Leopold Engelberger, Schulleiter in Winkl       

Schulleiter Leopold Engelberger beschreibt in der Schulchronik Winkl, Teil 1,  die Rückkehr aus Krieg und Gefangenschaft und seinen Neustart als Lehrer in Winkl:

In der Zeit, in der Österreich ein Bestandteil Deutschlands war, wurden viele Österreicher nach Deutschland versetzt. Auch ich wurde in Oberfranken angestellt und wohnte mit meiner Familie in Trebgast bei Bayreuth.

Von 1938 im Nov. bis 1946 Ende Okt. war ich fast ununterbrochen eingerückt. Im Sommer 1944 geriet ich in Gefangenschaft und kam am 4. Nov. 1944 mit 39 1/2 kg nach England. Die Schlammlager Frankreichs werde ich nie vergessen.

Am 23. Okt. 1946 kam ich aus der Gefangenschaft nach Hause. Unser 3. Kindchen, das ich nun zum 1. Mal sah, war inzwischen 2 Jahre und 1 Monat auf den Tag genau alt geworden. Beinahe 3 Jahre hatte ich die Meinen nicht gesehen.

Die Lebensverhältnisse in Bayern, das von den Amerikanern besetzt war, waren unvorstellbar schlecht. Man bekam überhaupt nichts zu kaufen. Kein Heft, keinen Reißnagel, von Schuhen und Kleidern gar nicht zu reden. Ein ½ kg Nägel wurde gegen ½ kg Butter vertauscht, 1 Zigarette im Schleichhandel um 7 – 10 RM verkauft, der Tagesverdienst eines Arbeiters betrug 5 – 8 RM. Pro Familie gab es für das ganze Jahr 3 m (Raummeter) Holz, Kohle überhaupt nicht. Im Jahr 1948 sogar nur 1 m3.

Die Rationen für den Tag: 10 Gramm Fleisch, 3 Gramm Fett, 150 Gramm Brot, 650 g Kartoffeln. Davon war die große Masse der Bevölkerung gezwungen zu leben.

Im Sommer 1947 wurden Repatriierungstransporte wieder aufgenommen und am 2. Sept. ½ 6 h abends fuhren wir von Trebgast weg. Am 3. Sept. 1100 von München. In einem Viehwagen waren 18 Personen untergebracht (mit Reisegepäck). Die Kinder saßen auf den Koffern und schliefen auf ihnen. Am 4. Sept. vorm. kamen wir nach Linz, erhielten die Identitätsausweise und konnten auf eigene Kosten und Gefahr weiterreisen.

In Linz holte uns mein ehem. Major vom Bahnhof ab. Frau und Kinder legten sich ein paar Stunden hin. Als wir durch Linz gingen, wußten wir, wieder in der Heimat zu sein. Scheiben in den Fenstern, kein Schutt auf der Straße, Auslagen mit einer Menge schöner, lange nicht mehr gesehener Dinge, gepflegte, gut angezogene Menschen. Freundliche Gesichter. – Nun wußte ich, wie es einem ist, der heimkehrt, heimkehrt nach langer, weher Zeit.

In der Nacht um ½ 2 h fuhren wir nach Wien weiter. Der Schaffner suchte für uns (die Frau und die 3 kleinen Kinder) Sitzplätze. Auch das war seit Jahren nicht mehr erlebt. Ich danke diesem unbekannten Zugschaffner!

Am 6. Sept. mittags kamen wir zu meiner Schwester nach Engelmannsbrunn. – Die Kinder konnten sich nun nach Jahren zum ersten Mal richtig satt essen – mit guten, kräftigen Sachen. Sie nahmen in den ersten 4 Wochen jedes 5 kg zu. Die Frau wog 47 kg als wir in Engelmannsbrunn ankamen, als wir nach Winkl kamen 61. – Die Weinlese war ein freudiges Fest. Die Kinder taten sich an den Trauben gütlich. Der Most wog 22 ° Klosterneuburger Waage. Ein seltenes Jahr.

Am 1. Okt. reichte ich um Verwendung in den Schuldienst ein und am 2. Nov. bekam ich meine Bestellung. Wir waren froh und glücklich. Niemals in meinem Leben werde ich vergessen, wie alles helfend sich bemühte. Unser liebes, gutes Volk!

