Konservierung – Restaurierung
einer romanischen Kalkseccomalerei:
Sündenfall und Fragment einer zweiten Darstellung, um 1200,
Gemeindekirche Winkl/ Gemeinde Kirchberg am Wagram, NÖ

 

Autor: Mag. Josef Voithofer

Dies ist die Zusammenfassung oben genannter Diplomarbeit von Herrn Mag. Josef Voithofer, die ich mit seiner freundlichen Genehmigung aus seinem Buch zusammengestellt habe, um einen Einblick in die Restaurierungsarbeit zu geben, die er an der Seccomalerei im Dachstuhl der Winkler Kirche durchgeführt hat. Alle Fotos stammen von Herrn Mag. Voithofer.

1 Einführung

Aufgrund ihres unüblichen Grundrisses gab die Kirche von Winkl Anlass zu verschiedenen Vermutungen. Unter anderem schien möglich, dass Teile der verfallenen Burg der Herren von Winkl, einem im Mittelalter dort ansässigen Adelsgeschlecht, noch in der Kirche enthalten sind.

Zur Klärung dieser Frage führten Fachleute im September 2003 eine Besichtigung der Kirche durch. Bei der Begehung des Dachraumes des nördlichen Seitenschiffes wurden von Roland Woldron (Bauforschung) auf der ehemaligen Langhausaußenmauer fast lebensgroße, gemalte Figuren gefunden. Diese Malereien waren Bestandteil eines mittelalterlichen Bildprogramms auf der Fassade der Kirche. Die fragmentarische Darstellung, deren Entstehungszeit zwischen 1200 und 1230 angenommen wird, zeigt den Sündenfall mit Adam und Eva und daneben einen Reiter.


So wurde die Malerei vorgefunden.

Auf Veranlassung des Bundesdenkmalamtes wurde sodann die Akademie der bildenden Künste Wien, Institut für Wissenschaften und Technologien in der Kunst, Abteilung Konservierung und Restaurierung durch die Gemeinde Kirchberg am Wagram mit der Untersuchung, Konservierung und Restaurierung der neu entdeckten Malereien von Winkl beauftragt.

Die Durchführung erfolgte im Rahmen der Diplomarbeit des Fachgebietes Wandmalerei und Architekturoberfläche von Mag. Josef Voithofer.

2 Die Wandmalerei in Winkl

2.1 Lage und Bestand 

Die Malerei befindet sich auf der Nordseite der Kirche, im Dachraum des später angebauten Seitenschiffes. Dort ist auf einer Fläche von 2,5 x 5,5 m ein Fragment des ehemaligen mittelalterlichen Außenwandputzes mit originaler Malerei erhalten geblieben. In fast lebensgroßen Figuren ist der Sündenfall und rechts daneben ein Reiter im Galopp dargestellt. Der Putz und damit auch die Malerei sind allerdings im Zuge mehrerer baulicher Eingriffe reduziert worden, durch die Lage im Dachraum kam es jedoch weder zu einer Überputzung noch zu einer Übertünchung. Vollständige Verluste der Darstellung sind meist durch Umbauten begründet und betreffen die Hälfte des Oberkörpers Evas mit rechtem Arm und gesamtem Kopf, fast den gesamten Kopf der Schlange, den Kopf Adams oberhalb der Stirn und Teile des rechten Fußes des Reiters sowie der Brust und Vorderbeine des Pferdes. Eine weitere Fehlstelle im Putz ist ein großes Loch unterhalb des Pferdes im Bereich des Hintergrundes der Malerei, das durch den Einbau des Dachstuhlauflagers entstanden ist.

Adam vor der Restaurierung

2.2 Darstellung

2.2.1 Sündenfall 

Adam und Eva stehen auf einem welligen Untergrund zu beiden Seiten eines Baumes, um den sich eine Schlange nach oben windet. Sie sind einander leicht zugewendet, wobei die Füße seitlich und die Oberkörper nach vorne gezeigt werden. Eva ist etwas nach hinten geneigt und hat den rechen Fuß nach vorne gesetzt. Der soeben erhaltene Apfel wir elegant mit den Fingerspitzen gehalten. Die Beine sind von der Seite gezeigt, der Oberkörper ist leicht gedreht und von vorne zu sehen.

Adam hingegen wirkt statisch – seine Beine sind seitlich nebeneinander und der Oberkörper aufrecht. Adams Oberschenkel und Gesäß sind durch das Nebeneinander der Beine in Seitenansicht um einiges breiter als der fast frontal gezeigte Oberkörper. Bei beiden Figuren ist eine überproportionale Länge der Beine festzustellen.

Beide Figuren sind nackt und bedecken ihre Scham mit einem dreilappigen Blatt, das mit der jeweils freien Hand gehalten wird. In der Darstellung sind also mehrere nacheinander ablaufende Ereignisse gleichzeitig gezeigt.

Beine Evas nach der Restaurierung

Adam trägt einen Backenbart, der in einem doppelten Spitzbart endet und lange Haare, die bis zu den Ohren reichen. Sein Gesicht wurde durch die Kritzeleien späterer Zeit verunklärt – wahrscheinlich von Handwerkern bei der Restaurierung im 19. Jh. Auffallend sind die typisch romanischen, roten Wangenkreise und die Einteilung des Gesichts mit tropfenförmig-elliptischen Mustern.

 

Kopf Adams vor der Restaurierung

Neben dem nicht mehr erhaltenen Kopf Evas sind einige gewellte Linien – Reste einer wahrscheinlich lockigen Haartracht – sichtbar.

Die Schlange auf dem Baum zwischen Adam und Eva hat wellige Konturen und helle Punkte auf dem gesamten Körper, die vielleicht die raue Haut eines drachenähnlichen Wesens symbolisieren.

Alle Figuren sind mit einer starken Außenkontur begrenzt. Diese äußere Form ist bei den Menschendarstellungen flächig mit rosa Inkarnatfarbe ausgefüllt. Die Binnenzeichnung erfolgte darauf mit Linien, wobei Körperteile wie Baum und Arme stark stilisiert und eher grafisch wiedergegeben werden.

Die Szene ist links und rechts von einem Baum begrenzt. Im Hintergrund sind auf dem gemalten Boden Reste von Blumen erhalten. Auf dem Baum der die Szene nach rechts zum Reiter hin abgrenzt, sind zwei Vögel zu sehen.


Vögel auf dem Paradiesbaum – Zustand nach der Restaurierung

Die Blätter der Bäume haben unterschiedliches Aussehen, wobei insgesamt fünf Formen unterschieden werden können. Eine botanische Einordnung der Blattformen oder eine Bestimmung der Spezies ist allerdings nicht möglich.

2.2.2 Reiter

Rechts neben dem Sündenfall schließt die Darstellung eines Reiters im Galopp an. Diese Szene ist stark verwittert und teilweise sehr schwer les- bzw. interpretierbar. Pferd und Zaumzeug sind geschmückt. Der Reiter sitzt aufrecht und hält mit der rechten Hand die Zügel, während er mit der linken etwas wie schützend an seine Brust drückt. Werden einige Malereireste als Haare interpretiert, so ist es denkbar, dass es sich dabei um ein Kind handelt.

