Am Fasching-Montag und Dienstag war in Kirchberg am Wagram Jahrmarkt und der Bürgermeister hat das Rauchen verboten, eine lokalpolizeiliche Verordnung, wozu er als Bürgermeister vollkommen berechtigt ist. Den Marktwachtern is aufgetragen worden, über die Aufrechterhaltung des Verbotes zu wachen; diese Herren haben ihren Auftrag so streng vollzogen, daß sie den Rauchenden die Pfeifen von rückwärts aus den Mund gerissen haben. Die Leut, die keinen weitern Skandal wollten, haben gutwillig diesen strengen Vollstrecken der Ortspolizei die Pfeifen überlassen. Diese Konfiskation is ungesetzlich und ungerecht, - denn wenn Einem ein‘ Nasenwarmerl um 20 kr. weggenommen wird, dem Andern eine Meerschaumpfeifen um 20 fl., - wo bleibt do die Gleichheit vor dem Gesetze? Diejenigen, die sich ihre Pfeifen nit haben wegnehmen lassen, sein zum Bürgermeister geführt worden, der sie zu einer Buß von 20 kr. an den Wachter verurtheilt hat, - was jedenfalls nit unbillig is. ‚s Rauchen zwischen Markthütten is höchst gefährlich und Straf muß sein. Jetzt kommt aber des Kosakische.

Diejenigen, welche die 20 kr. Strafe nicht erlegen wollten, sein vom Bürgermeister ordnungsgemäß an das k.k. Bezirksamt angewiesen. Dort haben sie nun ein‘ Gerichtsdiener vorgefunden, der nach Behauptung des Einsenders schon ein gewisses Renomée hat. Dieser packt mit der linken Hand den Tabakrauchenden bei der Brust, mit der Rechten schwingt er ein‘ Ochsenzehm, - zuerst verlangt er 2 fl., und nachdem diese erlegt sein, haut er den Tabakraucher 25 bis 30 Streiche mit dem Ochsenzehm herunter, worauf der Geknutete sofort entlassen wird. Die Forderung der Tabakraucher, dem Herrn Bezirksvorstand oder wenigstens einem Beamten vorgeführt zu werden, wurde von dem Bezirks-Kosaken mit den Worten abgewiesen: „Die Herren sein nit zu Haus! Marsch!“ Ebenso wurde keine Andeutung gegeben, zu welchem Fond die erlegt Straf abgeführt wurde.

Nocheinmal, - i halt die ganze Geschicht trotz den drei Unterschrift des Briefes für eine reine Erdichtung, und will dem betreffenden Gerichtsdiener, so wie seinen Herren Vorgesetzten Gelegenheit geben, solche ausgesprengte Lugen auf das Glänzendste zu widerlegen, denn es ist unglaublich, daß ein Gerichtsdiener in einer und der derselben Sache Kläger, Richter, Fiskus und ochsenzehmischer Urteilvollstrecker sein kann; - nit in der Zeit des Absolutismus war das möglich.

Quelle: Jörgel Briefe vom 28.2.1863, veröffentlicht in ANNO
 

Juni 2020
Maria Knapp