Entnommen aus:

DEHIO-HANDBUCH
Die Kunstdenkmäler Österreichs; Niederösterreich nördlich der Donau, 1990

 

KIRCHBERG am Wagram. Gemeinde Kirchberg am Wagram. Polit. Bez. Tulln

MARKT auf der Anhöhe des Wagram; Kirchsiedlung mit planmäßigem Straßenplatz – Neolithische, frühbronzezeitliche, urnenfelder- und spätlatènezeitliche Funde. Urk. 1147. 1222 Mautstelle. 1493 Marktrecht und Wappenverleihung. – Auf der im S und O steil abfallenden Lößterrasse Altsiedlung mit leicht gekrümmtem Straßenplatz und im SO anschließenden dreieckigem Kirchplatz.

Um den Marktplatz geschlossene, überwiegend zweigeschossige Verbauung durch ehemalige Ackerbürgerhäuser, im Kern z. T. 17. Jh., Fassaden großteils 2. Hälfte 19.Jh. (späthistoristisch: Nr. 6 Gemeindeamt, erb. 1894, mit übergiebeltem Mittelrisalit, in der Einfahrt Dekorationsmalerei; Nr. 9, im Kern 16./17. Jh., mit gewölbtem Flur; Nr. 10, 1617 erbaut und neu bezeichnet, Fassade 1897; neoklassizistisch: Nr. 11, bezeichnet 1906; Nr. 15; Nr. 27, Bezirksgericht; secessionistisch: Nr. 13; Nr. 16 Sparkasse erb. 1910). – An der unterhalb des Wagram verlaufenden Kremserstraße dörfliche Verbauung mit einigen Zwerchhöfen. Ortserweiterung in Richtung Bahnhof, Ende 19./20. Jh. Im N Einfamilienhaussiedlung, 2. Hälfte 20. Jh.

PFARRKIRCHE hl. Stephan, weithin sichtbar, auf einer natürlichen Befestigung, dem sogenannten Kirchberg südöstlich des Marktplatzes. – Gotischer Staffelbau, 2. Hälfte 14.Jh., im 18. Jh. durchgreifend barockisiert. – Pfarre urk. 1147. 1726 neu gewölbt, bis 1803 dem Domkapitel Passau inkorporiert. – Rest. 1959/60.

Außenbau. Langhaus mit leicht erhöhtem Mittelschiff und Eckstrebepfeilern, seitlich Lunettenfenster, 1. Hälfte 18. Jh. Westseitig barocke Portalvorhalle vor hochgotischem Portal, 2. Hälfte 14. Jh., mit spitzbogig profilierter Laibung. Rechteckchor gleich hoch und nur wenig schmäler als das Mittelschiff; lisenengegliedert mit hohen Segmentbogenfenstern, im O vermauertes Maßwerkfenster, 1956 freigelegt. NO-Turm, quadratisch, im Kern mittelalterlich; an der N-Seite kleine gotische Spitzbogenfenster, in den beiden oberen Zonen barockisiert mit Ovalluken sowie rundbogig abgesetzten Schallfenstern mit geschweiften Verdachungen; Zwiebelhelm 1755, restlich 1929. Treppenturm im NO, 14. Jh., mit kleinen Dreipaßfenstern und barockem Glockenhelm. N-Vorhalle von 1832, übergiebelt mit Korbbogenportal, im Giebelfeld Stuckmedaillon Mariazeller Gnadenmadonna.

Grabstein Pfarrer Ignaz Scheiger, gest. 1835.

Inneres. Langhaus, 3schiffig, 4jochig. Im hohen Mittelschiff queroblonge Joche, bei der Barockisierung von 1726 Neuwölbung durch Stichkappentonne zwischen kräftigen Gurtbögen, sowie Umgestaltung der gotischen Pfeiler durch allseitig vorgelegte Pilaster mit ionischen Kapitellen und Kämpfern; zu den Seitenschiffen flachbogige Pfeilerarkaden, darüber Blendoratorien mit Segmentbogenöffnungen und Balustraden. Seitenschiffe mit längsoblongen, kreuzgratgewölbten Jochen zwischen Gurten, im O jeweils um ein rechteckiges Kapellenjoch mit rundbogigem Durchgang zum Chor verlängert. – Orgelempore, dreiteilig, flachbogig; im Mittelschiffbereich stichkappenunterwölbt, seitlich Kreuzgratgewölbt. – Chor, leicht erhöht und eingezogen mit abgerundetem Schluß; Gliederung und Wölbung dem Langhaus entsprechend; Oratorien mit Segmentbogenöffnungen. – N-Sakristei flach gedeckt; S-Sakristei kreuzgewölbt.

