In Kirchberg kam es anlässlich einer Wahlversammlung, bei der der Wiener Bürgermeister Dr. Lueger und der Abgeordnete Leopold Steiner sprachen, zu tumultartigen Szenen, die auch das Gericht beschäftigen. Berichte darüber - aus den verschiedenen politischen Standpunkten aus betrachtet - wurden von vielen Zeitungen veröffentlicht.

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Die Presse vom 12.10.1896

Prügeleien zwischen Deutschnationalen und Christlich-Sozialen.
Aus Kirchberg am Wagram wird uns berichtet: „In das hiesige Gemeindewirtshaus war gestern eine Wählerversammlung einberufen worden, in welcher nebst dem Kandidaten Reichsraths-Abgeordneten Steiner auch Wien-Bürgermeister Dr. Lueger über die bevorstehenden Landtagswahlen sprechen sollte. Kurz nachdem Abg. Steiner seine Rede begonnen hatte, ging ein Skandal los. Im Hintergrunde des Saales ertönte plötzlich ein Ruf: „Ah, der dumme Kerl von Baumgarten!“ In Folge dessen geriethen die Christlich-Sozialen und die Deutschnationalen in ein Handgemenge. Die Christlich-Sozialen, welche die entschiedene Mehrheit bildeten, drängten eine Anzahl von Gegner gewaltsam aus dem Saale hinaus. Nach dieser Prozedur wollte Steiner abermals seine Rede beginnen, wurde jedoch wieder unterbrochen, worauf unter ohrenbetäubendem Geschrei der Skandal neuerdings losging und wiederum einige Gegner aus dem Saal befördert wurden. Ein nochmaliger Versuch Steiners zu sprechen, gab jedoch das Signal zu einer argen Prügelei. Die Christlich-Sozialen fielen über die noch anwesenden Deutschnationalen her. Man lieferte sich ein förmlichen Gefecht mit Stühlen und Biergläsern. Zu der Versammlung waren etwa 1000 Personen erschienen, welche bald einen wirren Knäuel bildeten, in welchem man weder Freund noch Feind erkennen konnte und aus welchem unausgesetzt Geschrei und hie und da Jammerrufe ertönten. Ein Deutschnationaler, welcher den Ruf: „Oba mit ihm!“ ausgestoßen hatte, wurde sofort von einer ganzen Schaar Christlich-Sozialer verfolgt und konnte sich nur mit Mühe durch die Flucht über das Dach des Hauses vor Mißhandlungen retten. Vergebens suchten Dr. Lueger und Steiner beruhigend zu wirken. Erst nachdem es den Christlich-Sozialen gelungen war, die sämmtlichen deutschnationalen Widersacher aus dem Versammlungslokale hinauszuwerfen, trat Ruhe ein. Es zeigte sich nun, daß zahlreiche Personen heftig blutende Wunden erhalten hatten, welche dieselben am nahen Brunnen reinigten. Sehr arg wurden der Schönerer’sche[1] Kandidat List, Advokat Mühlfeld aus Krems und ein Herr Mehofer zugerichtet. Der Letztere mußte durch einen Arzt verbunden werden. Steiner hielt nach der Prügelei seine Rede, ebenso Dr. Lueger. Der deutschnationale Kandidat List, welcher der Versammlung beiwohnte, kam nicht zum Worte. Nach dreistündiger Dauer wurde die Versammlung geschlossen.

(Linzer) Tagespost vom 13.10.1896

Der gestrige Sonntag wurde von den Christlichsozialen ausgenützt, zu einer Reihe von Versammlungen auf dem flachen Lande, von denen jene in Kirchberg am Wagram und in Klosterneuburg äußerst tumultuös verliefen. Ein Berichterstatter meldet hierüber Folgendes: In der antiliberalen Versammlung in Kirchberg sprach zunächst Dr. Lueger zu Gunsten der Kandidatur des Abg. Steiner. Als dann letzterer selbst das Wort ergriff und über den von den Deutschnationalen aufgestellten Gegenkandidaten List in abfälliger Weise sprach, brachen die anwesenden Nationalen in Zwischenrufe aus. Die Christlichsozialen warfen sich nun auf die Ruhestörer und unter den Worten: „Hinaus mit den Skandalmachern!“ hieben sie mit Stöcken und Fäusten auf die Deutschnationalen ein. Letztere waren in der Minderheit und mussten mit blutigen Köpfen den Versammlungsort verlassen. Zur Aufrechterhaltung der Ruhe musste Gendarmerie requiriert werden. Unter den Geprügelten und Hinausgestoßenen befanden sich auch der Advokat Dr. v. Mühlwerth und der deutschnationale Kandidat Franz List. Es heißt, dass letzterer eine schwere Verletzung habe. Auch einige seiner Freunde sind bedenklich verwundet worden. Der Vorfall dürfte jedenfalls ein gerichtliches Nachspiel haben.