Reiter, Oberkörper, Zustand nach der Restaurierung

2.3 Farbigkeit der Darstellungen

Die Farbigkeit der beiden Szenen ist auf rötliche und braune bis schwarze Farbtöne beschränkt. Phänomene der Verwitterung, die Verwendung nicht geeigneter Materialien wie durch Licht ausgeblichene Farbstoffe oder der Einfluss großer Hitze wie etwa bei einem Brand wären als Erklärung für die reduzierte Farbpalette des Malers denkbar.

2.4 Einordnung der Stilistik und Datierung

2.4.1 Sündenfall

Die starre Haltung, die klaren Umrisslinien und die Modellierung der Figuren mit grafischen Mitteln können als typisch romanisch bezeichnet werden. Auf Licht- und Schattenwirkung wird wenig Wert gelegt.
Wenngleich die Haltung der Figuren und der Ausdruck im Gesicht sehr statisch wirken, können doch Elemente von Bewegung erkannt werden. Dies sind das wie zum Tanz vorgestellte Bein Evas und die elegante Haltung der Hände beider, die den Apfel jeweils nur mit den Fingerspitzen zu nehmen scheinen. 
Eine Kombination dieser beiden gegensätzlichen stilistischen Merkmale weist auf eine Entstehung des Sündenfalls um 1200/1220 hin. Dies wird durch die Erkenntnisse der Bauforschung unterstützt, die die Mauertechnik der Erweiterungsphase der Kirche, in der die Malereien entstanden sind, in dieselbe Zeit datiert.

Nach der Restaurierung

2.4.2 Reiter

Aufgrund des Erhaltungszustandes ist eine Einstufung der Entstehungszeit aufgrund stilistischer Merkmale schwierig. Gemäß den Erkenntnissen der maltechnischen Untersuchungen sind die beiden Szenen auf derselben Grundierungsschicht mit gleichen Materialien ausgeführt. In Kombination mit stilistischen Vergleichen besonders der beiden Köpfe von Adam und dem Reiter kann eine Ausführung beider Szenen in einem angenommen werden. 

Kopf Reiter nach der Restaurierung 

 

2.4.3 Der Künstler

Aufgrund fehlender Beispiele in der Umgebung können dazu keinerlei Aussagen getroffen werden. Durch die guten Kontakteder Herren von Winkl zum Hof der Babenberger kann es zur Vermittlung von Handwerkern bzw. Malern von dieser Seite gekommen sein.

 

3 Materialtechnische Untersuchungen und Maltechnik

3.1 Untersuchungen und Methodik

3.1.1 Untersuchungen vor Ort

Die ersten Untersuchungen zur Charakterisierung der Putz- und Materialtechnik wurden vor Ort mit freiem Auge, Lupenbrille und Stereomikroskop durchgeführt. Unter Normal-, Streif- und UV-Licht konnten bereits prinzipielle Erkenntnisse zu Putz- und Maltechnik gewonnen werden. Zur weiteren Abklärung wurden 25 Proben entnommen.

3.1.2 Lichtmikroskopie

Es konnten Erkenntnisse über die Schichtenabfolge und die darin enthaltenen Teilchen gewonnen werden. Es wurden Untersuchungen mit Normallicht (Auf- und Durchlicht), UV-Strahlung und polarisiertem Licht durchgeführt.

3.1.3 Polarisationsmikroskopie

Für die Untersuchung von Pigmenten wurden Streupräparate angefertigt. Dazu wurde eine geringe Menge des zu bestimmenden Pigments vom Kunstwerk entnommen. Von Mauerwerkgestein und Malereiputz wurden Dünnschliffe für die Untersuchung angefertigt.

3.1.4 UV-Strahlenuntersuchung

Mit UV-Strahlung können Bildelemente, die im normalen Licht wenig bis gar nicht mehr nachvollziehbar sind oder das Ausmaß und die örtliche Verteilung eines Stoffes (Überzüge, restauratorische Eingriffe, Retuschen) sichtbar gemacht werden. Auffällig bei der Untersuchung vor Ort war vor allem die leuchtend gelbe Fluoreszenz über annähernd die gesamte Oberfläche der Malerei unter UV-Beleuchtung, die durch den organischen Bindemittelanteil der Imprimitur hervorgerufen wird. Folgende Details der Malerei wurden dadurch besser sichtbar: Der Faltenwurf des Stoffes, die Schulterpartie des Reiters (vor allem die langen Locken auf dessen linker Schulter), die Blumen im Hintergrund des Sündenfalls, der Pfeil im Unterschenkel des Reiters und alle schwarzen Unterzeichnungen.

 
Hintergrund im Normallicht und UV-Licht - Pfeil im Bein des Reiters

3.1.5 Röntgenfluoreszenzanalyse RFA

Mit einem mobilen RFA-Gerät können zerstörungsfreie Messungen direkt am Objekt durchgeführt werden. Zu beachten ist bei RFA-Analysen, dass sämtliche Schichten der Probestelle durchdrungen werden und zum Ergebnis beitragen, also keine schichtenspezifische Aussagen getroffen werden können. 

3.1.6 Rasterelektronenmikroskop (REM), Elektronenstrahl-Mikrosonde (REM/EXD)

Zur Durchführung dieser Untersuchungen ist es notwendig, die Oberflächen der Proben durch Bedampfen mit Kohlenstoff oder Gold leitfähig zu machen, die Messung selbst erfolgt im Vakuum. Diese beiden Methoden wurden bei der Untersuchung der Malschichtoberfläche (Mikrobiologie), des Putzes und der Malschichtquerschliffe angewendet.

3.2 Mauerwerk

Das romanische Mauerwerk bilden rechteckig behauene Steine, die mit relativ grobem Setzmörtel verbaut sind. Nach der Fertigstellung blieb die Mauer wahrscheinlich mit „Pietra Rasa“ (Kellenstrich) betontem Fugennetz unverputzt stehen. Die Steine wurden sorgfältig versetzt, sodass, typisch für die romanische Mauerwerkstechnik bis zum 12. Jahrhundert, jede Lage in der Höhe ausgeglichen wurde.

Mauerwerk des romanischen Langhauses mit Kellenstrich

3.3 Putz

Nachdem die Kirche bzw. das Langhaus bis zur zweiten Bauphase vermutlich steinsichtig war, wurde der neu angestellte rechteckige Chor gemeinsam mit Teilen des Langhauses verputzt. Die Putzschicht des Feldes unterhalb der Malerei wurde erst nach der Bemalung aufgebracht. Der Putz, auf dem die Malerei liegt, wurde einschichtig auf das Mauerwerk aufgetragen, dabei schwankt die Schichtdichte durch die Höhenunterschiede der Bruchsteine von 0,5cm bis zu 4 cm. Der Auftrag des Mörtels erfolgte üblicherweise durch Anwerfen und grobes Abziehen mit der Kelle. Die darauf folgenden Arbeitsschritte (Kalktünchen) wurden erst durchgeführt, nachdem der Putz druckfest oder soweit angezogen war, dass sich eine Sinterhaut gebildet hatte.