In Langhaus und Chor Dekorationsmalerei von Josef Klenkhart, 1906 und 1910. – Glasmalerei Herz Jesu, Schmerzensmutter, barmherziger Samariter, Jesus mit Krieger, Christus und Magdalena, bezeichnet 1919, hl. Cäcilia 1888.

Einrichtung. Barocker Hochaltar, Säulenaufbau aus Stuckmarmor mit Volutenaufsatz; Altarblatt, Steinigung des hl. Stephanus, bezeichnet C.I. Carlone, 1712; ovales Oberbild, Gottvater umgeben von Engeln; Seitenfiguren Hll. Petrus und Paulus. Auf der Mensa barocker Tabernakel von Putti gekrönt mit seitlichen Engelfiguren, dahinter Gnadenstatue Maria auf der Säule, urk. 1674 gespendet, aus der 1783 aufgehobenen Wallfahrtskapelle Mitterstockstall. – Seitenaltar in der N-Kapelle, barocker Säulenaufbau, bezeichnet mit Chronogramm, renoviert 1756; anstelle des ehemaligen Altarblattes Figur Herz Jesu von Wilhelm Ruß, 1912; barocke Seitenfiguren Hll. Franz von Assisi und Clara. – Seitenaltar der S-Kapelle, barocker Altaraufbau auf Stuckmarmor; in der Mittelnische Kopie einer gotischen Madonnenfigur um 1420 (Original im Diözesanmuseum Wien); Seitenfiguren Hll. Dominikus und Katharina von Siena. – 2 einander entsprechende spätbarocke Wandaltäre, an den beiden Seitenschiffwänden im O; li. Altarblatt Maria Immaculata, bezeichent Martin Johann Schmidt 1771; Seitenfiguren Hll. Katharina und Barbara; re. Altarblatt hl. Rosalia, bezeichnet Johann Georg Schmidt, 1725; Seitenfiguren Hll. Cosmas und Damian; Stipesschrein mit Liegefigur hl. Rosalia. – Seitenaltar, an der südlichen Seitenschiffwand im W; spätbarock mit Volutenaufsatz, Altarblatt Hl. Familie, Schule Paul Troger (?), um 1771; Seitenfiguren Hll. Joachim und Anna.

Kanzel spätbarock, Mitte 18. Jh., mit reichem Schnitzdekor und Reliefs Pfingstwunder, Daniel in der Löwengrube; auf dem Schalldeckel Figuren Glaube, Hoffnung und Liebe sowie Allegorien von Kirche und Synagoge. – Blindkanzel, spätbarock, mit Reliefs Leben des hl. Johannes Nepomuk. – Orgel von Ignaz Gatto, 1781. Figuren Hll. Leopold und Karl Borromäus, 2. Viertel 18. Jh. – Kruzifix 1. Viertel 18. Jh. – Relief Taufe Christi, Mitte18. Jh., in Rokokorahmen. Leinwandbilder, 2 ehem. Altarblätter Hll. Wendelin und Florian, bezeichnet Martin Johann Schmidt, 1771. – 2 Heiligenbilder Hll. Antonius von Padua und Aloysius, 1. Hälfte 19. Jh. (in Verwahrung). – Kreuzwegbilder, 2. Hälfte 18. Jh. Umkreis des Martin Johann Schmidt. – Barocker Taufstein, in der Vorhalle, 1. Hälfte 18. Jh., mit Muschelbecken. Rotmarmorner Taufstein in gotischen Formen mit Kupferdeckel, 20. Jh. – Barockes Chorgestühl, 1. Hälfte 18. Jh. – Sakristeischränke, Rokoko, Mitte 18. Jh.

Grabsteine. Im nördlichen Seitenschiff Grabplatte Pfarrer Ulrich und Eltern Gerung und Eteolda mit Ritzmedaillons des Verstorbenen und Lamm Gottes, gotische Minuskelinschrift bezeichnet 13. – In der W-Vorhalle Marmorgrabstein Pfarrer Hans Hippelsdorfer, gestorben 1405, mit Relief und gotischer Minuskelinschrift. – Grabplatte Clara Beer, gest. 1710; Justus Pfaller, gest. 1702; Bartholomäus Zaller, gest. 1715. – Glocken von Franz Josef Scheichel 1782, 1946, 1949

Pfarrhof, gegenüber der Kirche; 2geschossiger Bau, 1. Hälfte 18. Jh.