Kremser Zeitung vom 18.10.1896

Wählerversammlung.
Die Stänkerer-Partei, das sind die Schönerianer, empfing vergangenen Sonntag den 11. d. M. hier den verdienten, ihnen schon längst gewünschten Lohn für ihre Thätigkeit, die nur im Krawallmachen besteht: Sie wurden aus einer Versammlung von Bauern buchstäblich hinausgejagt! Die Schönerianer hatten sich verrechnet, als sie dachten, die politische Meinung der Bauern durch Skandalmacherei zu ändern oder die Leute einzuschüchtern. Unsere Landbevölkerung glaubte lange nicht, daß diese Parteigruppe nur Skandal mache zu Gunsten der Judenliberalen und der anderen Feinde des Volkes. Endlich durchschaute sich das unwürdige Treiben und nun läßt sie sich diese Stänkerer nicht mehr gefallen. Den Vorsitz der Versammlung führen die Herren Bürgermeister Roskopf und Dr. Roth. Schon von Anfang an störten die Schönerianer durch beleidigende Zwischenrufe und sie hofften die Versammlung durch ihr Lärmen zur Auflösung zu bringen. Sie hatten ihre Rechnung indessen ohne den Wirt, das heißt ohne die Versammlungstheilnehmer gemacht. Sie wurden mehrmals zur Ruhe gemahnt und als dies nichts nützte, einfach hinausgeworfen, wie es einem jeden Stänkerer gebührt. Unter denen, welchen die passierte, befand sich auch der früher hier ansässige und jetzige Kremser „Rechtsgelehrte“ Dr. v. Mühlwerth, der Leibadvokat des Rosenauer Millionärs (Anm: Georg von Schönerer). Die Versammlung, die von mindestens 2000 Personen besucht war, nahm sodann einen glänzenden Verlauf und bildete wirklich einen Triumpf der Abgeordneten Dr. Lueger und Steiner. Abg. Steiner wurde einstimmig als Kandidat aufgestellt.

Der Verlauf der Versammlung war kurz folgender: Hunderte von Plakaten mit der Aufschrift „Ein ernstes Wort“ luden die bäuerliche Bevölkerung in der gehässigsten Weise ein, der Kandidatur des Abgeordneten Steiner sich zu widersetzen. Nebst anderen Angriffen wurde derselbe lügenhaft als „bezahlter Stadtrath der Residenzstadt Wien“ bezeichnet, der wieder ein bezahltes Mandat erschaffen will. Die schönerianischen Hetzen und Angriffe brachten unter der Bevölkerung eine gewisse Strömung hervor, die sich gegen die Hetzer selbst richtete. Das Versammlungslokal war förmlich belagert. Die Versammlung selbst fand im Garten und Hofe des großen Gemeindegasthauses statt. Die Schönerianer unter Führung des Dr. v. Mühlwerth hatten schon lange vor der angesagten Stunde die im Garten befindlichen Tische besetzt und als Dr. Lueger mit dem Abgeordneten Steiner unter Hochrufen der tausendköpfigen Menschenmenge erschien, wurde er von den Schönerianern, die mit Kornblumen im Knopfloche angezogen kamen, mit spöttischen Bemerkungen empfangen. Dr. Lueger trat sofort an Dr. v. Mühlwerth mit dem kollegialen Ersuchen heran, die Störung oder gar, wie es scheine, die beabsichtigte Sprengung der Versammlung zu verhüten, da er ihnen volle Redefreiheit gewährleiste. Dr. v. Mühlwerth gab sich damit zufrieden und so wurden er und sein Gesinnungsgenosse Mehofer noch vor Beginn der Versammlung als Redner vorgemerkt. Als jedoch der Abgeordnete Steiner dann seine Kandidatenrede begann, brachen einzelne Anhänger Schönerer’s in höhnische Zurufe aus, wodurch sie die Bauern in Erregung brachten. Als aber die Schönerianer über einen Gegenruf in Beschimpfungen verfielen, kam es zu einer kleinen und unbedeutenden Thätlichkeit, die plötzlich zu einem blutigen Handgemenge führte, im Verlaufe dessen die Schönerianer eiligst das Feld verlassen mußten, so daß sodann vollständige Ruhe eintrat und der Abgeordnet Steiner seine Kandidatenrede halten konnte und auch einstimmig als Kandidat aufgestellt wurde. Herr Karl List, Vetter des Gegenkandidaten wendete sich in scharfen Worten gegen das Vorgehen der Schönerianer und verurtheilte in ebenso entschiedener Weise die Kandidatur des Franz List, der früher für den Abgeordneten Bergani und das „Deutsche Volksblatt“ durch „Dick und Dünn“ gegangen sei, plötzlich aber als Schönerianischer Kandidat auftrete…

