudern, oder gar ihre Glimmstengel rauchen; dazu kommt noch, dass auch auf dem Friedhofe die Blumen und Ziersträuchen abgebrochen und ruinirt werden. Wäre es nicht besser, solche Wallfahrer blieben zuhause? Möchten doch die Vorbeter solche Leute nicht mitnehmen; der Mutter Gottes bezeigen sie damit keine Ehren.
Quelle: Kremser Zeitung vom 21.9.1889

Von Pfarrer Johann Wiesinger (1902 – 1911) wurde zusätzlich im hinteren Teil der Kirche eine Lourdeskapelle errichtet.

1922 – unter  Pfarrer Karl Rasberger – wurde die Kirche elektrifiziert. Die Marienstatue erhielt einen beleuchteten Strahlenkranz.

Ab 1923 kam es vermehrt zu zahlenmäßig großen Wallfahrten:

  • Am 23. September 1923 kam eine große Prozession  von Gösing hier an in Begleitung des hochw. Herrn Pater Kolumban,  der auch beim Hochamte die Predigt hielt, es waren über 400 Wallfahrer, welche sich sehr lobend über Kirche und Gottesdienst geäußert haben.
  • Am 4. Juli 1926 kamen Wallfahrer der Pfarre Brigittenau Wien unter Dechant Sponer (ehemaliger Kooperator in Kirchberg) mit 800 Personen, wobei der genaue Ablauf der Wallfahrt geschildert wird:

Die Prozession wurde am Bahnhofe festlich erwartet von der Pfarrgeistlichkeit und in die Kirche geleitet, wo der Ortspfarrer die Begrüßungsansprache hielt, hochw. Herr Dechant die Predigt und Herr Cooperator Josef Bauer die Mittagmesse. Nachmittags die Kirchenbesuche zu  Gewinnung des Jubelablasses, wieder Predigt u. Segenandacht. Am Abend hielt der Pfarrer die Schlußpredigt und es folgte der feierliche Auszug. Noch nie hatte Kirchberg eine solche Anzahl von Wallfahrern gesehen. Der Abschied auf dem Bahnhofe, wo der Separatzug bereits wartete, war ein überaus herzlicher. ‚Auf Wiedersehen im nächsten Jahre aber nochmals so viel Wallfahrer‘ war der Abschiedsgruß der Teilnehmer.

Ein Problem dürfte die Bewirtung so vieler Gäste gewesen sein: Die Wallfahrer wurden in die hiesigen Gasthäuser verteilt, aber leider waren viele nicht zufrieden mit dem Mittagsessen, sie wurden stark „geschneuzet“ bekamen wenig und zu teuer waren die Preise. Diese Angelegenheit wurde auch in der Gemeinderatssitzung vorgebracht und die Wirte ins Bürgermeisteramt vorgeladen. Dieser Mißstand sollte doch endlich einmal abkommen, deshalb bleiben viele Prozessionen aus. Hoffentlich wirkt es für die Zukunft.

 

Anfang 20. Jahrhunderts

In den 30er Jahren spielten auch im Raum Kirchberg die verschiedenen Reichsbundgruppen eine besondere Rolle, auch verborgene Sympathie für den aufkeimenden Nationalsozialismus war der Gegend nicht fremd, die paramilitärische Grundstimmung wird auch in der Pfarrchronik nicht verhehlt: Am Sonntag den 28. Mai 1933 war große Wallfahrt des Reichsbundes, ca. 300 Teilnehmer nach Maria Trost in Kirchberg. Schon der Aufmarsch war imponierend, stramm war ihr Benehmen.

Der zweite Weltkrieg

Ab 1938 bis zum Ende des 2. Weltkrieges gibt es in der Pfarrchronik keine Einträge über Wallfahrten, da nicht nur diese, sondern das ganze religiöse Leben der Gläubigen erschwert wurde. 

1949 erhielt die Pfarre eine große, der Mutter Maria geweihte Glocke, 1950 wurde das Dogma der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel verkündet – beides half mit, wieder Wallfahrer in den Marien-Wallfahrtsort zu bringen, von denen sicherlich nur ein Teil in der Pfarrchronik angeführt ist. Die Wallfahrergruppen kamen entweder mit dem Zug oder mit Autobussen.

