Während der NS-Zeit gab es in ländlichen Gemeinden einen sogenannten Erntekindergarten, damit sich möglichst viele Erwachsene an den Erntearbeiten beteiligen konnten. In einer Ausgabe der Zeitung „Kreis Tulln“ wird die Aufgabe dieser Kindergärten näher beschrieben:

Die Erntekindergärten der  NSV.  im Gau Niederdonau.
Von Liesel Vollmer, Gaureferentin für Kindertagesstätten.
Bereits im Jahre 1934 wurden im Altreich von der NS-Volkswohlfahrt die ersten Ernte-Kindergärten in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen geschaffen. Die Notwendigkeit hatte sich aus der starken Ueberlastung der Landfrauen und der mangelnden Pflege und Betreuung der Landkinder während der Erntezeit ergeben. Die bis dahin vielfach übliche Betreuung der Kinder durch ältere Dorfbewohner in sogenannten „Kinderstuben“ war vom erzieherischen und gesundheitsfürsorgerischen Standpunkt aus gesehen, ungenügend.
Die Erntekindergärten der NS-Volkswohlfahrt haben folgende Aufgaben:
  1. Förderung der geistigen und seelischen Entwicklung der Kinder,
  2. Erziehung zum Nationalsozialismus und damit zum Dienst an der Volksgemeinschaft,
  3. Freimachung zusätzlicher Kräfte in der Landwirtschaft, zur Förderung der arbeitsmarktpolitischen Lage,
  4. Pflege bäuerlicher Sitten und Gebräuche zur Unterstützung der Volkstumsarbeit.
  5. Fühlungnahme mit dem Elternhaus.
Diese Aufgaben sucht die NS-Volkswohlfahrt im Gau Niederdonau in den seit dem 1. April 1939 bereits eröffneten 130 Erntekindergärten zu erfüllen. Weitere 200 Erntekindergärten sind noch in Vorbereitung begriffen und werden im Juli 1939 eröffnet.
Die Leiterinnen der Erntekindergärten wurden von der NSV in einem 14tägigen, von zwei Jugendleiterinnen geleiteten Schulungskurs auf ihre erzieherischen, gesundheitsfürsorgerischen und organisatorischen Aufgaben vorbereitet und erhielten vom Gauschulungsbeauftragten die notwendige weltanschauliche Ausrichtung.
Die Räume der Erntekindergärten – nach Möglichkeit soll ein Aufenthalts- und ein besonderer Schlafraum vorhanden sein – wurden mit einfachen Mitteln des öfteren unter Mithilfe der Ortsbewohner und der Parteigliederungen hergerichtet.
Aufgenommen werden im allgemeinen Kinder im Alter von 2 bis 10 Jahren. Kleinere Kinder und Säuglinge dürfen nicht mit den übrigen Kinder zusammen in einem Raum untergebracht werden. Für ihre Betreuung muß auch eine staatlich geprüfte Säuglingspflegerin eingesetzt werden.
Die Dauer und die Oeffnungszeit der Erntekindergärten richtet sich grundsätzlich nach den örtlichen Verhältnissen. In Weinbaugebieten z.B. waren im vergangenen Jahre die Erntekindergärten bis zum November im Betrieb. Die Oeffnungszeit entspricht der jeweiligen Arbeitszeit der Eltern. Im allgemeinen sind die Erntekindergärten von 7 – 12 Uhr und von halb 2 bis zur Rückkehr der Mütter um 6 oder 7 Uhr geöffnet. Bei weiten Wegen der Kinder ist die Durchführung einer Mittagsverpflegung unerläßlich. Sie erfolgt nach den von der Abteilung „Volkswirtschaft-Hauswirtschaft“ des Deutschen Frauenwerkes gemachten Vorschlägen.
Jedes Kind besitzt im Erntekindergarten ein eigenes Zahnputz- und Waschzeug. Jeden Montag bringen die Kinder ein frisches Handtuch und einen Seifenlappen von zuhause mit. Zahnbürsten und Mundbecher stellt die NSV für jedes Kind zur Verfügung. An den netten, von der Erntekindergärtnerin selbst gemalten Bildern erkennen die Kinder den Platz am Wandbrett, an dem ihr Waschzeug sich befindet. Die Zahnbürsten nehmen die Kinder bei Schließung der Erntekindergärten mit nach Hause, damit die im Erntekindergarten begonnene Zahnpflege während des Winters fortgesetzt werde.
Für jeden Erntekindergarten ist die ärztliche Betreuung – die mindestens eine Anfangs- und Schlußuntersuchung und bei längerer Dauer allmonatliche Besuche des Arztes im Erntekindergarten umfaßt – durch einen vom Amt für Volksgesundheit zugelassenen Arzt von der NSV sichergestellt. Dies ist besonders in der Ostmark, wo erst am 1. April 1939 das staatliche Gesundheitsamt geschaffen wurde, ein nicht gering einzuschätzender Beitrag der NSV  zur Gesundheitsführung unseres Volkes. Wenn im kindlichen Alter gesundheitliche Schäden festgestellt werden, sind die Aussichten auf einen dauernden Heilerfolg weitaus günstiger.
Im Grenzgau Niederdonau kommt den Erntekindergärten auch noch eine große volkstumspolitische Bedeutung zu.
Im Erntekindergarten wird den Kindern das ländlich-volkische Brauchtum in kindgemäßer Form nahegebracht. Auf den Elternabenden, die in kleinen Gemeinden Gemeinschaftsabende des ganzen Dorfes sind, sowie durch die Gestaltung der Feste wird der Stolz auf die deutsche Art gefördert und die Freude an unseren volkischen Bräuchen unter der Grenzlandbevölkerung wieder geweckt.
In der Umgebung von Kirchberg am Wagram werden nur in der Utzenlaaer und der Engelmannsbrunner Schulchronik solche Kindergärten erwähnt:
 