Während die Versammlung ihren Verlauf nahm, umtobten etliche Schönerianer das Haus, so daß Bürgermeister Roskopf wiederholte seines Amtes walten und schließlich die Hilfe der Gendarmerie in Anspruch nehmen mußte. Als die Versammlung unter einem brausenden Beifallssturme schloß und die Menge aus dem Hofe auf den Marktplatz drängte, verschwanden die Schönerianer oder wurden doch ruhig, so daß die beiden Abgeordneten Dr. Lueger und Steiner unter brausenden Hochrufen, die in allen Gassen erschollen, ungehindert zum Bahnhof fahren konnten.

Die Erwiderung des Dr. von Mühlwerth auf diesen Artikel

in der Ostdeutschen Rundschau vom 18.10.1896
Zur Versammlung in Kirchberg am Wagram.
Über den Verlauf der bekanntlich so stürmischen Wählerversammlung in Kirchberg am Wagram und über die Art und Weise meiner Betheiligung an derselben sind so unwahre Gerüchte in die Öffentlichkeit gelangt, daß ich mich veranlaßt sehe, Sie zu bitten, zur Steuer der Wahrheit folgende Richtigstellung in Ihr geschätztes Blatt aufzunehmen:

Der Beginn der Versammlung verlief bis auf wenige Zwischenrufe vollkommen ruhig, und Abg. Steiner hatte etwa 5 – 6 Minuten gesprochen, als ein junger Mensch, welcher wahrscheinlich aus Wien mit den Christlichsozialen mitgekommen war, den Gegenkandidaten List in unqualifizierter Weise beschimpfte. Daß die Anhänger List’s sich dies nicht ruhig gefallen lassen konnten, war wohl natürlich; sie begehrten heftig die Entfernung dieses jungen Menschen aus dem Versammlungsraume.

Ich bin überzeugt, daß die ganze Versammlung vollkommen ruhig zu Ende geführt worden wäre, wenn der Vorsitzende Dr. Roth die Entfernung desselben verfügt und hiedurch die erregten Gemüter beschwichtigt hätte; dies geschah aber nicht, sondern Wiener Christlichsoziale fielen sofort wie besessen über die Schönerianer her.

Es ist daher eine politische Tartüfferie allerersten Ranges, die an dieser Stelle festgenagelt zu werden verdient, wenn die christlichsozialen Blätter davon sprechen, daß die Schönerianer den Skandal provoziert hätten, und daß Schönerer das Verschulden an dem Blutvergießen treffe. Wenn die Schönerianer die Versammlung zu sprengen beabsichtigt hätten, hätten sich gewiß nicht zwei derselben – darunter ich selbst – zum Worte gemeldet, denn dieses Zumwortmelden hätte doch anderenfalls gar keinen Sinn gehabt. Niemandem kam es unerwünschter als gerade mir, daß die Verhältnisse es unmöglich machten, meine von den Anschauungen der Redner mehrfach abweichende Meinung auszusprechen…..

Und wenn die Herren von der schwarzen Garde jetzt wieder einmal Morgenluft wittern, so wird es unsere Aufgabe als Deutschnationale sein, Deutschthum und Freiheit gegen sie mit aller Kraft zu verteidigen.