Große Wallfahrten

  • So gab es 1954, jetzt unter Pfarrer Rudolf Koriska, unter anderem eine große Männerwallfahrt des Dekanates Gänserndorf. „Die Beteiligung war sehr groß: ca. 1500 Männer.“
  • 1960 gab es eine große "Heimkehrer-Wallfahrt".
  • Am 5. Mai 1963 wurde in Kirchberg der „Frauentag“ gehalten, verbunden mit der Wallfahrt der Frauen von Hadersdorf und Großweikersdorf, an der fast 2000 Frauen teilnahmen.
  • 1964 besuchten 300 Frauen des  Dekanates Wilfersdorf mit 7 Autobussen die Kirche.
  • Am 31. Mai 1964 fand eine Wallfahrt von „234 Buben des Knabenseminars in Hollabrunn mit ihren Vorstehern statt.
  • 1966 begrüßte Kirchberg  mit beflaggten Häusern den Päpstlichen Nuntius Exzellenz Dr. Opilio Rossi, anläßlich der Dekanatswallfahrt der K.F.B. des Dekanates Hadersdorf am Kamp. Über 500 Frauen waren gekommen, um den Jubiläumsablass zu gewinnen.
  • Am 30. 8. 1969 kam es zu einer der größten Wallfahren in der Geschichte von Kirchberg: Seine Exzellenz Dr. Stephan Laszlo, Diözesanbischof des Burgenlandes, führte 1.400 Wallfahrer mit 29 Autobussen nach Kirchberg am Wagram. Ein Ereignis wie es Kirchberg noch nicht erlebt hat. Nach einem Platzkonzert der Musikkapelle Feuersbrunn-Wagram zog man feierlich in die Kirche ein.

Im Jahr 1980  gab es 15 größere und viele kleine Wallfahrtsgruppen - jetzt unter Pfarrer Josef Morgenbesser (1978 – 2005). Fachlehrer Otto Fandl hat für diese Besucher  einen Kirchenführer zusammengestellt.

Im Jahr 1987 wurde das Jubiläum „200 Jahre Wallfahrtskirche Maria Trost“ gefeiert. Ehrengast und Festprediger war Alterzbischof Dr. Schoißwohl, der einmal Kaplan in Kirchberg war. Die Feier begann bei der Ursprungskapelle, mit einem  Fackelzug zog man zur Wallfahrtskirche, wo eine feierliche Marienvesper abgehalten wurde. Otto Fandl brachte zu diesem Anlaß eine Festschrift über die Geschichte der Wallfahrt heraus und der Verschönerungsverein renovierte die Ursprungskapelle zu diesem Anlaß ansprechend.

Wallfahrt heute

Der Trend unserer Zeit sind Fußwallfahrten. So fand im Sommer 2003 die erste Wallfahrt „mit der Bibel im Rucksack“ statt.Heute liegt Kirchberg an der Route des Weinviertler Jakobsweges und oftmals sieht man einzelne Pilger oder kleine Gruppen mit Rucksack und Stock die Kirche besuchen.

Wenn eine größere Wallfahrergruppe nach Kirchberg kommen möchte, fragt sie im Pfarramt nach einem passenden Termin an. Dieser wird nach Möglichkeit so gewählt, dass der Pfarrer anwesend ist, da von den Wallfahrern erwartet wird, dass er zumindest die Predigt hält, Beichten hört und die Kirche vorstellt. Kleinere Gruppen kommen immer wieder unangemeldet vorbei. Natürlich können auch Pfarrangehörige den Gottesdienst mitfeiern. Angemeldete Gruppen werden auch in der Gottesdienstordnung vermerkt.


Devotionalien

Devotionalien sind Gegenstände, die der religiösen Andacht dienen sollen, wie  etwa Kreuze, Rosenkränze, Heiligenfiguren, Ikonen, Andachtsbilder und Medaillen mit religiösen Motiven. Diese gab es auch von der Wallfahrt zu Maria Trost:

     
Heiligenbildchen:
Von links: ältestes Bild, um 1750; Mitte u. links: die Gnadenkapelle im jeweiligen Bauzustand.

    
aktuelle Andachtsbildchen

   

Mirakelbuch

Das Wort Mirakel bedeutet im landläufigen Sinn „Wunder“. Tatsächlich ist das Mirakelbuch  aber eine Sammlung von Gebetserhörungen, Gnadenerweisen, Zeichen, Wundertaten, Wunderwerken, Heilungen etc. Das Mirakel lässt sich als Gegenwartswunder, das heißt, als ein historisch gewisses, oft durch Zeugen beglaubigtes Wunder bestimmen. Die Mirakelbücher enthalten die Aussagen Gläubiger über Gnadenerweise an einem bestimmten Ort und unterscheiden sich von Wunderaufzeichnungen als Vorbereitung für Selig- und Heiligsprechungen. 