EHEM. BÜRGERSPITAL, Kremserstraße. Langgestreckter zweigeschossiger Barockbau. Im O anschließend Kapelle hl. Paul, mit Stifterinschrift Paul Zherniz 1687. Nördlich orientierter, schlichter Bau mit eingezogener Rundapsis. Über der in den Fassadenspiegel des ehemaligen Spitalgebäudes integrierten S-Front abgeflachter Giebel mit aufgesetztem Dachreiter und Pyramidenhelm. Rechteckportal mit profilierter Steinlaibung, darüber abgesetztes Korbbogenfenster. Im Giebelfeld und an den Langhausseiten Lunettenfenster. – Innen 2jochiges Platzlgewölbe zwischen Gurten, Apsiskonche mit flachbogigem Triumphbogen. – Ehem. Spitalsgebäude, 8achsige Front, faschengegliedert mit stuckierten Fensterparapeten. Im Obergeschoß spätbarocker Stuckspiegel.

HÄUSER. Marktplatz, Nr. 5: Rathaus, 2geschossig, mit 4achsigem Mittelrisalit und Putzbandgliederung, 2. Hälfte 19. Jh., Rest 1896.
Nr. 7: (Baumeister Becker, Anm. d. Verf.) Ehemaliges Färberhaus. 2geschossiger barocker Bau, im Kern vermutlich älter; Korbbogenportal mit Diamantquaderung, bezeichnet 1733; Obergeschoßfassade mit Blendarkaden, 1. Hälfte 19. Jh. Innnen platzlgewölbte Einfahrt, im Erdgeschoß Kreuzgewölbe mit Stuckgraten. Im quergelagerten ehemaligen Färbereitrakt Stoffdruckpresse aus Holz, bez. 17.. und 1834.
Nr. 18: (Familie Kolar, Anm. d. Verf.) 2geschossiger Bau mit Walmdach und Ortsteinquaderung; Korbbogenportal mit Prellsteinen und Wappen der Familie Beer, bezeichnet J.B.C.1691. Innen bemerkenswerte Stuckdecken aus der Bauzeit, Lebensbaum mit Bären, Stuckmedaillon mit Pelikan; Hl. Geist-Taube umgeben von Akanthusdekor; Stuckspiegel mit Pelikan und Madonna.
Nr. 27: (ehemaliges Bezirksgericht, Anm. d. Verf.) Monumentaler neoklassizistischer Bau von Franz Österreicher, 1912/13, 3geschoßig, hofseitig Gefangenenhaus.
Nr. 29: (Bäckerei Blauensteiner, Anm. d. Verf.) Barockes Bürgerhaus, am Korbbogenportal bezeichnet 1744, mit secessionistischer Fassade, Anfang 20. Jh. Innen Kreuzgewölbe mit Stuckgraten, im Obergeschoß barocke Stuckspiegel, um 1740. –
Nr. 30: Ehemaliges Rathaus. 2geschossiger Bau, 17. Jh., mit Speichergeschoß 1. Hälfte 18. Jh.; Fenster mit profilierten Steingewänden und Verdachungen, darüber Ovalluken; eingemauertes Marktwappen. Innen Kreuzgewölbe mit Putzgraten.
Nr. 31: (Familie Moosbauer, Anm. d. Verf.) Renaissancebau mit Eckerker, 2geschossig mit Konsolgesims; Korbbogenportal mit Rustikarahmung, bez. 1611; Fenster mit profilierten Steingewänden und stuckierten Parapeten, am Erker floraler Stuckdekor. Innen im Erdgeschoß Stichkappentonne mit Putzgraten, im Obergeschoß Stuckspiegel 1. Hälfte 18. Jh.
Bahnhof, Aufnahmegebäude von 1872.

KLEINDENKMÄLER. Am Marktplatz: Dreifaltigkeitssäule, frühklassizistisch, bezeichnet 1780, renoviert 1870, restauriert 1962. Auf hohem 3seitigem Sockel Obelisk mit Volutenkapitell umgeben von Figuren Hll. Sebastian, Rosalia, Florian und Donatus, bekrönt von Dreifaltigkeitsgruppe; 8seitige Steinbalustrade mit aufgesetzten Vasen im Zopfstil. – Marktsäule, quadratischer Pfeiler mit Rolandfigur und Marktwappen, bezeichnet Alois Schiel. – Kriegerdenkmal von demselben. – Figur hl. Johannes Nepomuk, am „Katzensprung“, bezeichnet 1865. – Pietà-Säule, am Kirchplatz; Säule mit gewundenem Wolkenband und Pietà-Gruppe, Ende 17./Anfang 18. Jh. – Soldatenkreuz, Georg Rug-Straße; abgefaster Pfeiler mit aufgesetztem Tabernakel, profilierten Rechtecköffnungen und Pyramidendach, bezeichnet Georg Rug, 1635. – Pfeilerbildstock, im N des Ortes, mit Quaderaufsatz und Hl. Dreifaltigkeit, 1797 errichtet, renoviert 1852. – Sogenannte Ursprungskapelle, an der Straße nach Mitterstockstall; Breitpfeilerbildstock mit Rundbogenöffnung, bez. J.C.B. 1676.

 

17. April 2012
Maria Knapp