Der Putz wurde in einem Arbeitsgang aufgebracht. Aufgrund der Unebenheiten des darunter liegenden Mauerwerks ist die Mörtelschicht zwischen 1cm und 5 cm dick und leicht gewellt. Die Oberfläche ist einerseits durch die Kellenbewegung, die sich beim Verdichten in den Putz eindrückte und andererseits durch unterschiedliche Rauigkeit strukturiert. Bei der Aushärtung kam es durch den einschichtigen Auftrag zu Frühschwundrissen, die heute als großes Craquelénetz sichtbar sind.

3.4 Malgrund

Die Winkler Malerei wurde auf einer schon vorhandenen (3-lagigen) Kalktünche ausgeführt. Dass diese zum Zeitpunkt der Bemalung bereits verwittert war, wird an Ausbruchstellen, in denen die Malschicht noch erhalten ist, ersichtlich. Die Wand muss somit bereits einige Zeit lediglich weiß getüncht und unbemalt bestanden haben. Der gesamte Malgrund ist von feinen Rissen (Frühschwundrissen) durchzogen, die sowohl quer als auch längs der Schichtgrenzen verlaufen.

3.5 Malschicht – Schichtenabfolge, Auswertung der Querschliffproben

3.5.1 Malvorbereitung oder Imprimitur

Bis auf wenige Ausnahmen folgt bei allen untersuchten Querschliffen auf den Malgrund eine nicht pigmentierte transparente Schicht, die zur Haftvermittlung zwischen Malerei und dem bereits vorhandenen Malgrund (Kalktünche) diente. Die Malerei erfolgte teilweise nass in nass. Das durchscheinende Material enthält Ca und Mg, es wird allerdings vermu­tet, dass ein heute nicht mehr nachweisbarer Zusatz eines organischen Bindemittels, vielleicht Kasein oder Ei, erfolgte.

Weitere Hinweise auf eine ganzflächige Vorbehandlung liefert der mikrobiologische Bewuchs auf der Malerei, der sich nicht nur auf die figurativen Teile beschränkt. Imprimituren dienen zur Isolation stark saugender Gründe, zur besseren Haftung und gleichmäßigeren Verteilung der Farbe.

3.5.2 Malschicht, pigmentierte Schichten

Pigmente sind bei den Querschliffen der entnommenen Proben meist in einer bis zwei Schichten vorhanden. Die Schichtdicken und vor allem die Pigmentdichten der farbigen Lagen variieren stark. Kalkweiß wurde zur Erreichung eines gewünschten Farbtons verwendet. Durch seine gleichzeitige Funktion als Bindemittel wurde im Gegensatz zum Rest der Malerei wahrscheinlich wenig bis gar kein organischer Zusatz zum Binden des Pigments verwendet.

3.6 Pigmente

Die Palette der Winkler Malerei ist sehr reduziert. Die Bandbreite der verwendeten Farben reicht von gelb über orange bis rot. Die zur Verfügung stehenden Pigmente wurden je nach Farbtonwert unterschiedlich gemischt.

Zur Bestimmung der verwendeten Pigmente wurden Untersuchungen an Querschliffproben mit REM/EDX, an Streupräparaten mit Polarisationsmikroskopie und vor Ort am Original mit mobiler RFA-Ausrüstung durchgeführt.

Eine genaue Bestimmung konnte nur bedingt erfolgen, jedoch sind Eisen- und Bleipigmente als die zwei Hauptgruppen zu unterscheiden.

3.6.1 Pigmentveränderungen

Die Verbräunung bzw. Verschwärzung von Bleipigmenten in der Wandmalerei ist bereits seit der Antike bekannt. Über die Einflussfaktoren (Einwirkung elektrischer Felder, Oxidationswirkungen von Stoffwechselprodukten biologischer Aktivität) herrscht jedoch keine Einigkeit. Am wahrscheinlichsten sind aber Alkalität, Luftfeuchtigkeit und Licht und ihr Wech­selspiel über einen längeren Zeitraum die ausschlaggebenden Einflussgrößen. Es ist möglich, dass der Malgrund ur­sprünglich mit feiner roter Mennige oder mit Bleiweiß pigmentiert war, letzteres aber durch einen Brand gerötet wurde.

Die Eisenpigmente sind fast ausschließlich rot. Weder gelbe noch grüne Farben sind vorhanden. Zumindest gelber Ocker ist aber in jeder Palette mittelalterlicher Wandmalerei zu finden, sein Fehlen somit auf eine spätere farbliche Veränderung schließen lässt. Eine Umwandlung von Gelb zu Rot wird bei eisenhaltigen Pigmenten durch Brennen erreicht. Die dafür erforderlichen Temperaturen könnten auch von einem Brand der Kirche erzeugt worden sein.

Für einen Brand spricht das abgemauerte Langhaus, das nach dem Abbruch oder Einsturz des hinteren Teiles nicht mehr in seiner ursprünglichen Größe hergestellt wurde (siehe unter „Chronik Kirche Winkl“). Weiters könnten die abgefallenen Putzbereiche links neben Eva auf den Einfluss großer Hitze zurückzuführen sein. Allerdings fehlt jede Spur von Russ.

Es werden auch Farbveränderungen in heute grau-gräulich erscheinenden Bereich angenommen. Es sind dies u.a. die Stämme und Äste der Bäume, die Blätter der Schambedeckung Adams und Evas.

3.6.2 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

Die Malerei in Winkl besteht aufgrund der nachweisbaren Materialien neben Kalk aus Eisen (gelber und roter Ocker, Siena bzw. Umbra) und Bleipigmenten (Mennige, ev. Bleigelb und -weiß), welche in verschiedenen Mischungen zur Anwendung kamen. Bereiche mit überwiegend bleihaltigen Partikeln sind durch unterschiedliche, nicht exakt nachvollziehbare Einwirkungen verbräunt und entsprechen nicht mehr ihrer originalen Erscheinung.

Die ursprüngliche Farbigkeit der Darstellung ist aufgrund der Pigmentveränderung nicht mehr nachvollziehbar. Es kann jedoch angenommen werden, dass neben Rot zumindest Gelb, Grün und Schwarz sowie andere bunte Farben verwendet wurden.

Als Bindemittel wurde im Inkarnat (Hautfarbe) Kalk, in anderen Malereibereichen wahrscheinlich zusätzlich bzw. gänzlich ein organisches Bindemittel verwendet.

Unterschiede zwischen den beiden Szenen Sündenfall und Reiter hinsichtlich dem verwendeten Material und Schichtenaufbau konnten nicht festgestellt werden.

3.7 Ausführung, Maltechnik

3.7.1 Unterzeichnung, Anlage der Malerei und Malvorbereitung

Die heute sichtbare Unterzeichnung wurde entweder durch die Verwitterung ursprünglich darüber liegender Schichten freigelegt oder war von der darauf folgenden Malerei nicht vollständig überdeckt worden. Die Skizze und Planung der Darstellung wurde in mehreren Phasen und Techniken direkt auf der Wand erstellt.