Das sich im Besitz der Pfarre befindliche Mirakelbuch hat ca. 272 Seiten, Vorder- und Rückseite fehlen bereits und es zeigt deutliche Gebrauchsspuren. 

          

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Titel des Mirakelbuches
 

Der Titel des Buches:

Neu aufgehender Marianischer Gnadenschein Das ist:
Ursprung und Aufnahm der Neu Marianischen Wallfahrt
M a r i a = T r o s t  auf der steinernen Saulen genannt,
Welche in einer Auf dem freyen Feld erbauten Capellen
Nächst dem Einem Hochwürdig=Passauerischen Dom=
Capitl unterhtänigen Markt Kirchberg am Wagram in
Oestereich unter der enns andächtigst verehret wird,
und mit vielen Gnaden leuchtet, Aus Befehl eines
Hochwürdig=Passauerischen Dom=Capitl ordentlich
Zusamm geschrieben. Und mit Erlaubnuß der hohen
Geistlichen Obrigkeit in Druck gegeben.
Anno 1766.
 

Gedruckt zu Rötz bey Christoph Hueth,
Wiennerischen Universitäts=Buchdrucker. 

     
Textbeginn und Doppelseite 

Dr. Franz Groiß hat in seiner Dissertation zum Thema „Wallfahrt und Mirakelbuch von Kirchberg am Wagram – Maria Trost“ sowohl die Geschichte der Wallfahrt als auch die Daten des Mirakelbuches wissenschaftlich ausgewertet, die wir zusammenfassend zitieren dürfen:

Nach der im Buche angeführten Ursprungslegende beginnen die Mirakelaufzeichnungen erst im Jahr 1748 und reichen bis 1766, deren Zahl beträgt 269. Die Eintragungen dürfte Pfarrer Franz Xaver Perwein getätigt haben – das Buch fällt genau in seine Amtszeit.

Oftmals war mit den Ansagen (Verlautbarungen) im Mirakelbuch das „Verlöbnis“ (Gelübde) verbunden, eine Wallfahrt zum Gnadenort zu machen, was zu dieser Zeit eine Einzelwallfahrt war - im gesamten Buch kommt keine Gruppenwallfahrt vor. Es gibt auch Fälle, wo ein anderer für den Betroffenen die Wallfahrt antritt, vornehmlich bei Kindern.

Die Eintragungen betreffen nicht nur Begnadete aus der Umgebung, sondern solche aus ganz Niederösterreich und Wien.  Insgesamt stammen sie aus ca. 70 Orten bzw. Städten darunter eine aus Ungarn und eine aus Schlesien. Aus Kirchberg selbst sind nur zwei Mirakel aufgezeichnet, aus Wien 21, aus Engelmannsbrunn, Stockerau und Krems je 6, aus Lengenfeld und Hausleiten je 5.

Die Gründe für die Ablegung die Verlobung waren entweder eine schwere Krankheit oder ein Unfall, der keine größeren Schäden an Mensch oder Tier verursacht hat.

An Krankheiten findet man oft verallgemeinernde Aussagen wie mit einer langwierigen Krankheit behaftet, aber auch Gebrechen der Gliedmaßen (ein erschröcklich geschwollener Fuß nebst einer Lucken in der Größe eines Siebners) und Leibesbrüche werden erwähnt, ebenso wie langanhaltende schwere Kopfschmerzen, fieberhafte Erkrankungen, Nerven- und Geisteskrankheiten. Frauen fanden bei spezifischen Leiden wie Schmerzen in der Brust oder Erkrankungen im Kindbett Hilfe. Obwohl man damals  öffentlich nicht über dieses Thema sprach, sind einige Fälle im Mirakelbuch angeführt.