Herr Oberlehrer Trimmel aus Engelmannsbrunn, Herr Oberlehrer Popek aus Neustift und Herr B.S.Insp. Matyas seien besonders erwähnt und ihnen von ganzem Herzen gedankt. Nicht in meinem Namen allein, sondern im Namen der Kinder, die nun eine frohe und unbeschwerte Kindheit und Jugend durchleben dürfen, in geordneten Verhältnissen heranwachsen können und – so hoffe ich von ganzem Herzen – in einer menschlicheren Zeit und damit in einer guten Zeit leben dürfen.

Leopold Grill, Winkl 

Kurz vor Ende des Krieges sollte ich mit meiner Einheit – 250 Mann stark -  von Pistriza in der Tschechoslowakei zu Fuß nach Linz marschieren. Ich ging mit einigen anderen mit den Sanitätern etwa 1 km hinter dem Haupttrupp, als uns ein Aufklärer der Amerikaner überflog und Granaten abwarf. Es gab Tote und Verletzte, wer konnte, rannte in irgendeine Richtung davon. Ich rannte mit einem Kameraden aus Meiseldorf  in eine nahe Au. Ein Kamerad hatte einen Splitter in die Stirn abbekommen und war bewusstlos. Diesen schleppten wir mit uns. Der Trupp hatte sich mehr oder weniger aufgelöst, wir kümmerten uns jedenfalls nicht mehr darum, sondern flüchteten uns zu dritt in ein nahes Haus, wo wir aufgenommen wurden. Sanitäter kamen, um nach dem Verletzten zu sehen, wir hätten uns melden sollen, taten dies aber nicht – es ging ohnehin schon aller drunter und drüber. 

Wir blieben dort etwa 8 Tage, dann machten wir uns auf den Weg nach Hause, noch immer mit unserer Uniform bekleidet. Einmal kam uns ein Wagen mit SS-Leuten entgegen, die uns aber unbehelligt ließen. Dann trafen wir einen Zug Russen, vor denen wir uns in eine nahe Au flüchteten, doch dort trafen wir wieder Russen – mit Pferden, die nach den Kameraden fragten. Wir wiesen ihnen den Weg ohne von ihnen weiter befragt zu werden. Auch Amerikaner trafen wir, waren wir doch noch in der amerikanischen Zone. Trotz unserer Uniform hatten wir keine Probleme. Abends versuchten wir immer, in ein Dorf zu kommen, wo wir IMMER Essen und ein Lager im Schuppen bekamen. Irgendwann tauschten wir unsere Uniformhose gegen blaue Hosen ein. 

Da wir südlich der Donau marschiert waren, wollten wir in Mauthausen mit der Rollfähre über die Donau gelangen. Doch vorher wurden wir von einem Österreichischen Fahrzeug angehalten, das Särge geladen hatte. Wir sollten beim Grabschaufeln helfen, doch wir schafften es zu flüchten und fuhren über die Donau. Kurz nach Mauthausen wurden wir überfallen. Doch ein Mann in einem der letzten Häuser hatte dies beobachtet. Er lief heraus, entwendete den Räubern die Waffen und schlug sie ihnen um die Ohren.

Ab Mauthausen gingen wir nur mehr auf Nebenstraßen. Fast daheim, erkundigte ich mich in den nahen Ortschaften Kollersdorf und Neustift, ob noch Russen da wären, man verneinte. Doch als ich nach Winkl kam, waren hier doch noch welche, die sich gleich für mich interessierten. Ich wurde ins Nachbarhaus meines Elternhauses gebracht. Der Bürgermeister, der mein Vater war, wurde gerufen. Gott sei Dank sagten Zwangsarbeiter, die noch im Dorf waren und mit denen ich vor meinem Einrücken Freundschaft geschlossen hatte aus, dass ich kein „Nazi“ sei, so durfte ich unbehelligt nach Hause gehen. Am nächsten Tag, bevor sie abrückten, sahen die Russen allerdings nach, ob ich noch da sei. 

Wir waren einen ganzen Monat lang von Linz bis Winkl in unseren Kriegsstiefeln unterwegs. Ein Kamerad, Ernst Mantler aus Engelmannsbrunn hatte schon in OÖ eine Zille entwendet und war mit dieser auf der Donau heruntergefahren. 


Unsere Artikel, die NS-Zeit betreffend,  dienen nur dem Zweck der staatsbürgerlichen Aufklärung und der militär- und zeithistorischen Forschung über die Ereignisse und Vorkommnisse von vor über 70 Jahren. Wir wollen solche Darstellungen nicht als falsche Glorifizierung verstanden wissen und distanzieren uns dezidiert von nationalsozialistischem Gedankengut.  

April 2013, letzte Änderung Februar 2024
Maria Knapp