Zunächst erfolgte der Entwurf, wahrscheinlich mit Holzkohle, wobei meist mehrere dünne Striche nebeneinander gesetzt und die Form erst gesucht werden musste. Dass auch die Position der Szenen nicht von vornherein festgelegt war, kann daraus geschlossen werden, dass sich diese schwarzen Linien sowohl im Hintergrund als auch in figuralen Bereichen finden.

Als erster Schritt der Malereiausführung nach dem Entwurf der Szenen erfolgte die „Grundierung“ des gesamten Bildfeldes mit einer Mischung aus Kalk und organischem Bindemittel, der Imprimitur oder Malvorbereitung.

Nach der Skizze mit Holzkohle wurden sowohl Umrisse als auch bereits Details mit dunkelroten Pinselstrichen festgelegt. Die Funktion als Unterzeichnung haben die Pinselstriche bei den Figuren (Adam, Eva und Reiter von Schulter ab­wärts) sowie bei der Schlange, dem Pferd und dem Baum der Erkenntnis.

Durch den Verlust der darüber liegenden Malschichten ist diese Unterzeichnung besonders im Bereich Reiter und Pferd der einzige Anhaltspunkt für die ehemalige Form der Darstellung. Es ist nicht mehr ermittelbar, inwieweit nach dem darauf folgenden Auftrag der Flächenfarbe eine Binnenzeichnung oder Modellierung erfolgte.

Auch die Pinselzeichnung legte noch nicht die endgültigen Formen fest. So wurde beispielsweise der Körper des Pferdes schließlich länger und die Fläche des Pferderumpfes nicht entsprechend der Konturen der Unterzeichnung ausgeführt. Der Entwurf des Pferdekopfes wurde mehrere Male geändert.

Es sind anscheinend sowohl der Sündenfall (mit den schwarzen Linien) als auch der Reiter und das Pferd (mit den Pinselunterzeichnung) mehrmals konstruiert worden, was auf eine gewisse Ungeübtheit des Künstlers (bzw. der Künstler) mit den großen Dimensionen der Winkler Wandmalerei schließen lassen könnte.

3.7.2 Lokaltöne

Die Unterzeichnungen wurden mit den entsprechenden Flächenfarben ausgefüllt, die Figuren beispielsweise mit rosa In­karnat, die Schlange mit gelb-grünlicher und das Pferd mit roter Flächenfarbe. Die untersuchten Proben zeigen zwar meist nur eine Malschicht, besonders aber im Inkarnat sind einige Bereiche in malerischer Weise mehrmals übergangen bzw. geändert worden, bis der gewünschte Grundton erreicht war. Tendenziell ist aber die Flächigkeit dieser Farbe zu betonen, die Binnenzeichnung und Differenzierung der Flächen erfolgte später.

Evas Oberarm nach der Reinigung

3.7.3 Binnenzeichnung, Lichter und Schatten

Auf der flächigen Lokalfarbe wurde die Binnenmalerei in unterschiedlicher Weise ausgeführt. Die Menschen-darstellungen erfuhren dabei besondere Sorgfalt: Gesicht, Waden, Ober- und Unterarme, Schulter, Brust, Bauch sowie die Umrisskonturen wurden zuerst mit dunkelroter Farbe vorgelegt. Mit hellen Farbtönen (überwiegend Kalkweiß) zog der Maler sodann in Linien unterschiedlicher Stärke, die diese Einteilungen begleiten und auch die restlichen Körperflächen wie Oberschenkel, Gesäß oder Brust linear strukturieren. Die Modellierung der Körper beruht fast ausschließlich auf der Betonung der Muskelpartien mit diesen dunkelroten und weißen Strichen, allein am rechten Fuß Evas und den Seiten beider Figuren ist durch eine dickere Konturlinie (der gleichen Farbe) eine Schattenwirkung angedeutet.

Adams Kopf nach Reinigung

Eine Strukturierung der Fläche ist sonst nur noch bei der Schlange erhalten. Hier liegen auf der relativ dicken bräunlichen Lokalfarbe etwas dunklere, schwer von der Flächenfarbe zu unterscheidende wellenförmige Linien. Über den ganzen Schlangenkörper verteilt sind schließlich pastose Kalkpunkte aufgesetzt. Wie bei Adam und Eva ist auch hier die Kontur kräftig in dunkelroter Farbe nachgezogen.

Die restlichen Bildelemente scheinen keinerlei Binnenzeichnung mehr zu haben, bestehen also lediglich aus Außenkontur und Fläche. Bei den Blättern der Bäume ist bei verwitterter oberster Schicht manchmal die skizzierte Kontur sichtbar, die von der darüber liegenden Lokalfarbe nicht genau eingehalten wurde. Die ursprüngliche Gestaltung dieser Bildteile ist heute durch Malschichtverluste oder Pigmentveränderungen nicht mehr sichtbar. 

Baum der Erkenntnis, Endzustand

Eine Beurteilung von Pferd und Reiter ist aufgrund des fortgeschrittenen Verwitterungszustandes schwierig. Die differenzierte Gestaltung des Gesichtes des Reiters und die detailreiche Gestaltung des Zaumzeugs bereits in der Unterzeichnung lassen jedoch eine ehemals reiche Binnenzeichnung vermuten. 

3.7.4 Pentimenti und Korrekturen

Unter Pentimenti versteht man Änderungen der Bildkomposition oder Korrekturen, die noch während des Malprozesses oder unmittelbar danach vom Künstler ausgeführt wurden und die jeweils verworfene Linienführung überdecken.

Bei der Winkler Malerei wurden Korrekturen an den Umrissen der Blätter des Baumes der Erkenntnis, der linken Hand Evas, der rechten Schulter Adams und beim Reiter am nicht definierten Objekt unter dem Arm und am Ansatz des oberen Stoffes vorgenommen.

Pferdekopf vor Restaurierung

Die größten Korrekturen wurden beim Pferd vorgenommen. Die Form des Rumpfes weicht stark vom Entwurf ab. Der Körper wurde letztlich länger als ursprünglich geplant ausgeführt. Der Kopf mitsamt dem Zaumzeug hingegen erfuhr bereits in der Phase der Pinselunterzeichnung eine vollständige Umänderung. 

Zustand nach der Reinigung:
Die Ausführung folgt nicht der Unterzeichnung  

Sämtliche Ausbesserungen wurden mit einer Kalkschicht überdeckt und gegebenenfalls wieder übermalt. Durch das Abplatzen der Ausbesserungen sind diese Pentimenti heute teilweise sehr gut sichtbar. (Bsp. Rücken des Pferdes oder Schmuck vor der Brust des Pferdes). Inwieweit die Malerei die Vorzeichnung letztlich modifizierte, kann aber durch den bereichsweise vollständigen Verlust der Malschicht nicht immer festgestellt werden.

3.7.5 Zusammenfassung und Vergleich der Szenen Sündenfall und Reiter

Die Malerei wurde auf einem bereits verwitterten Untergrund (Putz und Malgrund) ausgeführt. Der Grobentwurf wurde zuerst auf die Wand skizziert und nach dem Einstreichen der gesamten Fläche mit einer Imprimitur mit dem Pinsel ausgeführt. Auf die anschließend flächig aufgetragene Lokalfarbe (Grundton) erfolgte die plastische Modellierung mit einer relativ grafisch ausgeführten Binnenmalerei (Kontur und Lichtstriche).