Durch die Schilderung der Unfälle, die zu einer Verlobung geführt haben, bekommt man Einblick in die Lebensumstände dieser Zeit. Viele der Unfälle sind im Haus, vornehmlich in der Küche passiert. Da kam es zum Verschlucken von Gräten, Knochen oder anderen Gegenständen, insbesondere bei Kindern. Aber auch außer Haus lebte man gefährlich: Die 10jährige Cäcilia hat sich mit einem Scheidl Holz unter das Künn dergestalten gestossen, dass es in ihr völlig hangen geblieben  ist. Schwere Stürze gingen durch Verlobung glimpflich aus. Neben der bäuerlichen Arbeit, bei der es zu Unfällen kam, werden auch Unglücksfälle von Müllern, Hufschmieden, Zimmerern und Webern genannt.

Bereits zu Anfang der Aufzeichnungen des Mirakelbuches gab es Bezeugungen von Personen, die relativ weit weg von Kirchberg wohnten. Die meisten erhielten von den Wundertaten durch Mund-zu-Mund-Propaganda von Verwandten Kunde. Die erhaltenen Gnadenerweise wurden oft teils in der Kirche der betroffenen Person, teils in der Kirche von Kirchberg am Wagram von der Kanzel verkündet.

Die Veröffentlichung des Mirakelbuches erfüllte natürlich auch einen gewissen Werbezweck für die Kirchberger Wallfahrt.

Opfergaben

Im Mirakelbuch ist häufig von nicht näher bezeichneten Opfern die Rede, was wohl in Anbetracht der hohen vorhandenen Spendengelder Geldopfer gewesen sein dürften - nur einmal werden konkret 10 Gulden genannt. Wie bereits erwähnt, wurden die Spendengelder nach Abbruch der Kapelle für die Pfarrkirche verwendet. 

Als weitere Votivgaben sind im Mirakelbuch angeführt:

  • gespendete Messfeiern
  • Gliedmaßen aus Holz, Silber oder Wachs (auch kleine silberne Füßlein)
  • 2 Pfund Baumöl (Olivenöl)
  • 1 Wachskerze
  • dreitägige händische Arbeit am Gnadenort
  • silberne Opfer (wahrscheinlich Silbergeld)
  • Votivgaben aus Silber, z.B. eine Fischgräte in einem silbernen Kästchen
  • Ein Fuß aus Wachs vom Kaiserl. Königl. Proviant Beckenmeister aus Szegedin
  • Knochen und ausgeschiedene Steine
  • Krücken, die nun nicht mehr benötigt wurden
  • ein zersprungenes Gewehr
  • einen Cranz von meiner Handarbeit spendete eine Kremser Schneiderin
  • Votivtafeln  sind aufgrund eines Gelübdes (Verlöbnisses) als symbolisches Opfer insbesondere für die Rettung aus einer Notlage an einer kultischen Stätte dargebrachte Gegenstände. Im Gegensatz zur gekauften Massenware sind die Votivbilder nur auf Bestellung entstanden.

Die bildliche Darstellung enthält meist den Votanten (= jemand, der gemäß seinem gegebenen Gelübde ein Votiv anfertigen und aufstellen lässt) im Vordergrund, den Anlass der Votation in der Bildmitte und das Gnadenbild darüber. Im Mirakelbuch sind 73 Votivbilder genannt, insgesamt dürften aber etwa 200 Votivbilder vorhanden gewesen sein.

Von den genannten Opfergaben fehlt jede Spur. Außer einem einzigen Botivbild ist nichts erhalten geblieben. Dieses hing früher in der Pfarrkirche links vom Hochaltar. Jetzt befindet sich das Bild im Pfarrhof. Zu welchem Zeitpunkt es dort hinkam, ist nicht bekannt.  Es zeigt zwei Männer vor der Mariensäule und die Beschreibung erklärt, Ich Antonio Spitaller habe diese Opfer Tafel verlobt nacher Kürchberg am Wagram zu Maria auf der Saulen dass ich und mein Kammerhat mit ananter gegangen und ihm die flinten im gefehr ist losgangen. Schloss Breittenaih 1766.