Wir wollen nicht vom Regen in die Traufe kommen, wir wollen nicht die Judenherrschaft abgeschüttelt haben, um dafür das Joch der Geistesknechtschaft zu tragen. Den Sieg werden doch schließlich wir erringen trotz der augenblicklichen Bedrängung, denn unsere Sache ist gut und edel, gerecht und wahr!
Mit germanischen Gruße
Ihr ergebener Dr. Albert v. Mühlwerth.
Krems 16.Oktober 1896

Ostdeutsche Rundschau vom 19.10.8196

Nachklänge zur Versammlung in Kirchberg am Wagram.
Die hiesige Staatsanwaltschaft hat aus Anlaß der vorigen Sonntag in Kirchberg am Wagram abgehaltenen Landtags-Wählerversammlung eine strafgerichtliche Untersuchung angeordnet. Dieselbe erstreckt sich auf eine Reihe von Versammlungsteilnehmern, die von der Gendarmerie zur Anzeige gebracht wurden und wird in der Richtung der öffentlichen Gewalttätigkeit, eventuell Körperverletzung geführt.

 

St. Pöltner Bote vom 22.10.1896

Eine Wählerversammlung mit stürmischen Szenen.
In der in der vorigen Wochen hier abgehaltenen Wählerversammlung, bei welcher der Abgeordnete Steiner seine Kandidatenrede hielt, kam es zu so erregten Auftritten, dass zur Herstellung der Ordnung die Gendarmerie herbeigerufen werden musste. Um nämlich für den Bauer List, einen Anhänger Schönerers, Stimmung zu machen, provozierten die Schönerianer in der Versammlung einen Skandal, damit Steiner so gehindert werde, seine Kandidatenrede zu halten. Nachdem jedoch die Gendarmerie Ordnung geschaffen hatte, konnte die Versammlung ohne Störung zu Ende geführt werden.

Die Erwiderung von Dr. Roth auf den Artikel von Dr. von Mühlwerth

in der Ostdeutschen Rundschau vom 25.10.1896
Unter Bezug auf die in unserem Blatte vom 18. Oktober d. J. veröffentlichte Zuschrift des Herrn Dr. von Mühlwerth über die bekannten Vorgänge in der Versammlung zu Kirchberg am Wagram erhalten wir von Herrn Dr. Rudolf Roth in Kirchberg ein längeres Schreiben, welches eine Berichtigung im Sinne des Preßegesetzes darstellen soll, in der That aber sowohl in Form als Inhalt weit über den Rahmen einer Berichtigung hinausgeht und in der Hauptsache eine Polemik gegen Dr. v. Mühlwerth ist. Wir haben daher keine Veranlassung, diese Berichtigung im Wortlaute abzudrucken, wollen aber lediglich zur Klarstellung der Sache selbst einiges Thatsächliche aus dieser „Berichtigung“ anführen. Herr Dr. Roth erklärt unter Anderem Folgendes:

„Ich wurde in meiner Eigenschaft als erste Gemeinderath in Kirchberg von den Herren Leopold Steiner und Dr. Lueger am 11. Oktober 1896 ersucht, den Vorsitz in dieser Wählerversammlung zu übernehmen. Nach den getroffenen Vereinbarungen mit den angemeldeten Rednern der verschiedenen politischen Richtungen und da in Folge dessen die Versammlung voraussichtlich einen ganz ruhigen Verlauf nehmen werde, erklärte ich mich, ganz abgesehen von meiner politischen Gesinnung, blos in meiner Eigenschaft als erster Gemeinderath bereit, der Vorsitz zu übernehmen, und wurde mir von Herrn Dr. Lueger des Verzeichnis der angemeldeten Redner übergeben. Schon gleich bei dem Erscheinen der Herren Dr. Lueger und Steiner auf der in dem Rittler’schen Gasthausgarten errichteten Rednertribüne begann von den beiden anwesenden Parteien, den Christlichsozialen und den Schönerianern, ein Geschrei mit Hochrufen und sonstigen Zwischenrufen, welches erst über wiederholte Aufforderung von mir und den beiden obgenannten Herren sich so weit gelegt hatte, daß Herr Steiner seine Kandidatenrede beginnen konnte. Richtig ist, daß ein junger, mir nicht bekannter Mann während dieser Rede eine beleidigende Aeußerung über den nicht anwesenden Landtagskandidaten Herrn List von Baumgarten gemacht hat, worüber ich ihn sofort energisch zurecht gewiesen habe, seine Entfernung aus der Versammlung von mehr als 1000 Personen jedoch nicht veranlassen konnte, weil sofort ein großes Geschrei seitens der Schönerianer entstand und viele Personen aus Furcht sich um die Rednertribüne drängten und dieselbe, in so weit es der Raum gestattete, bestiegen und dadurch jede Thätigkeit des Vorsitzenden gelähmt war. Uebrigens waren auch keine zur Aufrechterhaltung der Ordnung erforderlichen Organe vorhanden. Der entstandene Lärm ging nach einigen Minuten in eine förmliche Schlägerei über und jedes beschwichtigende Wort des Vorsitzenden blieb in dem entstandenen Tumulte wirkungslos. Es ist daher unrichtig, wenn Herr Dr. v. Mühlwerth behauptet, daß dieser Exzeß von dem Vorsitzenden durch die Entfernung des jungen Menschen hätte verhindert werden können“. Nach einer längeren, in einer Berichtigung unstatthaften Polemik gegen Dr. v. Mühlwerth stellt Dr. Roth die Anschauung des Letzeren, daß er (Roth) ein Christlichsozialer sei, dahin richtig, „daß er weder ein Christlichsozialer, noch vielweniger ein Schönerianer sei und sein Augenmerk in politischer Beziehung weder nach Berlin, noch nach Rom richte. Er sei österreichischer Staatsbürger, und zwar ein Deutscher von Geburt, Erziehung und Gesinnung und habe seine politische Gesinnung niemals gewechselt.“ Wir hoffen, daß nun die Erörterungen über die denkwürdige Kirchberger Versammlung abgeschlossen sind.