Vergleiche der beiden Szenen sind aufgrund der starken Verwitterung der Reiterdarstellung nur bedingt möglich. Aber allein die stark voneinander abweichenden Erhaltungszustände lassen Unterschiede in der Maltechnik vermuten.

Da bei den materialanalytischen Untersuchungen jedoch keine Gegensätze zwischen Sündenfall und Reiter festgestellt werden konnten, sei hier die Möglichkeit erwähnt, dass die beiden Szenen von verschiedenen Künstlern ausgeführt wurden. Diese hätten zwar gleichzeitig und mit demselben Material, jedoch in leicht unterschiedlicher Weise gearbeitet, wobei aber die beiden Männerköpfe von einer Hand stammen dürften.

Hinweise dafür sind etwa, dass der Entwurf der Reiterszene um einiges großzügiger ist als beim Sündenfall, wodurch auch die relativ großflächige Ausbesserung im Bereich des Pferderückens und die mehrmaligen Versuche bei der Zeichnung des Pferdekopfes, in der Aufwändigkeit der Ausführung und in der Wahl des Bindemittels.

4 Zustand und Schäden

Die Wandmalerei von Winkl war im Laufe der Zeit unterschiedlichen schädigenden Faktoren ausgesetzt. Einflüsse wie z.B. die natürliche Bewitterung in der Zeit, als die Malerei noch sichtbar war oder architektonische Veränderungen hinterließen Spuren, die von lediglich aufliegender Verschmutzung bis hin zum Totalverlust aller Schichten reichen.

Es fällt auf, dass die Schäden (Verlust der Tünche und Malschicht) vor allem in den mittleren bis unteren Bereichen des Bildfeldes vorkommen. Dies könnte auf das ehemalige Vorhandensein eines Schutzdaches schließen lassen.

4.1 Schadenskategorien

4.1.1 Putz

Am Putz wurden folgende Schäden festgestellt:

4.1.1.1 Totalverlust

Durch strukturelle Eingriffe in die Bausubstanz oder durch andere, nicht näher bestimmbare Einwirkungen (Brand, Erdbeben) fehlt die Putzschicht in folgenden Bereichen zur Gänze: Die linke Seite des Bildfeldes im Bereich Oberkörper und Kopf Eva (Brand, Erdbeben, Umbau), ein rundes Loch unterhalb des Pferdes (Dachstuhlumbau), die Originaloberkante des gesamten Bildfeldes (Erhöhung des Langhauses) und rechts neben dem Pferd, wo die Malerei möglicherweise fortgesetzt war (teilweiser Abbruch des Langhauses und Einbau des Emporenaufganges).

4.1.1.2 Reduzierte Putzoberfläche

In diesen Bereichen ist die originale, geglättete Putzoberfläche nicht mehr erhalten. Es handelt sich um Fehlstellen von wenigen Millimetern Tiefe und in unterschiedlichem Ausmaß.

Die größte Schadensstelle (Durchmesser ca. 40 cm) liegt zwischen den beiden Szenen in der Mitte des Bildes und ist möglicherweise durch natürliche Verwitterung bereits während des Offenstehens der Malerei entstanden. Mehrere Kratzer und Hacker sind hingegen (2 – 10 cm) wahrscheinlich auf Umbauarbeiten zurückzuführen.

4.1.1.3 Risse

Risse entstehen wie Hohlstellen durch Bewegungen des Mauerwerkes und des Putzes. Es gibt sowohl breite Setzungsrisse, die senkrecht über die gesamte Höhe laufen als auch feinere, verzweigte Sprünge über das ganze Bildfeld verteilt.

4.1.2 Malgrund

Wie die meisten Schäden sind auch die des Malgrundes überwiegend auf die Witterungseinflüsse während der Zeit, als noch kein Schutz durch das Dach des Zubaus bestand, zurückzuführen. Meist handelt es sich um das Abplatzen von Tüncheschichten an zahlreichen Stellen und das Verwittern (Abrunden) der Bruchkanten.

Weitere Schäden am Malgrund (Kratzer, Hacker, Löcher) sind durch Bauarbeiten verursacht worden.

Das Vorhandensein einer Schicht sagt noch nichts über deren Festigkeit aus. Durch unterschiedliche Prozesse (natürlicher Abbau des Bindemittels durch Mikroorganismen) ist vor allem in Bildelementen ohne Kalkbindung (Pferd, Pflanzendarstellungen) eine sehr reduzierte Bindung der Pigmentkörnchen in der Malschicht festzustellen.

Besonders sichtbar wird dies an Stellen mit pulvriger Malschicht. Die noch vorhandene Oberfläche der Farbe ist hier wahrscheinlich durch Anstreifen von Personen oder Gegenständen aufgerissen und die Pigmentkörnchen um die jeweilige Stelle verteilt worden.

Weitere Schäden sind Kratzer, die unterschiedlich tief vorliegen, aber immer den vollständigen Verlust der Malschicht an den betroffenen Stellen verursacht haben. Insgesamt gibt es in der Szene Sündenfall fünf bis in den Malgrund reichende senkrechte Kratzer und vor allem in den unteren Bereichen der Malerei mehrere kleine Beschädigungen. Erstere sind wahrscheinlich durch Umbauarbeiten am Dach durch in das Bild fallende Gegenstände, letztere durch das Aufstapeln von Dachziegeln direkt vor der Malerei entstanden.

Weitere Schäden sind Kratzer, die unterschiedlich tief vorliegen, aber immer den vollständigen Verlust der Malschicht an den betroffenen Stellen verursacht haben. Insgesamt gibt es in der Szene Sündenfall fünf bis in den Malgrund reichende senkrechte Kratzer und vor allem in den unteren Bereichen der Malerei mehrere kleine Beschädigungen. Erstere sind wahrscheinlich durch Umbauarbeiten am Dach durch in das Bild fallende Gegenstände, letztere durch das Aufstapeln von Dachziegeln direkt vor der Malerei entstanden.

An einigen Stellen der Malerei ist es durch Verwitterung sowohl zwischen Malschicht und Malgrund als auch innerhalb dieses zu kleinteiliger (kleiner als 1 cm) Schichtentrennung und Schollenbildung gekommen. 

Oberschenkel Eva vor der Restaurierung

4.1.3 Verschmutzungen, spätere Zutaten und Ablagerungen

4.1.3.1 Verschmutzungen

Seit ihrer Entstehung sammelten sich auf der Oberfläche der Winkler Malerei Verschmutzungen unterschiedlicher Art an, die meisten wahrscheinlich in jenen Jahren, seit die Malerei vom Dach des Anbaues verborgen ist.

Bei ihrer Entdeckung im September 2003 war die Malerei stark verstaubt und besonders hinter dem Stapel von Dachziegeln mit Spinnweben bedeckt. Vor allem an den Oberseiten von leicht nach vorne gewölbten Putzbereichen haben sich Ablagerungen angesammelt.