 

Wallfahrtslieder

Nach längerem Suchen wurde Dr. Franz Groiß  im Bayerischen Nationalmuseum in München fündig: In der „Sammlung Kriß“ fand er ein Einzelblatt eines wahrscheinlich nur aus zwei Blättern bestehenden Liederheftchens, von dem die Außenseite erhalten ist. Obwohl sich eine große anzahl an Flugblattlieddrucken aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts erhalten hat, stellt dieses Blatt eine Rarität dar.

Es trägt den Titel: 

Vier schöne neue Kirchfahrt=Lieder
Von M a r i a  - T r o s t Z u   K i r c h b e r g   a m   W a g r a m

Das Erste:
Maria=Trost, zu tausenmalen,

Das Anderte:
Sey gegrüßt du Gnaden=Sonne,

Das Dritte:
Maria=Trost, schönste Schäferin,

Das Vierte:
Ave Maria, mit den Engels Gruß. 

Von den vier genannten Liedern sind im Text das erste und das dritte unvollständig, das zweite nicht vorhanden, das vierte ist vollständig erhalten. Es stellt eine Abwandlung des „Gegrüßet seist du Maria“ dar: 

Ave Maria, mit den Engels Gruß, ein
jeder Diener dich verehren muß, preisen
deine Reinheit, ohne Mackel allezeit, Frau voll
der Gnaden, mit den Engels Gruß.

Ave Maria, der Herr ist mit dir vor in
und nach dem Leben, voll der Gnaden hier, wür=
digst deine Jungfrauschaft, hat erhöcht die
Gottes Kraft, Frau voll der Gnaden, der
Herr ist mit dir.

Ave Maria, untern Weibern all, gebene-
deyt bis du in dein Gnaden=
Saal, samt der
Leibs=
Frucht Jesu Christ, weil Jesus dein
liebs Kindlein ist, frau voll der Gnaden, un=
tern Weibern all.

Ave Maria, wanns einmal soll seyn, dass
ich wird liegen in der Todes=Pein, da komm
zu hilf O Mutter mein, bitt laß mich dir befoh=
len seyn, und alle Schäflein groß und klein.

Eins thu ich dich bitten, O Trost=
Mut=
ter mein, thue uns allzeit behütten, von der
Höllen=Pein, hilf den armen Seelen dein, die
sogar erbärmlich schreyn komm zu hilf Maria,
Thu ein Trost=Mutter seyn.

Ach wie schmerzlich leyden, die armen See=
len dort, Schäflein thut euch doch erbarmen,
hier bey dem Gnaden=Ort, bittet für sie alle=
zeit, helft ihnen aus Creuz und Leyd, damit sie
einmal erlangen, die ewig Himmels=Freud.
E N D E

Die Vorderseite des Liederheftchens zeigt in der unteren Hälfte das Gnadenbild der Schutzmantelmadonna. Aufgrund des Charakters der Liedkopie ist der Bildteil als Holzschnitt anzunehmen. In dem Heftchen wird nicht mehr auf „Maria auf der Saulen“ eingegangen, sondern nur mehr vom Gnadenort gesprochen. Es ist also anzunehmen, dass die Lieder schon für die Wallfahrt in der Pfarrkirche verfasst wurden

Quellen
Franz Groiß, „Wallfahrt und Mirakelbuch von Kirchberg am Wagram Maria Trost“ Dissertation, Wien 2002
Franz Eiselt, Dissertation „Beiträge zur Geschichte des Marktes Kirchberg am Wagram unter besonderer Berücksichtigung des Zeitraumes 1650 – 1806“ Dissertation, Wien 1973
Otto Fandl, Zur Geschichte der Wallfahrt Maria Trost Kirchberg am Wagram, 1986
Franz Grieshofer, Wallfahrt, in: Die Via Sacra, Schriftenreihe „Denkmalpflege in Niederösterreich“, Bd. 23, St. Pölten
Richard Hübl, Die Geschichte der Marktgemeinde Kirchberg am Wagram, 1993
Anton Kerschbaumer, Die Geschichte des Bistums St. Pölten, 1875/76
Engelbert Kirschbaum, Lexikon der Christlichen Ikonographie, Bd. 3, Wien 1971
Rudolf Delapina, Unterlagen über die Marktgemeinde Kirchberg am Wagram im Gemeindeamt Kirchberg am Wagram
Pfarrchronik Kirchberg am Wagram 1836 – 1941 und 1942 – 2010

November 2013, letzte Änderung: Jänner 2024
Maria Knapp