Kremser Zeitung vom 25.10.1896

Vom Lande. (Netto wie in Ungarn.)
Herr List aus Baumgarten beliebte am vorigen Sonntage in seiner Kandidatenrede die Schönerianer als die unschuldigsten Lämmlein hinzustellen. Aber – die Sache hat leider eine Kehrseite. Zur Bestätigung folgender Vorfall. Am 11. d. M. kam es zwischen den Anhängern Lueger’s und Schönerer’s im Gasthaus zu einem Streite. Besonders thaten zwei jungen Lehrer sich hervor; wurden aber hübsch zurückgewiesen. Da lockten sie einen dritten Lehrer und einen Schneidermeister in das Wirtshaus eines anderen Ortes. Die Wirtin gab, da es schon Mitternacht war, den Wein ihnen auf die Gasse hinaus. Um 4 Uhr früh machten sich nun die zwei Lehrer als eifrige Anhänger Schönerers über jenen Schneidermeister her, beschimpften ihn auf der Gasse wegen seiner Gesinnung und schließlich prügelten und würgten sie den armen Mann derart, daß er nur mühsam sich heimschleppen konnte; ja wäre nicht der dritte Lehrer gewesen, sie hätten ihn vielleicht sogar umgebracht. Die Sache ist übrigens auch beim Bezirksschulrathe anhängig. So benehmen sich die Anhänger, und zwar die gebildeten des Herrn List.

Reichspost vom 16.2.1897

Korneuburg. Die Wahlschlacht in Kirchberg am Wagram
Anläßlich einer Wählerversammlung, bei welcher auch die Abgeordneten Dr. Lueger und Steiner anwesend waren, kam es zu einem Excesse der anwesenden Schönerianer, welche mit Stöcken und Biergläsern auf die Christlich-Sozialen dreinschlugen. Der Grundbesitzer Anton Weiß aus Mallon hatte sich nun vor dem hiesigen Kreisgericht zu verantworten, weil er bei dieser Gelegenheit den Grundbesitzer Lorenz Mehofer am Kopfe schwer verletzt hatte. Weiß wurde zu zwei Monaten Kerkers und 115 fl Schadenersatz verurtheilt.

Die Landtagswahl fand am 27.10.1896 statt. Leopold Steiner wurde zum Abgeordneten für das Gebiet Tulln-Atzenbrugg-Kirchberg am Wagram-Klosterneuburg gewählt. Er behielt diese Funktion bis 1907 und kandidierte dann für seinen Heimatbezirk Döbling.

Näheres zu Leopold Steiner siehe hier.

[1] Georg Heinrich Schönerer (* 17. Juli 1842 in Wien; † 14. August 1921 auf Schloss Rosenau) war ein österreichischer Gutsherr und Politiker. Schönerer hatte von 1879 bis zur Jahrhundertwende Bedeutung als Führer zunächst der Deutschnationalen und später der Alldeutschen Vereinigung. Er war ein heftiger Gegner des politischen Katholizismus, ein radikaler Antisemit und übte starken Einfluss auf den jungen Adolf Hitler aus, der ihn als eines seiner Vorbilder ansah.

Quelle und Foto:
https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_von_Sch%C3%B6nerer

 

Jänner 2021
Maria Knapp