Unter Ablagerungen werden auch aufliegende Reste des bei Umbauten der Kirche verwendeten Mörtelmaterials verstanden. Dabei können zwei Bauphasen unterschieden werden: Im Bereich Eva liegen bis zu 2 mm dicke, sehr harte Putzreste auf, die wahrscheinlich von herabfallendem Mörtel stammen. Da sie dieselbe Verschmutzung (Staub, Mikroorganismen) wie der Hintergrund aufweisen, ist anzunehmen, dass sie bereits bei einem Umbau im Mittelalter entstanden sind. Dem Umbau des 19. Jh. hingegen sind dünne Spritzer und aufliegende Putzreste unterschiedlicher Größe (bis 10 cm) und Dicke (bis 2 cm) zuzuordnen. Viele kleine Mörtelspritzer finden sich vor allem unterhalb des Pferdes, einzelne große im Bereich unterhalb des Sündenfalles.

Als letzter großer Verschmutzungsfaktor sind undichte Stellen des Anschlusses Dachfirst und Wand oberhalb des Malereifragments zu nennen. Durch eindringendes Wasser haben sich vor allem im Bereich Reiter und Bildmitte etliche Rinnspuren gebildet.

4.1.3.2 Spätere Zutaten

Graffitis in Form von Kohlestiftzeichnung am Kopf Adams (Nachziehen der Augen und Nase sowie Hinzufügung einer langen Pfeife mit Rauchwolke und eines Schnurrbarts).Da sie die originale Darstellung stark verunklären, sind sie als Schaden einzustufen.

4.1.3.3 Mikrobiologischer Befall

Das wohl auffälligste Schadensphänomen ist der grau-weißliche Belag und – besonders in den unteren Bereichen der Bildfläche – die einheitliche Rosafärbung. Die rötliche Färbung könnte, so anfänglich angenommen, von der Einwirkung eines Brandes herrühren, der weißliche Schleier hingegen wurde als aufliegender Staub und später als Salzausblühung interpretiert, da unter dem Stereomikroskop tlw. fadenförmiger, locker aufliegender Flaum, krustenähnliche Kristallstrukturen sowie tlw. Salznadeln beobachtet werden konnten.

Bei einer Analyse im REM/EDX zeigten sich jedoch oberflächlich aufliegende, schwammartige, und in tieferen Schichten kugelige Strukturen, die eindeutig mikrobieller Natur waren.

 

 

 

 

 

 




Pferd, Beine, Probeentnahmestelle entnommene Probe

Nach dem Ansetzen von Proben auf Nährböden konnten die Mikroorganismen als Bakterien identifiziert werden. Dabei handelte es sich bei den auf der Oberfläche aufliegenden netzartigen Organismen um eine Spezies der Gruppe der Actinomyceten/Streptomyceten und bei den in tieferen Schichten vorkommenden Mikroorganismen um coccale (rundliche) Bakterien.

Neben der ästhetischen Beeinträchtigung durch die Färbung und Verunklärung der gesamten Darstellung können Mikroorganismen auch substanzschädigende Wirkung durch Quell- und Schrumpfungsprozesse und der Beeinflussung des Feuchtehaushalts der Oberfläche und des Putzes verursachen.

Da Actinomyceten hohe Luftfeuchtigkeit und dunkle Bereiche vorziehen, ist es wahrscheinlich, dass die Besiedlung erst nach dem Anbau der Seitenkapelle begann. Da zuerst der organische Anteil der Malschicht bzw. der Imprimitur als Nahrung diente, sind Stellen ohne diesen heute frei von Befall.

4.1.3.4 Salze

Anhand von Teststreifen und Leifähigkeitsmessungen wurde ein relativ hoher Gehalt an löslichen Salzen, vor allem Nitraten, festgestellt. Daraus abzuleitende Schäden sind nicht festgestellt worden.

4.1.3.5 Zusammenfassung der Schäden

Der Großteil der Schäden wurde durch strukturelle Umbauten der Kirche, natürliche Verwitterung vor dem Anbau und den Befall von Mikroorganismen verursacht.

 

5 Konservierung und Restaurierung

Das Ziel der Konservierung war die Substanzerhaltung der Malerei. Dazu waren sowohl Konsolidierungs- als auch Reinigungsmaßnahmen in Kombination mit der Bekämpfung des mikrobiologischen Befalls notwendig.

5.1 Restaurierungskonzept

5.1.1 Konsolidierung der akut gefährdeten Bereiche

Die Anbindung des Putzes an das Mauerwerk musste wieder hergestellt werden. Es war dabei nicht notwendig, die Hohlstellen vollständig aufzufüllen, sondern ausreichende Haftung zum Träger zu gewährleisten. Dies kann auch mit einzelnen Verbindungspunkten geschehen. Die stark vom Verlust bedrohten Teile, die einzelnen, teilweise dachförmig aufstehenden Schollen des Malgrundes und die Partien der Malschicht, die sich vom Träger lösten, mussten gefestigt und niedergelegt werden. Ein vorhydrolisierter Kieselsäureester wurde für die Anforderungen als geeignet befunden. Kieselsäureester werden bei der Reaktion aus Kieselsäure und Alkohol gebildet. Bei der Aushärtung der Verkieselung entsteht in den Porenräumen des porösen Stoffes Kieselgel, welches das Material verfestigt.

5.1.2 Reinigung, Kittung der Fehlstellen

Das Ziel der Reinigung war vor allem die Entfernung der aufliegenden filzigen Schicht aus Bakterien und Staub und der rosafarbenen Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen. Dies war sowohl aus konservatorischen als auch ästhetischen Gründen notwendig. Zum einen wurde ein Andauern der durch Mikroorganismen induzierten Schadenswirkung verhindert, zum anderen der die Darstellung stark verunklärende gräuliche und rosa Belag entfernt. Durch die vorherige Abnahme der Mikroorganismen, war zudem die Wirkung der darauf folgenden Biozidbehandlung (Behandlung mit Chemikalien zur Zerstörung biologischen Wachstums) wesentlich höher.

Im Zuge der Oberflächenreinigung sollten neben den Schmutzrinnspuren auch die Kritzeleien des 19. Jahrhunderts entfernt werden. Dieser historische Vandalismus störte sowohl die Lesbarkeit als auch die gesamte Erscheinung des ansonsten verhältnismäßig gut erhaltenen Kopfes von Adam. Da diese Kritzeleien weder aus künstlerischen noch sonstigen Gründen erhaltenswert schienen, wurde eine fotografische Dokumentation vor der Reinigung als ausreichend erachtet.

Putzfehlstellen und Risse sollten, dort wo sie die Geschlossenheit und einheitliche Erscheinung des Bildfeldes störten, geschlossen und mit einem dem originalen Putzton entsprechenden Material (Kalkmörtel) auf Niveau der Putzoberfläche gekittet werden.

Aufgrund der vielfältigen Schadensphänomene des Malgrundes wurde von einer Ergänzung der Fehlstellen in der Tünche abgesehen. Da der Untergrund bereits vor dem Bemalen teilweise verwittert war, wäre hierfür außerdem eine Unterscheidung zwischen originalen und nachträglich entstandenen Fehlstellen notwendig gewesen.

