Im Jahre 1892 wurde im sogenannten Glockengießergraben der Einwohner Diwald aus Oberstockstall ermordet und beraubt. Zwei Jahre später wurde von dem Weingartenbesitzer Anton Seidl gelegentlich einer Grundaushebung nächst dem sogenannten Franzosenkreuz das Skelett eines Menschen ausgegraben, welches dieser dem hiesigen Todtengräber zur Beerdigung übergab. Kurze Zeit nach diesem Morde im Jahre 1892 kauften sich die beiden Taglöhner Johann Müller und Josef Grammer aus Stockstall gemeinsam ein Haus um dreitausend Kronen und verließen ihre Beschäftigung als Oberbauarbeiter bei der Bahn. Kürzlich wurde durch den Wagnermeister Karl Lutzmeier in Kreisbach das Gerücht lautbar, daß Grammer und Müller die Mörder des Diwald seien. Das hiesige Bezirksgericht welches davon Kenntnis erlangte, ließ sofort den Lutzmeier, sowie den Müller und Grammer verhaften und wurden am 22. v. M. dem hiesigen Bezirksgerichte eingeliefert. An jener Stelle, wo Seidl das Skelett gefunden hatte, wurde weiter nachgegraben. Das Resultat war, daß noch weitere drei Skelette gefunden wurden. Der Lage nach war zu schließen, daß hier eine Begräbnisstätte bestand und zwar dürften dies entweder gefallene Soldaten oder an Pest verstorbene Personen gewesen sein. Weiteres wurde festgestellt, daß Müller und Grammer im Jahre 1892 von der Sparcasse in Kirchberg dreitausend Kronen entliehen und um dieses Geld das Haus kauften. Seit dieser Zeit haben die beiden Männer, die auch einige Weingärten besitzen und in den letzten Jahren gute Weinernten gehabt hatten, der Sparkasse eintausend Kronen zurückgezahlt. Da weiter die Untersuchung keine gravierenden Momente gegen Müller und Grammer ergaben, stellte die Staatsanwaltschaft Korneuburg das Verfahren ein. Am 28.v.M. wurden sie aus der Haft entlassen. Gegen Lutzmeier wird die Verleumdungsklage erstattet.

Quelle:Mödlinger Zeitung vom 2.11.1901
 

September 2020
Maria Knapp