Utzenlaa
7.7.1939: An diesem Tage wird wieder der Erntekindergarten eröffnet, der durch 4 Wochen die Kinder unter 10 Jahren im Schulhof vereint.
6.8.1939: An diesem Tage wurde derselbe mit einem frohen Kinderfest geschlossen, das allen Kindern große Freude macht. Frauenschaft hilft dekorieren und backen und bedienen.
 
8.7. 1940: Beginn des Erntekindergartens, der heuer zum 3. Male von der Handarbeitslehrerin geführt wird. 16 Kinder von 2 bis 8 Jahren kommen täglich.
17.8.: Schluß des Erntekindergartens. Die Mütter spendeten Eier, Milch und Mehl für eine Jause zum Abschluß. Als alles verbacken war, staunten die Kinder über die große Menge und kamen selbst darauf, den Soldaten davon zu schicken. So hatten die Kinder Freude und außerdem erhielten 8 Soldaten Päckchen.
 
7.7.1941: Zum 4. male Beginn des Erntekindergartens unter Leitung der Handarbeitslehrerin Hilda Schmidl.
 
15.7.1942: Zum 5. male Beginn des Erntekindergartens unter Leitung der Handarbeitslehrerin Hilda Schmidl.
19.7. 1943: Zum 6. male Beginn des Erntekindergartens unter Leitung der Handarbeitslehrerin Hilda Schmidl.
  
Am 1.7. 1944 wurde im Hegerhaus ein Erntekindergarten eingerichtet. Kindergärtnerin ist Kulir Gerti aus Absdorf. 
Engelmannsbrunn
Am 6.Juni 1942 wurde in der Schule (1. Klasse) der Erntekindergarten der NSV feierlich eröffnet. Zum Besuche sind bis jetzt 32 Kinder im Altern von 2-6 Jahren angemeldet.
Ab 3. Mai 1943 wird die Schule wieder 2klassig geführt. 1. Klasse Wetscherek B.,  2. Klasse Trimmel K. Am gleichen Tage wurde in der Schule der NSV- Erntekindergarten eröffnet.


Unsere Artikel, die NS-Zeit betreffend, dienen nur dem Zweck der staatsbürgerlichen Aufklärung und der militär- und zeithistorischen Forschung über die Ereignisse und Vorkommnisse von vor über 70 Jahren. Wir wollen solche Darstellungen nicht als falsche Glorifizierung verstanden wissen und distanzieren uns dezidiert von nationalsozialistischem Gedankengut.   

Quellen:
Kreis Tulln, Folge 50, 15.12.1939
Schulchronik Utzenlaa
Schulchronik Engelmannsbrunn
September 2018, letzte Änderung Februar 2024
Maria Knapp