5.1.3 Biodzidbehandlung und Salzverminderungsmaßnahmen

Die größte Effektivität der chemischen Bekämpfung von mikrobiologischen Befall ist prinzipiell durch das Aufbringen eines Biozids in Form einer Wasserkompresse erreichbar (lange Einwirkzeit und große Eindringtiefe). Der Wirkstoffgehalt wurde durch Tests bei 1,5 % Preventol R80 in Wasser festgesetzt.

  • Mit der Behandlung in Form einer Wasserkompresse konnten gleichzeitig Nitrate in Oberflächen nahen Bereichen reduziert werden, was aus folgenden Gründen wünschenswert war: Durch die geplante Neugestaltung des Dachraumes (Isolation) wird es zu einem Absinken der relativen Luftfeuchtigkeit und durch die Öffnung für Besucher generell vermehrt zu Klimaschwankungen kommen, die Salzkristallisation und somit Schadensmechanismen hervorrufen können.
  • Der hohe Nitratgehalt ist für die Besiedlung der Malerei durch Mikroorganismen förderlich, er wirkt sozusagen als Dünger. Nach der Bekämpfung des biologischen Befalls muss deshalb einer Wiederbesiedlung entgegen gewirkt werden.

Salzvermindernde Maßnahmen werden üblicherweise mit wässrigen Kompressen unterschiedlicher Materialien (Zellstoff, Bentonit, Sepiolite) durchgeführt. Die Wirkung beruht darauf, dass die im porösen Material enthaltenen Salze durch das eingebrachte Wasser gelöst, und beim Austrocknen mit in die Kompresse transportiert werden.

Nach erfolgter Biodzidbehandlung/Salzverminderung müssen die abgestorbenen Mikroorganismen, die als Nahrung für eine Neubesiedlung dienen können, in einem zweiten Reinigungsdurchgang entfernt werden.

5.1.4 Präsentation

Wie weit die Retusche gehen kann bzw. darf, muss nach Abschluss der Reinigung beurteilt werden. Anzustreben ist eine Verbesserung der Lesbarkeit der gesamten Darstellung und eine Beruhigung des Gesamteindruckes. Dies kann mit dem Eintönen zu heller und damit auffallender Fehlstellen mit grauen Lasuren erreicht werden. Als Medium wurde aufgrund der besten Reversibilität Aquarellfarbe verwendet.

5.1.5 Zusammenfassung des Restaurierungskonzeptes

  • Verbesserung der Zugänglichkeit der Malerei und des gesamten Dachraums, Beseitigung der Dachziegel
  • Entfernung von lose aufliegender Verschmutzung (Staub, Spinnweben) und Putzspritzern.
  • Konsolidierungsmaßnahmen: Hinterfüllung der Hohlstellen, Sicherung der Schollen
  • Festigung der Malschicht mit Kieselsäureester
  • Reinigung der Mikroorganismen/Staubschicht, Entfernung der Kritzeleien und sonstiger Verschmutzungen
  • Salzminderung und Biozidbehandlung mit einer Zellstoffkompresse
  • Nachreinigung – Entfernung der abgestorbenen Mikroorganismen
  • Retusche

5.2 Arbeitsablauf der durchgeführten Arbeitsschritte

5.2.1 Entfernung von aufliegendem Schmutz und Putzresten

Zu Beginn der Arbeiten im März 2004 war der Zugang zum Dachraum nur durch eine schmale Luke (ca. 59x40cm) in der Wand, die den Dachraum vom Emporenraum trennt, möglich. Direkt an der Malereiwand waren Dachziegel aufgestapelt worden, da die Malerei bis zu ihrer Entdeckung 2003 niemandem aufgefallen war. Zusätzlich war die Malerei in einer Höhe von etwa 2,20 m über die gesamte Länge vom Querbalken des Firstes und im Bereich des Reiters von einer senkrechten Stütze verdeckt.

Der ursprüngliche Zugang

Nach der Verbesserung der Zugänglichkeit zum Dachraum (Vergrößerung des Einstiegs) erfolgte als erster Eingriff an der Malerei die Abnahme der auf der ganzen Fläche lose aufliegenden Verschmutzung. Der Staub und die Spinnweben wurden mit einem weichen Ziegenhaarpinsel von der Oberfläche abgekehrt.

Bei der Reinigung des mit Schutt gefüllten Gewölbezwickels unterhalb der Reiterszene konnten noch Bruchstücke mit originaler Tüncheoberfläche gefunden werden. Diese stammen von der Putzfehlstelle, die durch den Einbau des Dachstuhlauflagers verursacht wurde. Weil diese Fundstücke aber keine Malschicht aufweisen, wurden sie nicht wieder eingesetzt, sondern für eventuelle weitere Untersuchungen aufbewahrt.

5.2.2 Putzkonsolidierung und Schollenfestigung

Die Hohlstellen zwischen Putz und Mauerwerk wurden zur Stabilisierung des Putzes und zur Wiederherstellung der Anbindung zum Träger mit dem Flüssigmörtel Ledan D1 aufgefüllt.

Die Einbringung des Materials in die Hohlräume erfolgte mit Spritze und Kanüle, entweder seitlich an den Rändern des Fragmentes oder direkt von der Vorderseite der Malerei. Für die Bohrungen wurden Stellen mit bereits bestehenden Spalten, Rissen oder Fehlstellen gewählt, so dass Eingriffe an intakter Oberfläche der Malerei vollständig vermieden wurden. Die Spalten der offenen Randbereiche und die Bohrlöcher wurden mit Kalkmörtel gekittet.

Die Behandlung der zahlreichen durch Schichtentrennung zwischen bzw. innerhalb Grundierung und Malschicht entstandenen Schollen erfolgte in unterschiedlicher Weise. Kleinteilige Stellen mit sehr schmalen Zwischenräumen wurden mit Primal AC 33, einer Acrylharzdispersion 1,5%ig in Ethanol/Wasser (1:1), Schollen mit großem Abstand zum Untergrund mit verdünntem Ledan D1 angebunden. Das Einbringen des Klebemediums erfolgte wiederum mit Spritze und Kanüle, danach wurden die betreffenden Stellen mit einem Schwamm abgetupft, um überschüssiges Material zu entfernen und Glanzstellen zu vermeiden.

5.2.3 Entfernung der Putzreste und Festigung

Als Vorbereitung zur Reinigung wurde die Malschicht mit einem Kieselsäureesterprodukt (Motema 30) gefestigt. Um die auf bemalten Bereichen liegenden Putzreste nicht mitzufestigen, mussten diese vorher entfernt werden. Je nach Empfindlichkeit der darunter liegenden Malschicht erfolgte dies mit Freilegepinsel, Skalpell oder Glasradierer.

Die Festigung mit Kieselsäureester umfasste sämtliche bemalten Bereiche und erfolgte mit einer weichen Bürste über Teebeutelpapier. Nach dem Auftrag wurde die Malereioberfläche mit Ethanol getränktem Wattebausch über Teebeutelpapier vom Festigungsmittel abgemagert, um der Bildung von Glanzstellen entgegenzuwirken und die Mikroorganismen besser für die Biozidbehandlung angreifbar zu machen.

