Juden unter sich.

 

Kremser Pferdemarkt vom 22. Oktober v. J. hatten sich die jüdischen Roßhändler Alexander Blau aus Kollersdorf und Max Kubin aus Herzogenburg gestritten und sich zum Gaudium aller Anwesenden die saftigsten Schimpfworte an den Kopf geworfen. Der Blau ist nämlich ein gewöhnlicher ordinärer Jud mit aner blauen Ros, die Kubins aber san gar faine Lait, die sich binnen fünf Jahren einige Häuser in Herzogenburg erhandelt haben. Is des a Wunder, wann si nix wollen zu tun haben mit dem Blau? Am Gasthaus zum „goldenen Kreuz“ kam es darauf zwischen den Jüdlachs zweimal zu regelrechten Schlägereien. Dem Blau wurde es dabei so blau und grün vor den Augen, daß er ohnmächtig zu Boden sank. Dann aber überwand er seine Scheu vor der Polizei – mir sein ehrliche Lait – und zeigte die drei Stammesgenossen Max, Rudolf und Sigmund Kubin an, daß sie ihn haben durchgewalkt so arg, daß er nix mehr hören tut auf dem linken Ohr.

Am 16. ds. fand nun vor dem Gerichtssekretär des Bezirksgerichtes Krems, Dr. Roske, die Verhandlung gegen die Missetäter statt. Vorerst erklärten alle vier Juden, sich gegenseitig die Ehrenbeleidigungen großmütig zu verzeihen. Dann erzählte Max Kubin, der faine Jud: „Herr Richter, schon am Pferdemarkt hat sich Blau gemischt in an Pferdehandel. Ich hob ihm gesogt: „Das ist charakterlos“. Aber geschimpft hab ich ihn gor nicht. Wie oft bin ich ihm schon gut gestanden und hab ihm geliehen bares Geld. Aber Undank ist der Welten Lohn. Bei Gott, soll man keine Wohltat erweisen! Ein Geschäft zu verderben, hab ich beim Kreuzwirt gesagt, kann jeder Lausbub. Daß der Blau ums Eck gestanden ist, hab ich gor nix gewußt. Da stürzt er hervor und haben wir losgeschlagen aufeinander. Leute haben uns getrennt. Vor dem Gasthause trafen wir wieder zusammen und da wollte mir Blau einen Stock entreissen. Da hab ich ihn geschimpft und geschlagen. Ich muß aber sagen, daß auch Blau geschlagen hat auf mir und mich später hat verfolgt, denn er hat bei meinem Schwager Schlesinger nach mir gefragt. Ich schwöre, daß meine Brüder nicht geschlagen haben den Blau. Wenn wir hätten wollen, hätten wir ihm können schlagen den Kopf ein“. Blau: „Zuerst hat mich der Max Kubin gepackt und gesagt: „Willst e leicht a Watschen von mir ? Jach, daß de du niederlegen könnst und mir’s Geld nema“. Dann haben se mich geschlogen so, daß ich bin gewesen ganz weg“. Max Kubin: Se san gewesen an dem Tag nicht bei Verstand“.

Nach Einvernahme der Zeugen Hausknecht Franz Sachs, Gemischtwarenhändler Florian Geyer wurden Rudolf und Sigmund Kubin freigesprochen. Max Kubin aber zu 200 Kronen Geldstrafe verurteilt, die er geschwind erlegte. Hat er doch gehabt a große Angst, daß er eingesperrt werden könnt in den Kotter bei Wasser und Brot und nix kunt handeln mit de Roß. Blau aber wurde mit seinen Ansprüchen in der Höhe von 244 Kronen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

(Österreichische Land-Zeitung vom 20.2.1904)

 

Mai 2021
Maria Knapp