5.2.4 Entfernung des Dachstuhlbalkens

Nachdem sich bereits im Spätsommer abzeichnete, dass die Durchführung des vorher geplanten Dachgeschossumbaus nicht mehr vor der Restaurierung erfolgen konnte, wurden nach der Winterpause im April 2005 zumindest die störenden Elemente das Dachstuhls entfernt. Dies war aus konservatorischen Gründen wünschenswert, da somit sämtliche Arbeitsschritte auf einem zusammenhängenden Bildfeld ausgeführt werden konnten.

Um den Balken und die Stütze entfernen zu können, wurde im Abstand von ca. 1,20 m von der Malerei ein neuer Balken auf die Auflager des Dachstuhls gelegt und darauf die Sparren des Daches einzeln abgestützt. Danach wurde der alte Firstbalken in Teile geschnitten und von den damit vernagelten Sparren nach unten weggehebelt.

5.2.5 Kittung

Die Kittung aller als störend empfundenen Risse und Fehlstellen erfolgte mit Grob- bzw. Feinmörtel. Die Kittungen wurden auf Putzniveau ausgeführt und bleiben als Fehlstellen erkenntlich, der störende Eindruck der dunklen Risse und Löcher ist nun beseitigt.

5.2.6 Oberflächenreinigung und Nachfestigung

Die zu reinigenden Stellen wurden mit einer Sprühflasche leicht vorgefeuchtet und nach kurzem Anquellen mit einem feuchten Blitzfix-Schwamm abgewischt. Die Reinigung erfolgte mit Leitungswasser, zum Abnehmen der letzten Reste wurde ein Wasser/Ethanol Gemisch (3:1) mit Biozidzusatz (ca. 0,3 vol% Preventol R 80) verwendet. Mit derselben Methode konnten auch die Kitzeleien im Gesicht Adams fast gänzlich entfernt werden.

Im Zuge der Reinigung stellte sich heraus, dass die Bildbereiche ohne bzw. mit wenig Kalkzusatz in der Malschicht (Blätter und vor allem Pferd) auch nach der KSE-Behandlung noch sehr pulvrig waren. Diese Stellen hätten ohne zusätzliche Festigung nicht gereinigt werden können. Für die betreffenden Bildpartien konnte mit folgendem Medium eine ausreichende Stabilität der Malschicht erzielt werden: 30 ml Syton X 30; 5 ml Primal; 200 ml Wasser; 40 ml Ethanol. Der Auftrag erfolgte mit einem Pinsel über Japanpapier. Danach wurde die Malschicht mit einem trockenen Wattebausch angedrückt, das Japanpapier abgezogen und nach dem ersten Antrocknen der Lösung der Überschuss - wiederum über Japanpapier - mit Wasser abgenommen. Es war notwendig, diesen Vorgang mehrere Male zu wiederholen, bevor die Malschicht für die Feuchtreinigung ausreichend gefestigt war.

Durch die Feuchtreinigung war es möglich, die gesamte Fläche sowohl von der trüben Staub/Actinomycetenschicht als auch von der rötlichen bis rosa Färbung zu befreien. Der Hintergrund wurde bedeutend heller, jedoch zeigte sich eine starke Fleckigkeit durch orange-gelbliche Verfärbungen, die besonders die Reste der Malvorbereitung betrafen, was zu einem unruhigeren und ungleichmäßigeren Gesamteindruck führte. Weiß hingegen wurden bei der Reinigung Bereiche, die ursprünglich sehr verschmutz und somit wohl auch einem vermehrten Angriff der Mikroorganismen ausgesetzt waren.

5.2.7 Biozidbehandlung und salzvermindernde Maßnahmen

Nach abgeschlossener Reinigung wurde zur Abtötung möglicher Reste lebender Mikroorganismen und der gleichzeitigen Salzverminderung von Nitraten in Oberflächen nahen Bereichen eine Wasserkompresse mit Biozidzusatz in Form des Wirkstoffes Dimamin A auf die Wandmalerei aufgebracht.

Der Zellstoff wurde mit Wasser und Biozid vermengt, kurz anquellen gelassen und in einer Schichtdicke von etwa 0,5 cm auf die gesamte Oberfläche aufgesprüht. Die Abnahme der nach einer Woche getrockneten Kompresse erfolgte mit einer Teigspachtel. Die Reste des Zellstoffs wurden mit einem weichen Borstenpinsel entfernt.

5.2.8 Nachreinigung

Die Abnahme der abgestorbenen Mikroorganismenreste erfolgte trocken mit einem Silikonschwamm. Eine weitere Feuchtreinigung wurde für nicht notwendig erachtet.

5.2.9 Retusche

Die Vorgangsweise war dabei zuerst das Abdunkeln störender heller Stellen durch das Lasieren mit Aquarellfarbe. Mit einer stark reduzierten Palette (Caput Mortuum, Elfenbeinschwarz und Terra de Siena natur) konnten je nach Mischungsverhältnis alle benötigten Grautöne gemischt werden. Der jeweilige Farbton wurde deutlich erkennbar heller als jener der intakten Malschicht der betreffenden Farbfläche gewählt. Auf diese Weise war es möglich, die erhaltenen Malschichtpartien hervorzuheben und Details in der Binnenzeichnung wieder erkennbar zu machen. Hinzufügungen, Ergänzungen oder subjektive Interpretationen sind dabei aber nicht erfolgt.

Diese Art der Retusche kam nur bei Bereichen intakter Tünche zur Anwendung, tiefere Fehlstellen wurden mit einer grauen Lasur optisch in den Hintergrund gedrängt, wobei sich die notwendige Graustufe aus der Helligkeit der jeweiligen Umgebung ergab.

5.3 Ausblick – Präventive Konservierung

Es ist vor allem die Herstellung klimatischer Bedingungen, die einem Neubefall durch Mikroorganismen und der Gefahr der Salzkristallisation entgegenwirken, notwendig (rel. Luftfeuchtigkeit zw. 50 und 70 % bei Temperaturen zw. + 5 und + 20° C). Dies könnte entweder durch eine technische Klimakontrolle (permanente Messung und Be- bzw. Entfeuchtung bei Bedarf) oder Maßnahmen wie eine geeignete Isolation des Dachraums geschehen. Zudem ist für eine ausreichende Durchlüftung zu sorgen, welche die Versorgung von Bakterien mit Feuchtigkeit erschwert und eine mögliche Kondensation sowie Bildung von Mikroklimata verhindert.

Die Beleuchtung der Malerei sollte indirekt mit Halogenspots in genügend großem Abstand erfolgen und nur bei Bedarf eingeschaltet werden – es sollte zu keiner Wärmeentwicklung kommen.

Bei der Schaffung eines Zugangs zum Dachraum ist ein geeigneter physikalischer Schutz der Malerei – etwa ein Geländer – und die Begleitung der Besucher durch eine befugte Person unbedingt notwendig.

5.4 Gegenüberstellung: Malerei vor und nach der Restaurierung

 

  


Jänner 2012
Maria Knapp